# taz.de -- Handball Bundesliga beginnt: Auf der Jagd
       
       > Sechs Handballklubs aus dem Norden spielen erstklassig: Manche haben
       > Chancen auf die Meisterschaft, andere forcieren den Klassenerhalt. Eine
       > Prognose.
       
 (IMG) Bild: Geht entschlossen durch die Abwehrreihen: THW-Routinier Patrick Wiencek in einem Testspiel
       
       Hamburg/Bremen/Hannover taz | Der THW Kiel startet als Jäger in die neue
       Saison. So lautet zumindest das Framing des Vereins. [1][Trainer Filip
       Jícha versucht], aus einer Niederlage eine Tugend zu machen. Vergangene
       Saison hat es für den THW nur für Tabellenplatz zwei gereicht – genug für
       einen der zwei begehrten Champions-League-Plätze, aber [2][zu wenig für
       die Meisterfeier] auf dem Rathausbalkon.
       
       Ob der THW in dieser Saison jubeln wird, wird sich schon in den ersten
       Wochen der neuen Saison entscheiden. Dann nämlich muss das Team – auf
       einigen Positionen frisch zusammengewürfelt – funktionieren, obwohl noch
       zwei der wichtigsten Spieler fehlen.
       
       [3][Hendrik Pekeler] und Sander Sagosen, beide verletzt, seien gerade
       „hauptberuflich im Aufbautraining“, heißt es aus der THW-Pressestelle.
       Abwehrspezialist Pekeler – Achillessehnenriss – könnte im Dezember zurück
       sein, Spielmacher Sagosen – so kaputter Fuß, wie geht – wird wohl erst im
       neuen Jahr wieder zur Mannschaft stoßen.
       
       Vier Neue sollen den THW vervollständigen: Im Tor reiht sich nun der
       tschechische Nationaltorhüter Tomáš Mrkva hinter Welthandballer Niklas
       Landin ein. Bei einem Saisonvorbereitungsturnier hat er bereits gezeigt,
       dass er eine Verstärkung sein wird.
       
       Auf der freien Sagosen-Position teilen sich nun drei Rechtshänder die
       Spielanteile: Dem österreichischen Nationalspieler Nikola Bilyk stehen ab
       dieser Saison die schwedischen Europameister Eric Johansson und Karl
       Wallinius bei; beide Champions-League-erfahren, aber jung. Sie sollen über
       Jahre wichtige Säulen des Teams werden. Der Norweger Petter Øverby, einer
       mit ganz viel Erfahrung am Kreis und in der Abwehr, verspricht Stabilität.
       
       Noch läuft die Saisonvorbereitung: zweimal am Tag Training. Tausende
       Wiederholungen. Dann geht es von null auf hundert im Dreitagesrhythmus mit
       den Pflichtspielen in der Liga und der Champions League los.
       
       Als heißer Favorit wird der THW gerade nicht gehandelt – und damit
       höchstwahrscheinlich unterschätzt. In der Mannschaft gibt es genügend
       erfahrene Spieler wie Allrounder Domagoj Duvnjak, Kreisläufer Patrick
       Wiencek oder Kopf-durch-die-Abwehr Steffen Weinhold, die die neuen
       Teammitglieder ins Spielsystem einbinden können.
       
       Gelingt der Start, gelingt auch die Saison. Kiel ist auf der Jagd.
       Prognose: Tabellenplatz 1 Andrea Maestro
       
       ## Dem HSV Hamburg fehlt das Überraschungsmoment
       
       Zuhause in Poppenbüttel greift Torsten Jansen gern zur Gitarre. Er fährt
       auch lieber mit dem Rad als mit dem Auto. Und überhaupt ist der Trainer des
       HSV ein Mann, mit dem man über alles Mögliche gewinnbringend reden kann.
       Handball muss darin gar nicht vorkommen. Kann aber: „Wir sollten das erste
       Jahr nicht als selbstverständlich sehen“, sagt er. „Ein zweites Jahr in der
       Bundesliga – da wird uns manche Mannschaft nicht so sehr auf die leichte
       Schulter nehmen.“
       
       [4][26 Punkte sammelte Jansens Sieben] in der Saison 2021/22 und wurde
       Vierzehnter – eine gute Bilanz, die erst zum Ende schwächer wurde, als der
       Klassenverbleib erreicht war. Nun sollen es Torwart Johannes Bitter und Co.
       mindestens wieder genauso gut machen, mit Tendenz zum einstelligen
       Tabellenplatz.
       
       Das wird schwierig. Weil Jansens Einschätzung stimmt und weil der Umbruch
       beim HSV in vollem Gange ist. Viele der Aufstiegshelden sind gegangen, die
       den Weg von Liga 3 ins Oberhaus mitgemacht haben. Auch wenn einige von
       ihnen Bankdrücker waren: Ob darunter nicht der legendäre Zusammenhalt
       leidet? Von den Zugängen stechen zwei hervor – Dani Baijens, auch mal kurz
       in Flensburg, soll Leif Tissier als Regisseur entlasten. Linkshänder Jacob
       Lassen soll für mehr Druck aus dem rechten Rückraum sorgen.
       
       Los geht es am 1. September gegen die SG Flensburg-Handewitt. Könnte
       leichter sein, aber wie sagt Jansen: „Wir müssen ja eh gegen alle spielen.“
       Prognose: Tabellenplatz 14 Frank Heike
       
       ## Buxthuder SV: Die nächsten jungen Talente sind weg
       
       Dirk Leun kann Nachwuchs. Der Trainer des Buxtehuder SV geht in sein 14.
       Jahr. Und wieder verlassen vier starke Spielerinnen den Verein, die hier
       groß geworden sind. Das ist nicht erst seit Emily Bölk die Buxtehuder
       Blaupause. Diesmal sind es Torhüterin Katharina Filter (die zuletzt Titel
       beim Beachhandball abräumte), [5][Rückraumspielerin Annika Lott],
       Kreisläuferin Lisa Antl und Rechtsaußen Meret Ossenkopp. Filter, Lott und
       Antl debütierten im BSV-Trikot in der Nationalmannschaft. Das sind
       Verluste, die das Verantwortlichen-Team mit Leun und Manager Peter Prior
       erst einmal kompensieren muss.
       
       Der Verein hätte alle vier Spielerinnen gern gehalten. Immerhin zeigen die
       Angebote und daraus resultierenden Abgänge aber, welch guter
       Ausbildungsverein der BSV geworden ist. Während Filter nach Kopenhagen
       geht, wechseln die anderen drei innerhalb der Liga.
       
       Nach Platz drei in der Vorsaison und der Qualifikation für die European
       League werden sich die Buxtehuderinnen strecken müssen, um wieder
       mindestens einen Klub im Rennen um die Europapokalränge hinter sich zu
       lassen – wie zuletzt den Thüringer HC. Gelingen soll [6][das mit Cara
       Hartstock am Kreis]. Im Tor bildet die gebürtige Flensburgern Marie
       Andresen fortan das Duo mit Nationalspielerin Lea Rühter. Magda Kasparkova
       soll Lotts Lücke im Rückraum füllen. Wie der BSV die prominenten Abgänge
       verkraftet, wird sich bald zeigen. Prognose: Tabellenplatz 6 Frank Heike
       
       ## Die SG Flensburg-Handewitt will zurück an die Spitze
       
       Es war Balsam für die Seele der Fans der SG Flensburg-Handewitt, als vor
       einer Woche noch einmal ihre alten Idole wie Lars Christiansen, Anders
       Eggert oder Thomas Mogensen aufliefen, um in einem Showspiel Lasse Svan und
       Holger Glandorf vom Parkett der Hölle Nord zu verabschieden. Kurz konnte
       die Erinnerung an alte Triumphe [7][die Enttäuschung der vergangenen
       Saison] lindern, in der mit Platz vier erstmals seit Jahren die Champions
       League verpasst wurde. Eine Saison, die von so viel Verletzungspech geprägt
       war, dass sie kein wirkliches Bild von der Leistungsstärke des Kaders
       hinterlassen hat.
       
       Für die neue Saison sind laut NDR Maßnahmen zur Verbesserung der
       medizinischen Betreuung getroffen worden. Im Kader selbst muss sich zeigen,
       ob die Neuzugänge auf den Außenpositionen August Baskar Pedersen und Johan
       Hansen die Weltklasse-Außen Svan (rechts) und Hampus Wanne (links) adäquat
       ersetzen können. Weitere Veränderungen gibt es auf der Kapitänsposition, wo
       Johannes Golla auf Svan folgt, sowie in der Geschäftsführung, wo Holger
       Glandorf auf dem Chefsessel Dierk Schmäschke ablöst.
       
       Alles in allem ist das SG-Gebilde so stabil, dass es [8][im zu erwartenden
       Vierkampf an der Liga-Spitze] mithalten und in der European League um den
       Titel mitspielen kann. Aber nur, wenn Verletzungen von Leistungsträgern
       ausbleiben und die neuen Außenspieler einschlagen, ist die Rückkehr in die
       Champions League drin. Prognose: Tabellenplatz 2 Ralf Lorenzen
       
       ## VfL Oldenburg unter Doppelbelastung
       
       Wer sich in die Website des VfL Oldenburg vertieft, erfährt jede Menge
       Geschichten aus der 100-jährigen Geschichte des Handballs in dem Klub,
       dessen Aushängeschild spätestens seit dem ersten Bundesligaaufstieg 1980
       die Handballerinnen sind. Drei DHB-Pokalgewinne, einige
       Vizemeisterschaften, ein europäischer Challenge Cup sowie Platz 5 in der
       ewigen Bundesligatabelle stehen zu Buche. Aber nie musste das Team seit dem
       Wiederaufstieg 1999 so zittern, wie in der vergangenen Saison. Der
       Klassenerhalt wurde erst am vorletzten Spieltag gesichert.
       
       Gleichzeitig knüpfte das Team mit dem Erreichen des DHB-Pokalfinales an
       alte Erfolge an und beschert der Anhängerschaft vor Saisonbeginn eine
       Stimmungslage zwischen Euphorie und Bangen. Gleich zu Beginn steht mit dem
       Supercupfinale gegen die Double-Gewinnerinnen der SG BBM Bietigheim in der
       heimischen EWE-Arena ein Highlight an. Personell ist die Decke allerdings
       so dünn, dass, nach den Verletzungen der Linksaußen Jane Martens und Lana
       Teiken, die vor drei Jahren zurückgetretene Kim Birke bis Ende Oktober
       einspringen muss.
       
       Viel darf nicht mehr passieren, damit der kaum veränderte Kader der
       [9][Doppelbelastung durch die European League] standhält. Neu im Team sind
       lediglich Kreisläuferin Lena Feiniler sowie Torfrau Sophie Fasold, die
       Julia Renner ersetzt, die ihre Karriere nach 17 Jahren in Oldenburg beendet
       hat. Qualität und Erfahrung sollten für die Rückkehr ins gesicherte
       Mittelfeld reichen. Prognose: Tabellenplatz 9 Ralf Lorenzen
       
       ## Die Recken haben einen neuen Kapitän
       
       Nennen wir es einen Umbruch. [10][Und zwar einen mit Wumms]. Selten war im
       Spielerkader der TSV Hannover-Burgdorf so viel Veränderung auf einmal. Der
       Sportliche Leiter Sven-Sören Christophersen nutzt als Ex-Profi sein
       Netzwerk, um einem Team mit begrenzten finanziellen Möglichkeiten neue
       Chancen zu eröffnen.
       
       Dafür eignen sich Neuzugänge wie der Montenegriner Branko Vujović bestens.
       Der 24-jährige Linkshänder hat beim polnischen Klub Łomża Industria Kielce
       sogar in der Champions League gespielt. Ebenso der neue Kapitän des Teams,
       Rechtsaußen Marius Steinhauser. Den konnte der Verein von der SG
       Flensburg-Handewitt weglocken. Das macht in Hannover Mut.
       
       Mit sechs Neuzugängen in die Saison 2022/23 zu starten, klingt fast nach zu
       viel Veränderung auf einmal. Aber die TSV Hannover-Burgdorf findet immer
       wieder neue Lösungen. In der Vergangenheit mussten Abgänge begnadeter
       Spieler wie Kai Häfner, Fabian Böhm, Morten Olsen oder Timo Kastening
       verkraftet werden. Der Wechsel [11][vom spanischen Top-Trainer Carlos
       Ortega] zum FC Barcelona ebenfalls.
       
       Dass der TSV Hannover-Burgdorf – einst aus dem Vorstadtverein TSV Burgdorf
       hervorgegangen – schon seit 2009 in der 1. Liga spielt, verdient Respekt.
       Mit Christian Prokop als Chefcoach gibt seit 2021 immerhin der
       Ex-Bundestrainer den Ton an. Für die neue Saison tun sich derweil
       unerwartete Probleme auf: Wie es gelingen wird, die riesige ZAG-Arena
       (bezahlbar) zu beheizen, ist offen. Prognose: Tabellenplatz 9 Christian
       Otto
       
       29 Aug 2022
       
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