# taz.de -- nordđŸthema: Neues Arzneimittelgesetz erschwert homöopathische Medizin fĂŒr Tiere
> Das seit Januar geltende, gut gemeinte, aber schlecht formulierte
> Tierarzneimittelgesetz geht fehl: Statt den Einsatz von Antibiotika zu
> reduzieren, verkompliziert es die Behandlung von Tieren mit Homöopathie
(IMG) Bild: Darf Globuli nur noch vom Arzt kriegen: Milchkuh am Trog
Von Sabine Kaiser
âGut gedacht, schlecht gemachtâ: So bewertet die Agraringenieurin
Christiane Gromöller die Auswirkungen des neuen Tierarzneimittelgesetzes
(TAMG), das seit drei Monaten in Kraft ist. âDas neue Gesetz ist im Grunde
sinnvoll. Aber: So, wie es in Deutschland formuliert wurde, macht es den
Einsatz der KomplementĂ€rmedizin umstĂ€ndlich bis unmöglich.â
Gromöller aus Jemgum in Niedersachsen, die auch als Tierheilpraktikerin
tĂ€tig ist und eine mobile Praxis fĂŒr landwirtschaftliche Nutztiere und
Pferde betreibt, wird nach wie vor von den Landwirtschaftskammern als
Dozentin gebucht, um ĂŒber Homöopathie in der Tierhaltung zu referieren.
Seit Jahren wird inhaltlich an dem Gesetz gearbeitet, VerbÀnde wie die
Kooperation deutscher Tierheilpraktiker-VerbÀnde, deren stellvertretende
Vorsitzende Gromöller ist, haben sich immer wieder eingeschaltet: âDie
Kooperation hat das neue Gesetz sogar begrĂŒĂt, denn der Anlass war, den
Antibiotika-Einsatz, besonders von Reserve-Antibiotika fĂŒr die
Humanmedizin, in der Landwirtschaft einzuschrÀnken. Und den Einsatz auch
bei der Behandlung von Kleintieren zu reduzierenâ, so Gromöller. Denn auch
Hund und Katze können resistente Erreger auf ihre Halter*innen
ĂŒbertragen.
Die Vorgabe lieferte die âVerordnung EU 2019/6 des EuropĂ€ischen Parlaments
und des Rates ĂŒber Tierarzneimittelâ, die von der Bundesregierung an
nationales Recht angepasst wurde, indem sie ein neues
Tierarzneimittelgesetz (TAMG) schuf, das seit dem 28. 1. 22 gilt. Paragraph
50 TAMG regelt die Anwendung von Tierarzneimitteln, und besonders Absatz
zwei sorgt fĂŒr Unmut, denn laut Gesetz dĂŒrfen Tierhalter*innen und
Tierheilpraktiker*innen Humanarzneimittel bei Tieren nur noch
anwenden, wenn sie von VeterinĂ€rmediziner*innen fĂŒr das jeweilige
Tier abgegeben oder verordnet wurden.
Zu den Humanarzneimitteln zĂ€hlen per Gesetz auch ein GroĂteil der
Homöopathika, denn nur etwa 1,15 Prozent der in Deutschland zugelassenen
homöopathischen PrĂ€parate sind fĂŒr Tiere zugelassen. Auch SchĂŒĂler-Salze,
chinesische KrĂ€utermedizin oder Blutegel dĂŒrfen
Tierheilpraktiker*innen oder Halter*innen nicht mehr ohne
tierÀrztliches Rezept verabreichen.
âNun fĂ€llt auch fĂŒr die Kleintiere und Pferde ein ganzes Fachgebiet wegâ,
sagt Dorit Gieseke-Rohrmann, Diplom-Agraringenieurin und
Tierheilpraktikerin. Was in den StÀllen schon lÀnger geahndet wurde, das
Behandeln von Nutztieren mit Humanhomöopathika, ist
Tierheilpraktiker*innen nun auch fĂŒr Hund, Katze und Pony verboten.
âWir gehen einen weiteren Schritt zurĂŒck in die falsche Richtung. Statt auf
natĂŒrliche Methoden zu setzen, wie zum Beispiel das Ansetzen von Blutegeln
bei EntzĂŒndungen, wird wieder hĂ€ufiger zu Antibiotika gegriffen werden.â
Oder gar nicht behandelt: âBesonders die KĂŒhe tun mir in diesem
Zusammenhang leidâ, so Gieseke-Rohrmann, die zunĂ€chst Erfahrungen im
elterlichen Milchviehbetrieb in Varel sammelte, spÀter als
Milchviehspezialberaterin in vielen norddeutschen landwirtschaftlichen
Betrieben tĂ€tig war. âDas TAMG wurde in Deutschland hĂ€rter umgesetzt, als
von der EU gefordertâ, sagt Gieseke-Rohrmann. Selbst die Empfehlung
alternativer Mittel sei Tierheilpraktiker*innen verboten.
Da die Tierheilpraktiker*innen im TAMG ein De-facto-Berufsverbot
sahen, klagten sie vor dem Bundesverfassungsgericht. Ein Eilantrag wurde
abgewiesen, die Verfassungsbeschwerde aber zugelassen. Auch
Tierhalter*innen handeln seit Januar gesetzeswidrig, wenn sie ihre
Haustiere ohne Tierarzt-Rezept mit Globuli behandeln. Die Apothekenkammer
hat bereits Schreiben an ihre Mitglieder versandt, die darauf hinweisen,
dass Humanhomöopathika nicht mehr an Tierhalter*innen ausgehÀndigt
werden dĂŒrfen, wenn im VerkaufsgesprĂ€ch deutlich wird, dass sie Tieren
gegeben werden sollen.
âSobald der Irrsinn deutlich wird, nĂ€mlich, dass ich als Mutter zwar fĂŒr
meinen SĂ€ugling alle Globuli in jeder Potenz erwerben darf, jedoch eine
Ordnungswidrigkeit begehe, wenn ich das fĂŒr meinen Pudel tue, hoffe ich,
dass ein deutliches Signal an die Politik gesendet wirdâ, sagt Sarah
Mergen, die ein Ausbildungszentrum fĂŒr Tiertherapeut*innen leitet.
Die THP-VerbÀnde haben nun eine Liste jener Homöopathika erstellt, die als
Tierarznei zugelassen sind. âAber allein auf diese können wir nicht bauen.
Darum hoffen wir, das zĂŒgig weitere Mittel zugelassen werdenâ, so Mergen,
die seit 20 Jahren deutschlandweit ausbildet.
Die Politik argumentiert, dass Homöopathika, wenn benötigt, von
VeterinĂ€rmediziner*innen per Rezept verordnet wĂŒrden. Doch vor
allem im Nutztierbereich sehen Betroffene eine VersorgungslĂŒcke. Annabelle
Gérard hat Agrarwissenschaften studiert und hÀlt auf ihrem Betrieb, der
nach dem Prinzip der solidarischen Landwirtschaft arbeitet, MilchkĂŒhe,
KĂ€lber und Mastrinder, insgesamt etwa 90 Tiere.
Sie findet es problematisch, dass immer weniger TierÀrzte Nutztiere
betreuen und somit noch weniger TierĂ€rzte homöopathisch behandeln. âWir tun
alles dafĂŒr, dass die Tiere nicht krank werden: Umgebung, FĂŒtterung, viel
Weidegang, Stall-Gestaltung, Mensch-Tier-Umgang. Falls doch eines krank
wird, haben wir neben den Behandlungskosten auch hohe Anfahrtskosten zu
tragen.â Bei bestimmten Krankheitsbildern oder auch vorbeugend könnte man
selbst etwas tun, darf es aber nicht. âIch will doch handlungsfĂ€hig sein.
Das wird mir verwehrt. Obwohl in der EU-Bio-Verordnung steht, dass
homöopathischen und anderen Mitteln der Vorzug zu geben ist!â
Die neue EU-Bio-Verordnung â VO (EU) 2018/848VO â gilt seit Januar 2022.
Sie stĂ€rkt der KomplementĂ€rmedizin den RĂŒcken, denn sie besagt unter
anderem: â⊠hemisch-synthetische allopathische Tierarzneimittel
einschlieĂlich Antibiotika dĂŒrfen erforderlichenfalls unter strengen
Bedingungen und unter der Verantwortung eines Tierarztes verabreicht
werden, wenn ⊠die Behandlung mit phytotherapeutischen, homöopathischen und
anderen Mitteln ungeeignet istâ. âWir haben ohnehin zu wenige
TierĂ€rzt*innen fĂŒr den Nutztier-Sektor und erst recht herrscht ein
Mangel an TierÀrzt*innen, die eine fundierte Ausbildung in Homöopathie
vorweisen können. Somit haben wir nicht die gleichwertige Versorgung wie
vor dem Inkrafttreten des TAMG, auch wenn von politischer Seite gern so
argumentiert wirdâ, so Gromöller.
29 Apr 2022
## AUTOREN
(DIR) Sabine Kaiser
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