# taz.de -- Basketball-EM: Big World in a Small Basket
       
       > Die EM macht es unübersehbar: Basketball ist der Sport der urbanen
       > Jugend. Weltoffen, modern – und mit NBA-Stars zum Anfassen.
       
 (IMG) Bild: Fans und Stars nah beieinander: finnische Profis beim EM-Spiel gegen Polen am Samstag in Prag
       
       Es herrscht Volksfestatmosphäre vor der Köln-Arena. Die Litauer in Grün
       belagern die Bierstände vor der Halle. Basketballvereine aus Deutschland
       sind angereist, um endlich ihre Stars zu sehen. Man trägt Doncic,
       [1][Nowitzki], Irving oder Schröder. Drinnen ordern die Fans in rauen
       Mengen Fastfood und Getränke, als gebe es so etwas wie eine Inflation gar
       nicht. Eine Schlange vorm Merchandising-Stand des Basketball-Weltverbandes
       Fiba hat sich gebildet.
       
       Und auch vor diesem Leuchtding stehen Väter mit ihren Kindern an, um sich
       mit einem virtuellen Franz Wagner oder Johannes Voigtmann vom deutschen
       Team fotografieren zu lassen. Covid ist hier ein Rauschen aus der
       Vergangenheit. Allenfalls vereinzelt sieht man Maskenmenschen. Überall
       Vorfreude, Erregung und Geplapper. Nur um den Stand der Bonner
       Antidoping-Agentur Nada machen alle einen Bogen. Der Nada-Slogan „Alles
       geben, nichts nehmen“ scheint die Leute zu verwirren, zumal daneben ein
       übergroßer Apparat zur Hand-Desinfektion steht, der wie ein Relikt wirkt.
       
       Es ist [2][Basketball-EM], und die Hallen sind gut gefüllt. Die Spiele der
       Deutschen in Köln werden von über 18.000 Fans bejubelt. Das Event
       funktioniert. Die Menschen wollen Live-Sport ohne Restriktionen sehen. Man
       kann Wasser eines chinesischen Herstellers trinken, Werbung eines
       philippinischen Telefonanbieters und eines Internetunternehmens aus Shenzen
       bestaunen – und natürlich die vielen Korbjäger, die ihre Dollarmillionen in
       der National Basketball Association (NBA) verdienen. Die Liga gilt immer
       noch als Nonplusultra, als Sehnsuchtsort für europäische Ballwerfer.
       Jugendspieler schauen mit großen Augen über den Teich und kaufen sich den
       Game Pass, um Spiele der Brooklyn Nets gegen die Los Angeles Lakers zu
       streamen.
       
       Dass etliche Stars für dieses [3][Turnier nach Europa] gekommen sind, wirkt
       wie ein Magnet auf Basketballfans, die Goran Dragic, Nikola Jokic oder Rudy
       Gobert in dreidimensionaler Ausführung sehen wollen, live und in Farbe.
       Basketball ist kein Randsport einer universitären Elite mehr, Basketball
       ist zum Lieblingssport eines urbanen jungen Publikums geworden, das in
       Berlin im Prenzlauer Berg zuhause ist und in Köln in Ehrenfeld oder der
       Südstadt. Zwischen 18 und 34 Jahre sind die meisten Fans alt, hat die mit
       der NBA assoziierte Marketing-Agentur Sportfive ermittelt; außerdem: in
       Österreich, Deutschland und der Schweiz soll es 6,7 Millionen
       Basketball-Fans geben.
       
       Basketball ist cool – als sportliches, soziales und kulturelles Phänomen.
       Auf den Freiplätzen ist der Name Programm: Man spielt sich frei, hört Mucke
       und schiebt den Behind-the-Back-Pass so lässig wie Steph Curry zum
       Mitspieler rüber. Alter, wow! Dennis Schröder hat zwei Millionen Follower
       auf Instagram, macht in Fashion, Immobilien, Kryptowährung, „Vacation“ und
       „Family“. Sein Lieblingswort: „connecten“. Es geht in der Szene um
       Kontakte, Verbindungen, Credits von wichtigen Subkultur-Typen.
       
       Kevin Durant tritt etwa als Produzent der Apple-plus-Serie „Swagger“ auf,
       Kyle Kuzma spielt ein flamboyantes Fashion Game. Man will vernetzt sein mit
       Rap-Größen, Marihuana-Farmern, Trendsettern. Dennis Schröder, der in seiner
       besten Zeit 15 Millionen Dollar pro Jahr verdient hat, ist noch nicht
       einmal der größte Poser, aber auch er macht gern ein bisschen auf
       Bling-bling, wenn er seinen neuen, nobel-sportlichen Rolls-Royce im Video
       vorstellt, sein erstes Auto, das er sich in „Germany“ gekauft habe, wie er
       verrät.
       
       In der Blase ist vielleicht manchmal heiße Luft drin, aber die Line steht:
       Dunking-Credibility-Success. Die Vernetzung ist global. Die NBA ist neben
       Fußball sicherlich das große Sport-Ding, Globalisierung pur. Den meisten
       Umsatz macht zwar die US-Football-Liga NFL, und die Baseballer von der MLB
       verdienen auch nicht schlecht, aber die NBA holt beständig auf, peilt Rang
       zwei an. Und wer spielt schon Baseball oder Football im Senegal oder in
       Georgien? Eben. Die NBA ist in über 200 Ländern zu sehen, auf allen
       Kontinenten. Sie hat die englische Fußball-Premier-League bereits beim
       Umsatz überholt. Gastspiele im Ausland gibt es seit Ende der 70er Jahre,
       als die Washington Bullets in Israel antraten.
       
       ## Weltliga NBA
       
       Seitdem wird auf Teufel komm raus missioniert. Die Teams aus der Eastern
       und Western Conference jetten regelmäßig rüber auf den Alten Kontinent oder
       nach Asien und lassen jucken. In China wurden Basketball-Akademien
       gegründet, sogar über die Integration eines europäischen Teams in die NBA
       wurde nachgedacht. Der Anteil internationaler Spieler ist stark
       angewachsen: In der Saison 2021/22 standen 109 Nicht-Amerikaner aus 39
       Ländern bei NBA-Teams unter Vertrag, darunter sieben Deutsche.
       
       Bei 20 bis 25 Prozent liegt der Anteil „internationaler“ Spieler in der NBA
       in den vergangenen Jahren. Die Mission ist klar: Interesse wecken, Absatz
       fördern, weltweit. Und das klappt. Der erste große Hype fand in den 90er
       Jahren statt, mit Michael Jordan als Zugpferd. Die Gehälter stiegen so
       exorbitant im Vergleich zum Durchschnittseinkommen der Amerikaner, dass
       eine leichte Basketball-Baisse danach unvermeidbar war.
       
       Jetzt hat Nikola Jokic (Denver Nuggets) den bestdotierten Vertrag aller
       Zeiten unterschrieben, fast 270 Millionen Dollar für sechs Jahre bekommt
       der serbische Center – und ist sich nicht zu schade, bei der EM seine
       Spin-Moves zu zeigen. Er sagt wie Dennis Schröder auch, er spüre eine
       Verpflichtung, den Fans in Europa sein Können vorzuführen. So wird die
       Fiba-Eurobasket zu einer Bühne für die Ballkünstler aus Chicago oder
       Boston, Werbeplattform für ein Lebensgefühl.
       
       Dazu kommen die besten Korbjäger aus der Euroleague. Und das Verblüffende:
       Manchmal macht es mehr Spaß, einem Dzanan Musa (aktuell Real Madrid) aus
       Bosnien zuzuschauen als dem Litauer Domantas Sabonis von den Sacramento
       Kings. Der Prozess der Nivellierung ist mit Händen zu greifen. Die
       NBA-Stars sind einige unter vielen Hochbegabten, gleichwohl bleiben sie
       Markenbotschafter. Die Scouts aus den USA haben derzeit also viel zu tun.
       
       4 Sep 2022
       
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