# taz.de -- Wolfsburg-Chef zur Champions League: „Das ist ein bisschen verrückt“
       
       > Ralf Kellermann, Sportlicher Leiter des VfL Wolfsburg, über den FC
       > Barcelona, die Chance aufs Triple und 91.000 Zuschauer im Stadion.
       
 (IMG) Bild: Wolfsburgs Tabea Waßmuth (links) im Zweikampf mit Manuela Zinsberger (Arsenal London)
       
       taz: Herr Kellermann, der VfL Wolfsburg tritt am heutigen Freitagabend im
       Champions-League-Halbfinale beim FC Barcelona an. Das Camp Nou ist
       ausverkauft. Wollen Sie Barcelona so erobern wie die Männer von
       [1][Eintracht Frankfurt vor einer Woche]? 
       
       Ralf Kellermann: Wir haben vergangenen Donnerstag alle mitgefiebert, weil
       es etwas Besonderes für den deutschen Fußball war. Es ist beeindruckend,
       was die Eintracht-Fans auf die Beine gestellt haben, aber man kann es nicht
       mit den Rahmenbedingungen im Frauenfußball in Wolfsburg vergleichen. Wir
       wollen aber ähnlich sportlich performen, denn die Rollenverteilung ist
       durchaus vergleichbar: Barcelona ist als Titelverteidiger und mit der
       Kaderbesetzung der Favorit, aber wir bringen genau wie die Männer von
       Eintracht Frankfurt jede Menge Optimismus, Selbstbewusstsein und Vorfreude
       mit.
       
       91.553 Besucher kamen vor drei Wochen [2][zum Spiel der Frauen von Barca
       gegen Real]. Schüchtert so eine Kulisse Ihr Team ein? 
       
       Ich hatte bei der Heim-WM 2011 das Gefühl, dass die deutsche
       Frauen-Nationalmannschaft nicht wirklich darauf vorbereitet war. Ich hatte
       hinterher von einigen Spielerinnen gehört, dass sie von der Euphorie, dem
       Medienrummel und den Massen völlig erschlagen waren. Ich mache mir aber
       jetzt gar keine Sorgen, dass irgendeine Spielerin nicht ihre Leistung
       abliefern wird. Es gibt nichts Schöneres, als vor solch einer Kulisse
       anzutreten. Uns helfen zudem die Erfahrungen, die wir zum Beispiel bei
       Juventus Turin gesammelt haben.
       
       Warum ist das Rückspiel in Wolfsburg noch nicht ausverkauft? 
       
       Wir haben jetzt 15.000 Karten verkauft, die Erwartung liegt bei 17.000,
       18.000 Zuschauern. Das ist klasse! Wir können uns damit auf jeden Fall auf
       die größte Zuschauerzahl in Wolfsburg für ein Frauenfußballspiel auf
       Vereinsebene freuen. Man muss die Zahl auch immer in einem prozentualen
       Verhältnis zur Einwohnerzahl sehen.
       
       Der [3][VfL Wolfsburg hat zuletzt 6:0 in der Liga gegen den FC Bayern], 3:1
       im DFB-Pokal oder 2:0 in der Champions League gegen den FC Arsenal gesiegt.
       Nicht schlecht. 
       
       So wie es jetzt läuft, war es nicht unbedingt zu erwarten. Ich bin sicher
       keiner, der tiefstapelt, aber ich habe vor der Saison nicht grundlos
       gesagt, dass wir Zeit benötigen, weil wir in den letzten Jahren wichtige
       Spielerinnen verloren und ein nahezu komplett neues Trainerteam geholt
       haben. Niemand konnte zum Beispiel von den Neuzugängen Lena Lattwein oder
       Tabea Waßmuth eine solche Entwicklung erwarten, Ewa Pajor und Alexandra
       Popp waren sehr lange verletzt.
       
       Es gab sicher einige Schlüsselmomente in dieser Saison: das gewonnene
       Elfmeterschießen in der Champions League bei Girondins Bordeaux, der Sieg
       in der Nachspielzeit in der Bundesliga gegen Eintracht Frankfurt, der
       Auswärtssieg am Bayern-Campus in der Liga und das Weiterkommen in der
       Gruppenphase im letzten Spiel gegen den FC Chelsea.
       
       In ihrem Büro hängt eine Collage vom Triple 2013. Lässt sich dieser Coup
       wiederholen? 
       
       Das Triple ist natürlich wieder möglich, aber das möchte ich gar nicht groß
       thematisieren. Wir werden aber keine Spielerin bremsen, sich zu einem
       möglichen Triple zu äußern. Vor drei Wochen war noch alles offen, wir
       hätten in den beiden Cup-Wettbewerben ausscheiden und in der Liga
       aussichtslos zurückliegen können. Dass wir jetzt so gut dastehen, ist schon
       ein bisschen verrückt.
       
       Wäre ein solcher Triumph eingedenk der Entwicklung auf internationaler
       Ebene höher einzuschätzen als damals? 
       
       2013 war eine Sensation, weil wir mit einem international unbekannten Kader
       erstmals teilgenommen haben. Ich habe vor Jahren das Triple für einen
       Frauen-Bundesligisten aufgrund der Leistungsdichte und dem Spielplan
       ausgeschlossen – und zu dieser Meinung stehe ich eigentlich noch. Speziell
       im Frühjahr ist die Gefahr groß, aufgrund der Vielzahl an Topspielen
       zumindest in einem Wettbewerb Federn zu lassen.
       
       Es ist verwunderlich, dass Manchester City in der Qualifikation gegen Real
       Madrid, Chelsea in der Gruppenphase und Arsenal im Viertelfinale gegen uns
       ausgeschieden sind, wenn man sich die Strahlkraft und die wirtschaftlichen
       Möglichkeiten der Vereine anschaut. Wir merken gerade in den Gesprächen mit
       Neuzugängen und Spielerinnen bei Vertragsverlängerungen, wie wichtig für
       uns diese Erfolge sind. Wenn man im Konzert der finanzstarken
       internationalen Schwergewichte mitspielen möchte, müssen wir mindestens bis
       zum Viertelfinale dabei sein.
       
       Es ist zu hören, dass die VfL Wolfsburg Fußball GmbH als 100-prozentige
       VW-Tochter mit deutlich weniger Geld auskommen muss, weil die Folgen des
       Ukrainekrieges auf den Konzern durchschlagen. Müssen Sie mit einem
       geringeren Budget planen? 
       
       Die Gespräche über das Budget für die Kaderplanung haben wir schon vor
       Monaten geführt. Stand heute gehe ich davon aus, dass wir so wie besprochen
       ins nächste Jahr gehen können. Wir werden außer Almuth Schult
       voraussichtlich keine Leistungsträgerin verlieren, und einige Neuzugänge
       haben hier schon Verträge unterschrieben.
       
       Jule Brand aus Hoffenheim und Nationaltorhüterin Merle Frohms aus Frankfurt
       kommen. Wie schwierig waren solche Transfers? 
       
       Wenn Jule Brand schon bereit gewesen wäre fürs Ausland, würde sie nicht ab
       Sommer für den VfL Wolfsburg spielen. Ihr lagen Angebote auf dem Tisch, da
       wäre es um ein Vielfaches gegangen. Sie sieht aber, wie Lena Lattwein und
       Tabea Waßmuth, zwei ehemalige Hoffenheimerinnen, oder auch Lena Oberdorf
       sich hier auf hohem Niveau entwickelt haben. Merle Frohms war bereits als
       15-Jährige am Elsterweg, sie möchte unbedingt Champions League spielen und
       ist sehr heimatverbunden. Nun wird der Platz im Tor durch Almuth Schults
       Weggang frei – uns haben auch hier verschiedene Faktoren in die Karten
       gespielt.
       
       22 Apr 2022
       
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