# taz.de -- Jugendliche machen ernst
       
       > Aktivist*innen haben am Wochenende in Bargteheide bei Hamburg eine
       > alte Villa besetzt. Sie fordern von der Stadt Räume für ein autonomes
       > Jugendzentrum
       
 (IMG) Bild: Entschlossen, sich nicht abspeisen zu lassen: Besetzer*innen auf dem Balkon der „Villa Wacker“
       
       Von Lars Hermes
       
       Frühnebel zieht über den verwachsenen Garten rund um die alte Villa,
       Pflanzen ranken durch die kaputten Fenster eines Gartenhäuschens. Auf dem
       Balkon der Villa sitzen einige vermummte Jugendliche und beginnen zu
       frühstücken. Immer wieder kommen Passant*innen am Gebäude vorbei, um
       Ihre Solidarität kundzutun.
       
       Am Abend zuvor, am Freitag vergangener Woche, hatten junge
       Aktivist*innen sich unbemerkt Zutritt zur „Villa Wacker“ verschafft und
       das Gebäude unweit des Bahnhofs in Bargteheide, einer Kleinstadt
       nordöstlich von Hamburg, besetzt. Seit einigen Jahren steht die alte
       Backsteinvilla, die von der Stadt gekauft wurde, teilweise leer. Drei
       Wochen lang planten die Jugendlichen die Aktion akribisch, suchten
       Personen, die während der Schulherbstferien in der Villa übernachten,
       schrieben Pressemitteilungen, Redebeiträge und einen Demonstrationsaufruf.
       Sie bemalten Transparente und tüftelten einen genauen Zeitplan aus.
       
       Mit lauten Sprechchören zog am Freitagnachmittag eine rund 70-köpfige
       Demonstration mit dem Tenor „Alles besser als Leerstand! Jugend braucht
       Räume!“ durch die Innenstadt und forderte Jugendräume in der Stadt. Als die
       Demonstration am Schulzentrum begann, verriegelten die Besetzer*innen
       im Gebäude die Türen, deckten die Fenster ab und warteten auf die
       Endkundgebung vor der Villa. 
       
       Um etwa halb sechs abends gaben sie die Besetzung dann bekannt. Die
       Demonstrationsteilnehmer*innen strömten auf das Gelände der alten
       Villa, um die Besetzer*innen zu unterstützen. Die Stimmung war gut, es
       lief Musik und die Aktivist*innen befestigten ein Banner am Balkon des
       Hauses, bevor die Polizei das Gelände zügig räumte.
       
       Wenige Minuten später traf auch Bargteheides Bürgermeisterin Gabriele
       Hettwer (parteilos) ein und diskutierte an einem Fenster im Erdgeschoss mit
       den Jugendlichen. Sie einigten sich auf die Fortsetzung der Verhandlungen
       am folgenden Tag. Die Aktivist*innen beharrten darauf, bis dahin im
       Gebäude zu bleiben.
       
       Die Jugendlichen wollen sich nicht mit leeren Versprechungen
       zufriedengeben. Der Kampf um Jugendräume wird in Bargteheide schon lange
       geführt, oft von Gruppen, die dem autonomen Jugendhaus (AJH) im Ort
       nahestehen. Das erste AJH musste im Jahre 2005 einem Neubaugebiet weichen.
       Lange sträubte sich die Stadt, alternative Räumlichkeiten für die autonome
       Jugendarbeit bereitzustellen. Am Ende bot sie den Autonomen fünf Container
       am Stadtrand an. Seit dem Frühjahr 2005 besteht das Jugendhaus in der
       sogenannten „Blechbüchse“. Die neu gegründete Initiative „Jugend für
       Jugend“ will sich nun erneut für unabhängige Jugendräume einsetzen.
       
       Am Samstag verhandelten eine sechsköpfige Delegation der Aktivist*innen
       und deren Anwalt rund zwei Stunden im Ratssaal mit der Stadt. „Aufgrund der
       widerrechtlichen Besetzung der ‚Villa Wacker‘ war die Grundlage für einen
       vertrauensvollen Austausch schwierig und die Stimmung unter den Beteiligten
       angespannt“, sagte Hettwer laut einer Pressemitteilung der Stadt im
       Anschluss. Dennoch sei es „wichtig, den Konflikt wieder auf die
       demokratischen Säulen zu stellen. Den Jugendlichen wurde ein konkreter
       Fahrplan zur Beratung ihrer Forderung in der Stadtvertretung angeboten.“
       
       Am 27. Oktober sollen die Gespräche fortgesetzt werden, am 3. November wird
       die Forderung der Jugendlichen Thema im Ausschuss für Bauen und Bauordnung
       sein. Dort gehe es um Regelungen für eine eventuelle Duldung der Initiative
       in den Räumlichkeiten der Villa, sagen die Aktist*innen.
       
       „Für uns ist das Ergebnis annehmbar. Uns ist bewusst, dass die
       bürokratischen Wege nicht allzu leicht zu umgehen sind“, heißt es in einem
       Statement der Aktivist*innen zu den Verhandlungsgesprächen. Und weiter:
       „Dem beugen wir uns vorübergehend im Hinblick auf entsprechende
       Konsequenzen, sollten die gegebenen Garantien nicht eingehalten werden oder
       das Ergebnis erneut die Ignoranz und Unterdrückung der Jugend zur Folge
       haben.“
       
       Kurz nach dem Gespräch erklärten die Jugendlichen, das Gebäude bis zu einer
       offiziellen Zusage der Räumlichkeiten zu verlassen, auch um
       Verhandlungsbereitschaft zu signalisieren. Sie betonten, dass weitere
       Aktionen folgen sollen, sollten Versprechen nicht eingehalten werden. Bis
       zur Fortsetzung der Gespräche Ende Oktober aber wird es erst einmal einen
       „Burgfrieden“ geben zwischen der Stadt und der örtlichen Jugend.
       
       13 Oct 2022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lars Hermes
       
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