# taz.de -- Kifferdemo in Berlin: Schluss mit der Bigotterie
       
       > Auf der Kifferdemo wird ein Ende des Cannabisverbots gefordert. Allen
       > voran: ein Berliner Jugendrichter.
       
 (IMG) Bild: Protest gegen die Kriminalisierung von Cannabis am Kiffertag am Brandenburger Tor
       
       berlin taz | Und da tritt er auch schon auf die vor dem Brandenburger Tor
       aufgebaute Bühne, der Mann, den hier, auf der Kifferdemo am
       Mittwochnachmittag, alle zu kennen und zu lieben scheinen: Richter Andreas
       Müller. Der Sechzigjährige, Jugendrichter in Berlin, [1][spricht sich schon
       seit Langem] für die Entkriminalisierung von Gelegenheitskiffern und die
       Legalisierung von Cannabis aus. Inzwischen ist Müller regelrecht Kult und
       die meist jungen Menschen, die sich zum sogenannten 420 day, dem weltweiten
       Aktionstag gegen das Verbot von Cannabis, hier versammelt haben, holen ihre
       Handys aus den Taschen, um den Richter, der die Demo mitorganisiert hat, zu
       filmen.
       
       Müller sagt in seiner Rede, seine Tochter habe ihm geraten, sich nicht so
       aufzuregen, und das würde er nun für die nächsten drei Minuten auch
       versuchen. Aber er klingt dann doch ziemlich emotional, als er loslegt.
       Ganz normale Bürger, die einer Arbeit nachgehen und Steuern bezahlen,
       würden kriminalisiert, bloß weil sie sich hin und wieder einer
       Feierabendjoint gönnten. Und das, während man gleichzeitig in Deutschland
       „trinken, trinken, trinken“, sich gar „besaufen“ dürfe. Mit dieser
       Bigotterie müsse endlich Schluss sein.
       
       Als wollte die Berliner Polizei Richter Müllers Worte unterstreichen, ist
       sie massiv präsent und kontrolliert Demonstrierende, die etwas
       Joint-ähnliches in der Hand halten.
       
       Eigentlich könnte man annehmen, Richter Müller müsste sich überhaupt nicht
       mehr so aufregen. Schließlich ist eines der großen Versprechen der
       Ampelkoalition, die Legalisierung endlich auf den Weg zu bringen. Als die
       Parteien der Bundesregierung bei ihren Sondierungen noch um alles Mögliche
       vom Tempolimit bis zur Ausgestaltung der Schuldenbremse stritten, konnten
       sie immerhin in diesem Punkt bereits früh Einigkeit verkünden: Kiffen soll
       endlich, ohne den ewigen Bremsklotz CDU, [2][legalisiert werden].
       
       ## Jährlich 180.000 verfolgte Konsumenten
       
       Doch spricht man mit Richter Müller am Telefon, sagt der, die bisherige
       Performance der Ampelregierung rund um das Thema Cannabis sei eine
       „Unverschämtheit“. Und auch jetzt vermag er einfach nicht, den Ratschlag
       seiner Tochter zu befolgen. „Ich bin natürlich wütend“, sagt er, „man hätte
       schon lange einen Gesetzentwurf zur Entkriminalisierung einbringen können.“
       Hier spricht einer, der mit seiner Geduld hörbar am Ende ist: „Es kann
       nicht angehen, dass man noch ein Jahr warten muss. Ein Jahr, in dem
       weiterhin 180.000 Konsumenten verfolgt werden. In dem täglich Leute vor
       Gericht gestellt und verurteilt werden.“
       
       Georg Wurth, Sprecher des Deutschen Hanfverbands, klingt am Telefon nicht
       ganz so aufgebracht wie Richter Müller, kann diesen aber gut verstehen. „Es
       geht darum, mehr Motivation zu erzeugen bei der Ampelkoalition“, sagt er,
       „wir befürchten auch, dass das nichts mehr wird mit der Legalisierung vor
       der nächsten Bundestagswahl, vor lauter Corona in Karl Lauterbachs Kopf.“
       Der Gesundheitsminister ist schließlich als Erster gefragt, hier etwas
       voranzubringen. Doch der hat bereits gesagt, dass er dieses Jahr dafür wohl
       keine Zeit finden werde.
       
       Die SPD, die inzwischen selbst in der Ukraine als Schnarchnasen-Partei
       Deutschlands bekannt ist, kriegt also mal wieder nichts geregelt. Die Demo
       vor dem Brandenburger Tor zieht deswegen auch weiter zur
       SPD-Parteizentrale, zu einem „Smoke In“. Später soll im Görlitzer Park
       weitergekifft werden.
       
       Mitte August findet in Berlin dann die Hanfparade statt. Richter Müller
       fordert dazu auf, dass auch zu dieser möglichst viele Leute erscheinen
       sollen. Und er hofft immer noch, dass bis dahin ganz legal an den Joints
       gezogen werden darf.
       
       20 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Gegen-die-Illegalisierung-von-Cannabis/!5680983
 (DIR) [2] /Legalisierung-von-Cannabis/!5829880
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Hartmann
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Cannabis
 (DIR) Kiffen
 (DIR) Prohibition
 (DIR) IG
 (DIR) Cannabis
 (DIR) Cannabis
 (DIR) Drogen
 (DIR) Cannabis
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Abkehr von repressiver Drogenpolitik: Thailand sagt Ja zu Gras
       
       Der Gebrauch von Cannabis wird liberalisiert, aber öffentliches Kiffen
       bleibt verboten. Die Regierung erhofft sich eine Ankurbelung der
       Wirtschaft.
       
 (DIR) Entkriminalisierung von Cannabis: Umsetzung ungeklärt
       
       Die Ampel will Cannabis legalisieren. Doch Deutschland hat zwei UN-Abkommen
       ratifiziert, die den Anbau, Verkauf und Besitz von Gras verbieten.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Bananen in der Pfeife
       
       Heute ist Haschermittwoch. Am 20. April, am Tag des „420“, wird Cannabis
       traditionell bis zum Abdampfen und Abfeiern geraucht.
       
 (DIR) Legales Kiffen: Wenig berauschend
       
       Bei der Legalisierung von Cannabis steht die Koalition juristisch vor einer
       Herausforderung. Sie würde gegen internationales Recht verstoßen.