# taz.de -- Auslieferung aus Schweden in die Türkei: Folge des Nato-Deals?
       
       > Schweden liefert wohl nach Ankara aus. Zum ersten Mal, seitdem der
       > türkische Präsident Erdogan dem Nato-Deal mit Schweden und Finnland
       > zugestimmt hat.
       
 (IMG) Bild: Die schwedische Ministerpräsidentin Andersson trifft den türkischen Präsidenten Erdogan am 28. Juni
       
       Stockholm taz | Die schwedische Regierung hat am Donnerstag der Abschiebung
       eines türkischen Staatsbürgers in die Türkei zugestimmt, dessen
       Auslieferung der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan im Streit um den
       NATO-Beitritt des Landes gefordert hat. Es ist der erste öffentlich bekannt
       gewordene derartige Fall seit dem NATO-Beitrittsgesuch Schwedens und
       Finnlands im Juni.
       
       Die Türkei hatte eine [1][Zustimmung zu diesem Gesuch] davon abhängig
       gemacht, dass beide Länder ihre angebliche Unterstützung von
       „Terrororganisationen“ beenden und in diesem Zusammenhang eine Liste mit
       Personen erstellt, deren Auslieferung man fordert.
       
       Okan Kale, wie der 35-jährige Mann laut schwedischer Gerichtsakten heißt,
       steht auf dieser Liste. Allerdings nach Informationen der schwedischen
       Nachrichtenagentur TT nicht unter der Rubrik „Terroristische Verbrechen“,
       sondern unter „Andere Verbrechen“. Als Grund der Auslieferung wird die
       Verbüßung von Haftstrafen wegen mehrfachem Kreditkartenbetrug in den Jahren
       2010 und 2011 genannt. Letztinstanzlich war er in der Türkei in seiner
       Abwesenheit 2013 zu einer Haftstrafe von 4 Jahren und 2 Monaten und 2016 zu
       einer weiteren Strafe von 6 Jahren und 3 Monaten verurteilt worden.
       
       Kale hatte 2011 in Schweden einen Asylantrag gestellt und diesen damit
       begründet, dass die gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren wegen Betrug
       fehlerhaft seien: Diese seien nur ein Vorwand, in Wirklichkeit werde er
       politisch verfolgt, weil er vom Islam zum Christentum konvertiert sei und
       den Militärdienst verweigert habe. Sein Asylantrag war im Juni 2012
       abgelehnt und eine Abschiebung in die Türkei angeordnet worden. Dieser
       Abschiebung kam er zuvor und stellte in Italien einen erneuten Asylantrag.
       Er erhielt dort eine Aufenthaltserlaubnis und heiratete eine schwedische
       Frau, mit der er anschließend wieder nach Schweden zog. 2016 erhielt er
       aufgrund dieser Ehe in Schweden ein Bleiberecht.
       
       ## Internationaler Haftbefehl bereits im Oktober 2021
       
       Im Oktober 2021 wurde den schwedischen Behörden über Interpol ein
       internationaler Haftbefehl der Staatsanwaltschaft Muğla in der
       Südwesttürkei zusammen mit einem Auslieferungsbegehren zugestellt. Im
       Dezember – also lange bevor über einen NATO-Beitritt Schwedens auch nur
       diskutiert wurde – wurde Kale verhaftet und war seither inhaftiert. Ein von
       ihm aufgrund der [2][EU-„Qualifikationsrichtlinie“] gestellter Schutzantrag
       wurde von der Ausländerbehörde verworfen. Am 25. Juli entschied „Högsta
       Domstolen“ – das insoweit zuständige oberste Gericht Schwedens – dass einer
       Auslieferung in die Türkei keine Hindernisse entgegenstehen. Es gebe keine
       Hinweise auf das Risiko einer möglicherweise drohenden Verfolgung aus
       politischen Gründen.
       
       Schwedens Justiz- und Innenminister [3][Morgan Johansson] bezeichnete den
       Fall als „reinen Routinefall“. Die Regierung sehe keinen Grund, eine
       Abschiebung zu stoppen. Der Mann sei türkischer, nicht schwedischer
       Staatsbürger, „der Högsta Domstolen hat diese Frage geprüft und
       festgestellt, dass es keine Hindernisse für eine Ausweisung zur Verbüßung
       der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe gibt“.
       
       Kales Rechtsanwältin Camilla Wester bedauerte den Beschluss: „Ich halte
       eine Auslieferung für unverhältnismäßig.“
       
       12 Aug 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Nato-Einigung-mit-der-Tuerkei/!5861159
 (DIR) [2] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX%3A32011L0095&from=EN
 (DIR) [3] https://www.government.se/government-of-sweden/ministry-of-justice/morgan-johansson/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
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