# taz.de -- 4:0 beim DFB-Pokalfinale der Frauen: Schwebend über dem Rest
       
       > Jubeln dürfen die VW-Kickerinnen: Der VfL Wolfsburg gewinnt das
       > DFB-Pokalfinale gegen Turbine Potsdam. „Die Kluft ist zu groß“, warnt
       > eine Expertin.
       
 (IMG) Bild: Dominique Janssen und Alexandra Popp (r.) werfen dem Pott Küsschen zu
       
       Köln taz | Sie haben ihre Ankündigungen gleich wahr gemacht, die
       Spielerinnen des VfL Wolfsburg, die die Räumlichkeiten des Kölner Stadions
       jedes Jahr wieder für ausgedehnte Feierlichkeiten zweckentfremden. Das
       Ermüdungsbecken dient beispielsweise dazu, mit der Silberware zu baden.
       Diesmal tunkten die VfL-Fußballerinnen nicht nur den nach einem 4:0 gegen
       Turbine Potsdam zum achten Mal hintereinander gewonnenen [1][DFB-Pokal]
       hinein, sondern auch die Meisterschale.
       
       Zuvor waren kölsche Stimmungslieder aus den Lautsprechern gescheppert,
       nachdem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Trophäe überreicht
       hatte. Flugs zogen die Protagonisten T-Shirts mit der Leuchtschrift „Alle
       Neune“ über, denn mit neun Pokalsiegen stehen die „Wölfinnen“ nun auf einer
       Stufe mit dem 1. FFC Frankfurt, der am 16. November 2013 dem VfL die bisher
       letzte Niederlage im Cup-Wettbewerb zufügte. Eine unfassbare Serie.
       
       Kein Wunder, dass der von der erst nach einer Stunde eingewechselten
       Kapitänin Alexandra Popp mitgebrachte Melonenlikör die Runde machte oder
       sich von der nicht ausgelasteten Torhüterin Almuth Schult eine Bierdusche
       über Tommy Stroot ergoss. Der inzwischen bis 2025 gebundene Cheftrainer hat
       in einem „Jahr des Umbruchs“ viel mehr erreicht als alle dachten. Auch
       Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg, die am Dienstag den vorläufigen
       EM-Kader nominiert, aber den Wolfsburger Nationalspielerinnen das Pre-Camp
       in Frankfurt (5. bis 9. Juni) ersparen wird, lobte die „Überzeugung“, die
       das VfL-Ensemble unter dem 33-Jährigen entwickelt hat.
       
       Tore von Ewa Pajor (11. und 32.), Jill Roord (42.) und Dominique Janssen
       (70.) sicherten Wolfsburg in einem einseitigen Finale nach 2013, 2017,
       2018, 2019 und 2020 das sechste Double. Kein Wunder, dass VW-Chef Herbert
       Diess die Frauen in der werkseigenen Fußball-GmbH als beispielhaft preist,
       weil sie Titel am Fließband einfahren, während die Männer ein
       Missverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag aufweisen.
       
       ## „Das fitteste Team der Liga“
       
       [2][Der Macher der Frauenabteilung am Mittellandkanal ist Ralf Kellermann],
       der erst in Doppelfunktion als Trainer und Manager, inzwischen als
       Sportlicher Leiter das richtige Händchen für die Kaderzusammenstellung
       besitzt. „Er holt die richtigen Charaktere. Das ist die hohe Kunst“, lobte
       die scheidende Schult. Die charismatische Persönlichkeit, die bald für das
       US-Team Angel City FC die Bälle halten wird, hätte sich keinen schöneren
       Abschied wünschen können. Für die 31-Jährige stellt Wolfsburg seit Jahren
       das „fitteste Team der Liga“. Der „unglaubliche Ehrgeiz“ (Schult) tue ein
       Übriges.
       
       In die Überlegenheit mischte sich bei ihr auch eine Portion Übermut. Die
       17.531 Zuschauer staunten nicht schlecht, als in der Schlussphase
       Wolfsburgs Keeperin Richtung Potsdamer Strafraum eilte. „Im Training hatte
       ich zuletzt mal ein grandioses Seitfalltor geschossen“, erzählte Schult,
       der schnell dämmerte, dass ihre „spontane Idee“ nicht alle lustig fanden.
       Also bat sie auf der Pressekonferenz mit einem Bier in der Hand um
       Entschuldigung, nachdem Turbine-Trainer Sofian Chahed fehlenden Respekt
       bemängelt hatte. Ansonsten fühlte sich der ehemalige Hertha-Profi
       bestätigt, dass der Gegner „komplett in einer anderen Liga“ unterwegs sei.
       „Wenn ich sehe, wer bei Wolfsburg auf der Bank saß oder nicht im Kader war
       – die hätte ich alle mit Kusshand genommen“, sagte der 39-Jährige.
       
       Den Branchenprimus zeichnet mentale Stärke, körperliche Überlegenheit, aber
       auch individuelle Qualität aus, die außer dem FC Bayern kein Verein
       aufbieten kann. Doch während die Münchnerinnen alle Ziele verfehlten – und
       sich von Trainer Jens Scheuer getrennt haben – schwebte Wolfsburg speziell
       in der Rückrunde über dem Rest und leistete sich abgesehen vom
       Champions-League-Halbfinale beim FC Barcelona (1:5) keinen Ausrutscher.
       
       Ein Ende der Dominanz zeichnet sich nicht ab. Im Gegenteil: Mit
       Nationaltorhüterin Merle Frohms (Eintracht Frankfurt), den
       Nationalspielerinnen Marina Hegering (FC Bayern) und Jule Brand
       (Hoffenheim) sowie Verteidigerin Sara Agrež (Potsdam) verstärkt man sich –
       und schwächt zugleich die ärgsten Konkurrenten. ARD-Expertin Nia Künzer
       warnt bereits: „Die Kluft ist einfach zu groß.“ Wenn die Frauen in
       Deutschland beim Kampf um Aufmerksamkeit vorankommen wollen, dann helfen
       ihnen am allerwenigsten Kräfteverhältnisse, wie sie seit Jahren bei den
       Männern durch den FC Bayern herrschen.
       
       29 May 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.dfb.de/dfb-pokal-frauen/start/
 (DIR) [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Ralf_Kellermann
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frank Hellmann
       
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