# taz.de -- Eintracht Frankfurt besiegt Barcelona: Übersinnliche Abenteuerreise
       
       > Eintracht Frankfurt zieht überraschend ins Halbfinale der Europa League
       > ein. Bei Barça herrscht Entsetzen – auch über die vielen Auswärtsfans.
       
 (IMG) Bild: Frankfurts Mannschaft lässt sich von ihren zahlreichen Fans in Barcelona feiern
       
       Barcelona taz | Kevin Trapp weiß, wie das größte Stadion Europas zum Akteur
       werden kann. Fünf Jahre musste er das Trauma mit sich herumschleppen, wie
       er mit Paris St. Germain bei einem 1:6 in Barcelonas Camp Nou einen
       kollektiven Zusammenbruch erlitt, für den es keine rationalen Erklärungen
       gab. Was für Wendungen der Fußball doch manchmal nimmt: Am Donnerstagabend
       erlebte Trapp im Tor von Eintracht Frankfurt, wie das erste Heimspiel einer
       europäischen Auswärtsmannschaft im Camp Nou in ein ähnlich übersinnliches
       Ereignis mündete. „Es war schon sehr emotional für mich“, sagte Trapp und
       wirkte auch genauso.
       
       3:2 siegte die Eintracht im Europa-League-Viertelfinale, wobei es kurz vor
       Schluss gar 3:0 stand. „Vorher habe ich den Spielern gesagt: Ich möchte,
       dass wir uns später in die Augen sehen können und sagen: Wir haben
       Eintracht-Frankfurt-like gespielt“, erklärte Trainer Oliver Glasner, der
       sich mit seinem perfekten Matchplan europaweit einen Namen gemacht haben
       dürfte. „Die Eintracht hat ihre vielen Stärken sehr gut ausgespielt“, lobte
       [1][sein Gegenüber Xavi]. 16:10 Torschüsse schaffte der Bundesligist im
       Stadion des Turnierfavoriten, in dem alle deutschen Teams außer dem FC
       Bayern regelmäßig Prügel bezogen, und manchmal sogar der.
       
       Gleichwohl wird die Erinnerung an den Abend im Camp Nou eine andere Zahl
       dominieren: 30.000. So viele Frankfurter Fans befanden sich unter den knapp
       80.000 Besuchern. Eingeschüchtert, konsterniert und letztlich derangiert
       durch die Atmosphäre: Das war diesmal der FC Barcelona. Nachdem Glasner
       entgegen seiner Gewohnheit an den langen Jubelritualen mit den Anhängern
       partizipierte („Diese Stimmung werde ich mitnehmen, bis ich eine Etage
       höher bin“), resümierte der Österreicher: „Riesenlob an die Spieler,
       Riesenlob an die Fans, die vollbracht haben, was es sonst kaum gibt auf der
       Welt. In dieser Symbiose haben wir diesen Erfolg gefeiert.“
       
       In einer flirrenden Nacht verdichtete sich ein jahrelanger Prozess. Wie
       kommunizierende Röhren haben sich Spieler und Anhänger zum
       Europa-League-Spitzenteam befördert. Die Fans nehmen den anderswo
       belächelten Zweitwettbewerb an, als wäre immer noch 1980. Damals gewann die
       Eintracht den Vorgänger Uefa-Cup, und schon als sie 2019 erstmals wieder
       ins Halbfinale einzog, [2][folgten ihr ungesehene Massen um den Kontinent.]
       Nun kulminierte die Ménage à trois zwischen Team, Fans und Wettbewerb in
       einem historischen „Abend von Stolz und purer Freude“ (Trapp).
       
       ## Fremde im eigenen Stadion
       
       Nur die Einheimischen, die fanden das alles nicht so „muy emocionante“, wie
       Trapp auch noch in seinem hervorragenden Spanisch ausführte. Bereits seit
       Tagen hielt der Eintrachttross die Stadt in Aufruhr. Das ergab
       sympathische Begegnungen wie am Mittwoch, als einige hundert Fans spontan
       im Stadtteilstadion des Viertligisten CE Europa einfielen und die Heimelf
       während ihrer Partie gegen die zweite Mannschaft von SD Huesca anfeuerten.
       Doch natürlich bezahlte Barcelona die hessische Abenteuerexpedition auch
       mit Schlafstörungen, Bierdosenmeer, Uringeruch und dem Gefühl von
       Kolonialisierung. Als Touristenhochburg ist sie da freilich abgehärtet.
       
       Für mehr Perplexität sorgte das Kräfteverhältnis im Camp Nou. „Eine
       Schande“ befanden von Präsident Joan Laporta abwärts alle Barça-Anhänger,
       die sich als Fremde im eigenen Stadion und, je nach Gemüt der ungewohnten
       Tribünennachbarn, bis zu dem Punkt verängstigt fühlten, an dem sie ihre
       Plätze aufgaben. Barças Ultras protestierten zu Beginn der zweiten Halbzeit
       mit zehnminütigem Fernbleiben, mindestens der Ticketingchef dürfte den
       Abend mit seinem Job bezahlen und Vizepräsidentin Elena Fort bat am
       Karfreitag noch mal alle Mitglieder um Entschuldigung.
       
       In den nächsten Tagen wird der Verein Rechenschaft ablegen müssen, so
       indigniert ist das Volk. Tatsächlich erscheinen die Gründe vielfältig.
       
       Wo in Spanien die Fans traditionell weniger reisen, kalkulierte die Polizei
       trotz Berichten über die anstehende Massenwanderung nur mit rund 15.000
       Deutschen. Außerdem ging es ja um diese seltsame Europa League: Viele
       Einheimische wollten nicht die überhöhten Preise bezahlen, die Klub,
       Tourismusagenturen, aber auch Dauerkartenbesitzer auf dem Schwarzmarkt
       abriefen.
       
       Es gab ja genügend Frankfurter, die alles Geld dieser Welt für den Eintritt
       bezahlt hätten. Und die dafür noch mehr erlebten, als sie sich je
       erträumten.
       
       15 Apr 2022
       
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