# taz.de -- Südkorea betrieb Prostitutionscamps: Später Sieg von Ex-Sexarbeiterinnen
       
       > In Südkorea hat der Oberste Gerichtshof endlich anerkannt, dass die
       > frühere Militärregierung als Zuhälter für das US-Militär fungiert hat.
       
 (IMG) Bild: „Trostfrauen“-Statue in Seoul: Das Gedenken an die Opfer Japans verhalf den Prostituierten der US-Armee zu mehr Sympathien
       
       Peking taz | Es ist das vielleicht dunkelste Kapitel in der
       US-südkoreanischen Militärallianz und wirft auf die Regierungen in
       Washington und Seoul ein beschämendes Licht: Nach Ende des Koreakriegs
       (1950–53) wurden dort außerhalb der US-Militärbasen sogenannte
       Prostitutionscamps angesiedelt, „Gijichon“ genannt. In ihnen arbeiteten
       junge Frauen, oft kaum volljährig, um die sexuelle Lust der G.I.s zu
       befriedigen.
       
       Die Sexdienste, nicht selten unter Zwang, wurden von den Behörden nicht nur
       geduldet, sondern aktiv gefördert. Die Körper der Sexarbeiterinnen waren
       fremdbestimmt – patriotische Waren, um Südkorea Devisen zu besorgen und die
       Militärallianz mit den USA zu festigen.
       
       Jahrzehnte nachdem die „Gijichon“ geschlossen wurden, konnten ehemalige
       Sexarbeiterinnen am Donnerstag einen späten Sieg erzielen: Südkoreas
       Oberster Gerichtshof urteilte, dass der Staat die 95 Klägerinnen jeweils
       mit bis zu 7 Millionen Won entschädigen muss, umgerechnet knapp 5.000 Euro.
       
       Angesichts der seelischen Schäden mag die Summe gering erscheinen. Doch
       geht mit dem Urteil eine mindestens ebenso wichtige rechtliche Anerkennung
       einher: Die Autoritäten haben endlich anerkannt, dass sich der Staat bei
       der flächendeckenden Prostitution fürs US-Militär der Vermittlung und
       Beihilfe schuldig gemacht hat. Mit anderen Worten: als Zuhälter agierte.
       
       ## Südkoreas Regierung ließ Prostituierte rekrutieren
       
       „Allein, dass die Regierung Prostitution in jenen Dörfern entlang der
       Militärbasen gefördert und gerechtfertigt hat, verletzt die Achtung der
       Menschenrechte“, urteilte das Gericht. Doch damit nicht genug: Die
       Regierung habe jene Prostitutionsdörfer überhaupt erst gebildet und auch
       betrieben.
       
       Die bereits vor acht Jahren eingereichte Klageschrift der Frauen im
       gehobenen Alter zeichnet das Bild einer Industrie, die weniger
       wirtschaftlichen Wohlstand produzierte als vor allem menschliches Leid.
       Mittelsmänner unter der Ägide der damaligen Regierung rekrutierten demnach
       seit Ende der 50er ungebildete und verarmte Mädchen – oft minderjährig –
       aus einschlägigen Bars, um sie in die Campdörfer zu schicken.
       
       Dort organisierten die Behörden verpflichtende Gesundheitschecks und
       schickten diejenigen Frauen, die sich mit sexuell übertragbaren Krankheiten
       angesteckt hatten, zur Genesung in Zwangsquarantäne. Auch sollen Englisch-
       und Benimm-Kurse für die Südkoreanerinnen organisiert worden sein.
       
       Die Existenz der „Gijichon“-Frauen war ein offenes Geheimnis. Sie wurden
       von der damaligen Militärdiktatur als heldenhafte Patriotinnen zelebriert,
       die dem damals bitterarmen Staat US-Dollar erwirtschafteten und dafür
       sorgten, dass das US-Militär als Schutz gegen die Bedrohung aus Nordkorea
       im Land blieb.
       
       Wie verbreitet das Problem war, zeigt ein Blick ins Archiv: 1965 gaben 85
       Prozent der befragten G.I.s in Südkorea an, Kontakt mit einer
       Prostituierten gehabt zu haben. Anfang der 1970er registrierte das
       US-Militär unter seinen dort 35.000 Soldaten knapp 25.000 Fälle von
       Geschlechtskrankheiten in einem einzigen Jahr.
       
       ## Als Yankee-Huren stigmatisiert
       
       Die Prostitutionscamps wurden in den Folgejahren geschlossen, das älteste
       Gewerbe der Welt verlagerte sich in sogenannte Juicy Bars in den
       Ausgehvierteln – benannt nach überteuerten Säften. Damit kauft die
       amerikanische Kundschaft intime Gesprächszeit mit aufreizend gekleideten
       Bardamen.
       
       Auch hat das US-Militär seit der Jahrtausendwende seine
       Disziplinarverfahren verschärft und geht härter gegen Prostitution vor. Es
       mussten mehrere Jahrzehnte vergehen, ehe die früheren Sexarbeiterinnen ihr
       Anliegen vor Gericht bringen konnten. Sie waren hochgradig stigmatisiert,
       als „Yankee-Huren“ diffamiert und von der Politik ignoriert worden.
       
       Später wurden sie von der Zivilgesellschaft euphemistisch als „Trostfrauen“
       bezeichnet – in Anlehnung an die vorwiegend koreanischen Frauen, die
       während des Zweiten Weltkriegs unter unmenschlichen Bedingungen für die
       japanischen Kriegsbordelle zwangsprostituiert wurden. Die meisten von ihnen
       überlebten den Krieg nicht: Sie kamen um durch Hunger, Folter und
       Krankheiten.
       
       Dass der Begriff auch für die ehemaligen Sexarbeiterinnen der „Gijichon“
       gewählt wurde, hat mehrere Gründe: Einerseits wollten Aktivistinnen dadurch
       die mediale Aufmerksamkeit erhöhen, zudem verleiht der Terminus den
       stigmatisierten Frauen auch öffentliche Sympathien. Doch mittlerweile
       halten viele Akademikerinnen, darunter auch Katharine Moon, die mit „Sex
       Among Allies: Military Prostitution in Korea-US Relations“ ein Standardwerk
       zu dem Thema verfasst hat, den Begriff „Trostfrauen“ für unglücklich
       gewählt. Die historischen Fälle seien schließlich unterschiedlich gelagert
       und nicht direkt vergleichbar.
       
       29 Sep 2022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fabian Kretschmer
       
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