# taz.de -- Hertha BSC bleibt in Bundesliga: Wundersame Verwandlung
       
       > Überraschend souverän sichert sich Hertha BSC noch den Klassenerhalt und
       > steht vor einer Neuausrichtung. Der HSV überrascht durch Mutlosigkeit.
       
 (IMG) Bild: Gefühl der Erlösung: Torhüter Oliver Christensen und Santiago Ascacíbar feiern
       
       Der ganze unmenschliche Nervenkitzel, den das Format „Relegation“ erzeugt,
       [1][ließ Felix Magath] offenbar völlig kalt. Während neben ihm auf der
       Hertha-Bank getobt wurde und sein Hamburger Kollege Tim Walter jede
       Schiedsrichter-Entscheidung gegen den Hamburger SV mit Gestik und Mimik
       quittierte, schaute Magath, 68, Buddha-gleich zu. Er stand 96 Minuten fast
       nur an einem Fleck.
       
       Vielleicht hat es ihn wirklich bewegt, nun ausgerechnet dem HSV als Trainer
       der Berliner Hertha begegnen zu müssen – nach mehr als 300
       Bundesligaspielen für die Hamburger, nach dem größten Titel der
       Vereinsgeschichte dank seines Tores im Mai 1983. Vielleicht wollte Magath
       deswegen keine Regung zeigen, wie Spieler, die gegen ihren früheren Verein
       Tore schießen, aber nur abgespeckten Jubel zeigen. Aus Respekt. Was dann
       aber doch nur theatralisch wirkt.
       
       Theatralisch wirkt bei Magath gar nichts, und dass man über seine wahren
       Beweggründe rätselt, hat er sich mit seiner undurchsichtigen Art über die
       Jahre erarbeitet. Jedenfalls war es ihm gelungen, [2][aus der verzagten
       Hertha von der 0:1-Hinspielniederlage am Donnerstag] eine Elf im
       Relegations-Modus zu machen: Entschlossen, teamfähig, von höherer
       individueller Klasse als der Gegner – die diesmal auch abgerufen wurde.
       
       Der 2:0-Sieg im Rückspiel am Montagabend war vor 55.000 Zuschauerinnen und
       Zuschauern im ausverkauften Volksparkstadion ein zu knappes Ergebnis, denn
       Hertha hätte noch mehr Treffer erzielen können, wohingegen der schwache HSV
       in 96 Minuten nur einen Torschuss abgab – in der 80. Minute, Suat Serdar
       blockte den Versuch Josha Vagnomans. So waren es die Tore von Dedrick
       Boayata nach nur vier Minuten und Marvin Plattenhardts Treffer in der 63.
       Minute, die den HSV bezwangen.
       
       ## Kevin-Prince Boateng wirkt als Institution
       
       Die Souveränität, mit der die Berliner in Hamburg auftraten, überraschte
       nach der schwachen Leistung vor fünf Tagen – und erinnerte daran, dass der
       Erstligist in vergangenen Relegationen häufig das erste Spiel gebraucht
       hatte, um sich auf den unterklassigen Gegner und das spezielle setting
       dieser Saisonverlängerung einzustellen.
       
       Bezwungen worden waren die Hamburger auch davon, dass Magath seiner Hertha
       in Kevin-Prince Boateng und vor allem Santiago Ascacibar zwei Profis ins
       Mittelfeld stellte, an denen sie sich festhalten konnte. Im Hinspiel hatten
       sie noch gefehlt. Er habe bezweifelt, dass Boateng zwei solche Spiele
       durchhalten würde, sagte Magath später: „Ich habe ihn im Finale gebraucht.“
       Boateng war da am Montagabend, mehr als Institution denn als
       Fußballspieler, und da Ascacibar so viel lief und wegarbeitete, passte es
       wunderbar zwischen den beiden.
       
       An anderer Stelle war der Unterschied zum HSV noch größer. Weil Marc-Oliver
       Kempf und Dedrick Boyata als Innenverteidiger-Pärchen nahezu jedes Duell
       gewannen, kam der beste Hamburger Stürmer Robert Glatzel überhaupt nicht zu
       Geltung. „Wir haben kein Larifari gespielt, wir haben uns in jeden
       Zweikampf reingehauen und das Ding am Ende verdient gedreht“, sagte Kempf.
       Plattenhardt sprach später von der besten Saisonleistung.
       
       Wenn man die allerdings im letzten Saisonspiel kurz vor dem Abgrund bringt,
       ist doch ziemlich viel schief gelaufen [3][beim Big-City-Klub mit seinen
       Millionen] aus dem Windhorst-Investment. Und so war der Jubel um den
       Klassenverbleib nur der Prolog vor der Neuausrichtung. Auf jeden Fall ohne
       Magath, der seine Retter-Mission beendet und erst mal zu Hause „Holz
       hacken“ wollte. Und Präsident Werner Gegenbauer soll nach 14-jähriger
       Amtszeit auch keine gestaltende Kraft mehr sein, wie die Wirtschaftwoche
       und die Bild-Zeitung am Dienstagmorgen berichteten. Hertha BSC dementierte
       am Nachmittag allerdings die Meldung, der 71-Jährige werde auf der
       Mitgliederversammlung am Sonntag zurücktreten. Geschäftsführer Fredi Bobic
       sagte, er bedauere die Gerüchte. Bestätigt wurde vom Verein indes, dass der
       Vertrag mit Finanzchef Ingo Schiller im Herbst aufgelöst wird.
       
       Seitens des HSV entbehrte es nicht einer gewissen Tragik, dass im
       wichtigsten Spiel der Saison die größte Tugend unter die Räder kam: der
       Mut. Aller Voraussicht nach werden Trainer Walter, Sportchef Michael Mutzel
       und Vorstand Jonas Boldt weitermachen dürfen und versuchen, den HSV nach
       seinem dann fünften Jahr im Unterhaus wieder in die Bundesliga zu bringen.
       
       24 May 2022
       
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