# taz.de -- Die Wahrheit: Shakespeare auf Eis
       
       > Neues aus Neuseeland: Die Landesmutter hat es auch nicht leicht. Zwischen
       > Antarktis und Iran nichts als Probleme, Probleme, Probleme …
       
 (IMG) Bild: Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern mit ihrem Partner Clarke Gayford am 19. Januar
       
       Jacinda Ardern hat es schwer zur Zeit: sexistische Angriffe im Netz,
       schlechte Ergebnisse bei den Lokalwahlen, und der Hochzeitstermin steht
       immer noch nicht fest. Die letzten Wochen haben Neuseelands
       Premierministerin besonders gefordert. Sie schlug sich mit Shakespeare-Fans
       und Abenteurern im Iran herum – und der Antarktis.
       
       Zum ersten Mal besuchte die Politikerin Scott Base, Neuseelands
       Polarstation. Doch vor der Ankunft wurde sie unfreiwilliges Mitglied im
       „Bumerang-Club“: Wie etliche vor ihr konnte sie wegen schlechten Wetters
       nicht im Eis landen und drehte um. Im zweiten Anlauf pfiff ihr nicht nur
       eisiger Wind um die Ohren, sondern auch Vorwürfe: 500 Millionen Dollar
       würden für den Ausbau von Scott Base verplempert, statt sie in die
       Forschung zu stecken. Die PR-Reise ging nach hinten los.
       
       Zurück daheim entbrannte ein weiterer Streit. Ein Förderprogram, das
       schauspielernde Schüler zu Shakespeares Globe-Theater nach London
       verschickt, sollte nach 30 Jahren gestrichen werden – da der britische
       Barde laut der Behörde Creative NZ „gefangen im Imperialismus“ sei und
       nicht zeitgemäß fürs bikulturelle Aotearoa. Shakespeare gecancelt? Das
       wiederum wurde als „rassistisch“ beschimpft.
       
       Schließlich geriet die Landesmutter zwischen die internationalen Fronten.
       Während die westliche Welt am Tod von Mahsa Amini und den Protesten im Iran
       Anteil nahm, gab es dazu von neuseeländischer Seite keine deutliche
       Stellungnahme – obwohl Menschenrechtsverletzungen, besonders gegen Frauen,
       sonst von Jacinda Ardern angeprangert werden. Schuld daran waren zwei
       Touristen.
       
       Topher Richwhite – passender Name, da Sohn einer der reichsten Männer
       Neuseelands – und seine frischangetraute Bridget Thackwray kreuzen als
       Influencer für „Expedition Earth“ durch die Welt. Bevor die Proteste im
       Iran begannen, gab es bereits eine Reisewarnung, die die beiden
       ignorierten: Sie wollten mit ihrem Jeep von der Türkei in den Mullah-Staat.
       Nach langem Warten an der Grenze machten sie scherzhafte
       Instagram-Aufnahmen mit Küssen. Im Kofferraum hatten sie unerlaubte Bilder
       von sich in Badehose und Bikini.
       
       Das Paar wurde von der Sittenpolizei einkassiert und dann zum
       diplomatischen Pfand. Vier Monate lang wurde hinter den Kulissen um ihre
       Freilassung verhandelt, die Medien durften nichts berichten. Um die
       Verhandlungen nicht zu gefährden, musste Neuseelands Regierung sich mit
       kritischen Äußerungen zum Iran zurückhalten – auch nach dem Tod von Mahsa
       Amini. Ein hoher Preis.
       
       Die Reaktion auf die Heimkehrer war entsprechend gemischt: Idioten,
       egoistisch, leichtsinnig. Es war nicht die erste riskante Aktion der
       reisenden Reichen. Im Sudan wurden sie auf dem Weg zu einem der heißesten
       Punkte der Erde, der Danikil-Depression, einst mit vorgehaltener Waffe
       bedroht. Und 2019 kletterten sie hoch auf einen Wasserfall im Reservat der
       Unesco-Biosphäre – in Bayern.
       
       17 Nov 2022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anke Richter
       
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