# taz.de -- Westliche Sanktionen gegen Russland: Krieg an den Finanzmärkten
       
       > Die Sanktionen nehmen Russlands Zentralbank ins Visier. Auch der
       > Swift-Ausschluss kommt. Die Folgen dürften enorm sein.
       
 (IMG) Bild: Anstehen für Bargeld: Szene aus St. Petersburg am Sonntag
       
       Berlin taz | Noch am Freitag wähnte sich die Bundesregierung im Kreise
       mehrerer EU-Länder, die gegen einen Rausschmiss Russlands aus dem
       Finanzkommunikationssystem Swift waren. Italien, Zypern, selbst Ungarn,
       dessen Regierungschef Viktor Orbán noch vor Kurzem offen mit Wladimir Putin
       sympathisierte, sprachen sich im Laufe des Samstags jedoch für einen
       Swift-Ausschluss Russlands aus. Daraufhin stand die Bundesregierung ganz
       alleine als Blockiererin da. Sie hatte gar keine andere Wahl, als ihr
       Zaudern zu beenden. Die gesamte westliche Welt hatte nur noch fassungslos
       auf Deutschland geschaut.
       
       „Wir schneiden russische Banken und Staatsunternehmen von der Finanzierung
       ab“, kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Sonntag in der
       Sondersitzung des Bundestages an. Er zählte auf: „Wir verhindern den Export
       von Zukunftstechnologie nach Russland. Wir nehmen die Oligarchen und ihre
       Geldanlagen in der EU ins Visier. […] Und wir schließen wichtige russische
       Banken vom Bankenkommunikationsnetz Swift aus.“
       
       Swift steht für Society for Worldwide Interbank Financial
       Telecommunication. Sie stellt die technische Infrastruktur zur Verfügung,
       damit Finanzinstitute über Landesgrenzen hinweg sicher miteinander
       kommunizieren können. Das betrifft etwa Geldtransfers, Wertpapier- oder
       Edelmetallgeschäfte. Mehr als 11.000 Teilnehmer in über 200 Ländern nutzen
       weltweit den Dienst von Swift.
       
       Grundsätzlich können Banken zwar auch ohne Swift kommunizieren, etwa per
       Telefon oder Mail. Das ist aber umständlicher – und erfolgt meist zu sehr
       viel höheren Kosten. Ein Swift-Rauswurf wird Zahlungs- und Warenströme von
       russischen Banken und Unternehmen deutlich verlangsamen oder die Geschäfte
       gar ganz verhindern. Von den Sanktionen sind daher auch ausländische Firmen
       betroffen, die in Russland tätig sind.
       
       ## Es gibt für Deutschland wesentliche Ausnahmen
       
       Weitere Sanktionen würden sich die EU-Länder vorbehalten – ohne
       irgendwelche Denkverbote“, fügte Scholz in seiner Erklärung hinzu. „Machen
       wir uns nichts vor: Putin wird seinen Kurs nicht über Nacht ändern. Doch
       schon sehr bald wird die russische Führung spüren, welch hohen Preis sie
       zahlt.“ Der Krieg sei eine Katastrophe für die Ukraine. „Aber: Der Krieg
       wird sich auch als Katastrophe für Russland erweisen.“ Auch Finanzminister
       Christian Lindner (FDP) unterstützt den Kurs. „Wir werden Russland
       isolieren, wirtschaftlich, finanziell und politisch“, sagte auch er.
       
       Offenbar auf Bitten der Bundesregierung soll es sich zunächst einmal um ein
       abgeschwächteren Swift-Ausschluss handeln. Betroffen von dem Ausschluss
       werden den Angaben zufolge nur die russischen Banken, die bereits von der
       internationalen Gemeinschaft sanktioniert sind, darunter die beiden größten
       russischen Banken Sberbank und VTB. Man wolle nicht alle Munition
       verschießen, sondern noch Raum für eine Verschärfung der Sanktionen
       schaffen, heißt es aus deutschen EU-Kreisen.
       
       Zudem würden Ausnahmen vom Swift-Ausschluss es ermöglichen, dass Gas- und
       Öl-Lieferungen aus Russland weiterhin bezahlt werden könnten. Formell muss
       unter anderem der EU-Ministerrat die Sanktionen beschließen. Die Staats-
       und Regierungschefs der G7-Länder teilten am Sonntag in einer gemeinsamen
       Erklärung mit, dass man noch in dieser Woche eine transatlantische
       Taskforce bilde, die die wirksame Umsetzung der Finanzsanktionen gegen
       Russland sicherstellen werde.
       
       Die Bundesregierung teilte mit, dass die EU-Länder, die USA und andere
       darüber hinaus auch erwägen, den Handlungsspielraum der russischen
       Zentralbank einzuschränken und Russlands Währungsreserven einzufrieren.
       Dies soll unter anderem verhindern, dass Russland seine staatlichen
       Rücklagen für die Finanzierung seines Krieges nutzen kann. „Dafür werden
       wir das Vermögen der russischen Zentralbank blockieren“, erklärte
       EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. „Ihre Transaktionen werden
       eingefroren. Und wir nehmen der Zentralbank die Möglichkeit, ihr Guthaben
       international einzusetzen“, kündigte sie an.
       
       ## Das Ausmaß der Zentralbanksanktionen ist noch unklar
       
       Die Devisenreserven der russischen Zentralbank einzufrieren, hätte noch
       weitaus dramatischere Folgen als das Abkoppeln vom Swift-System. Insgesamt
       verfügt Russland über gewaltige Reserven von etwa 630 Milliarden Dollar;
       theoretisch gibt das dem Land eine große Unabhängigkeit, weil mit diesem
       Geld ein Zusammenbruch des lokalen Banksektors verhindert werden könnte.
       Doch nur ein kleiner Teil dieser Reserven liegt in Form von Gold in
       Russland; der Großteil liegt bei westlichen Zentralbanken, und diese
       könnten Russland den Zugriff darauf verwehren.
       
       Wo genau wie viel russisches Zentralbankgeld liegt, ist unklar. Doch
       Finanzmarktanalysen deuten darauf hin, dass die Deutsche Bundesbank ein
       zentraler Akteur ist, und auch von dort kam am Sonntag das Signal, dass man
       zu Sanktionen bereit sei. Bundesbank-Präsident Joachim Nagel begrüße,
       „dass nunmehr umfassende Finanzsanktionen verhängt sind, und hat sich dafür
       eingesetzt“, sagte ein Sprecher der deutschen Notenbank. Am Nachmittag
       teilte die Bundesbank mit, dass Einlagen der russischen Zentralbank bereits
       eingefroren worden seien.
       
       Das genaue Ausmaß der Zentralbank-Sanktionen steht noch nicht fest. Würden
       die Russen komplett von ihren Devisenreserven abgeschnitten, hätte das nach
       Ansicht von Wirtschaftsexperten dramatische Auswirkungen. „Das käme einem
       umfassenden Finanzkrieg gleich“, schreibt etwa der britische
       Wirtschaftswissenschaftler Adam Tooze, der an der Columbia Universität in
       New York lehrt. Dass Russland in einer solchen Situation die
       Energielieferungen an den Westen aufrechterhalten würde, sei „mehr als
       unwahrscheinlich“, meint Tooze.
       
       Die Devisenknappheit, die die Sanktionen gegen die Zentralbank nach sich
       ziehen würden, dürften nicht nur einen Bank Run in Russland auslösen,
       sondern den Rubel faktisch in eine nichtkonvertierbare Währung
       zurückverwandeln und damit weitgehend verhindern, dass Russland Produkte
       aus westlichen Ländern importieren kann.
       
       Um die Auswirkungen dieser Entscheidungen auf deutschen Unternehmen
       abzumildern, hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck diesen
       Unterstützung zugesagt. Die Regierung werde ihren Auftrag ernst nehmen und
       Schaden vom deutschen Volk fernhalten, sagte der Vizekanzler und
       Grünen-Politiker. „Wir werden also für die Bereiche der Wirtschaft, die
       möglicherweise von Sanktionen betroffen sind, ähnliche Schutzmaßnahmen
       machen, wie wir es in der Coronapandemie getan haben.“
       
       Zum Schutz der Wirtschaft gehöre zudem der Ausstieg aus Gas, Kohle und Öl
       und damit der Abhängigkeit von Russland. „Wir werden aber auch den Ausstieg
       aus der Verbrennung fossiler Energien deutlich beschleunigen müssen und
       nicht mehr über Jahrzehnte reden an dieser Stelle“, kündigte der
       Vizekanzler an. „Das ist ebenfalls eine Frage von nationaler Sicherheit
       geworden, auch darein werden wir investieren müssen.“
       
       Die Regierung will zunächst in Kürze ein Gesetz vorlegen, das
       Mindestfüllstände in Gasspeicher vorschreibt. Zudem sollen jetzt schnell
       zwei Flüssiggasterminals an der Nordseeküste für den Import etwa aus Katar
       oder den USA gebaut werden. Außerdem ist eine Steinkohlereserve geplant.
       Sein Koalitionspartner Christian Lindner (FDP) unterstützte Habeck.
       „Erneuerbare Energien lösen uns von Abhängigkeiten. Erneuerbare Energien
       sind deshalb Freiheitsenergien“, sagte der Finanzminister im Bundestag.
       
       27 Feb 2022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Felix Lee
 (DIR) Malte Kreutzfeldt
       
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