# taz.de -- Streit um Kieztreff am Leopoldplatz: Leopoldplatz wird öko
       
       > Auf dem Leopoldplatz soll das beliebte Café Leo einem Sozialprojekt
       > weichen. Die Wendepunkt gGmbH preist ihr Konzept als ausgewogen.
       
 (IMG) Bild: Anwohner setzen sich schon seit Wochen für den Erhalt des Café Leo ein
       
       Berlin taz | Das seit 2011 bestehende Café Leo, eine Art Imbiss mit
       Sitzgelegenheiten auf dem Leopoldplatz, soll durch einen Standort des
       sozialen Trägers Wendepunkt gGmbH ersetzt werden. Beide Akteure wollen das
       Leben der Menschen im Kiez verbessern – nur ihre Herangehensweise ist
       unterschiedlich.
       
       Die Entscheidung über die Nutzung des Leopoldplatzes wurde durch ein
       Interessenbekundungsverfahren (Ibv) getroffen, dabei konnten sich
       unterschiedliche Gewerbetreibende und Organisationen mit einem Konzept für
       die Gestaltung der Fläche bewerben. Miete und Pacht muss nicht gezahlt
       werden, weil der Gedanke von sozialer Stadtteilarbeit im Vordergrund stehen
       soll.
       
       Ziel seien eine kulturelle Belebung, bauliche Veränderungen, die Schaffung
       von sozialen Angeboten und die Verbesserung der Sicherheit, heißt es in dem
       Bezirk ausgeschriebenen Anforderungsprofil. Zudem spielt die sogenannte
       Präventionskoordination eine Rolle, sprich: [1][der Bezirk] möchte
       Straftaten in der Gegend im Vorfeld unterbinden.
       
       Das rührt von dem schlechten Image des Leopoldplatzes her: Er gilt als
       [2][Anlaufstelle für Drogenabhängige und Obdachlose]. Die „problematischen
       NutzerInnengruppen“, sollten aber nicht verdrängt werden, heißt es im
       Anforderungsprofil. Durch „Mediation und Konfliktmoderation mit
       Betroffenen“ solle vielmehr „ein friedliches Miteinander gefördert“ werden.
       
       ## Computer-Arbeitsplätze geplant
       
       Die Wendepunkt gGmbH scheint diese Bedingungen mit dem geplanten Projekt
       auf dem Platz genau zu erfüllen: Geplant sei ein Angebot von günstigen
       Speisen und Getränke, gekoppelt mit sozialer Arbeit, heißt es.
       Beispielsweise solle Hilfe bei der Antragsstellung bei Behörden geleistet
       werden – vor allem mehrsprachige MitarbeiterInnen seien eingeplant. Auch
       frei zugängliche Computer-Arbeitsplätze sollten eingerichtet und Workshops
       angeboten werden.
       
       Laut Joachim Hampel, Co-Geschäftsführer der Wendepunkt gGmbH, soll das
       schon seit 2011 auf dem Platz [3][existierende Café Leo] nicht vertrieben
       werden, sondern lediglich sein Angebot in der vom Bezirk gewünschten
       Funktion erweitern.
       
       ## Hüseyin Ünlü und sein Café Leo
       
       Fakt ist: Der aktuelle Betreiber des Kiosks Café Leo, Hüseyin Ünlü, muss
       sein Geschäft aufgeben. Teile der Anwohnerschaft haben sich deshalb mit
       Ünlü solidarisiert. Das durchgeführte Interessenbekundungsverfahren sei
       unfair gewesen, sagen sie. Der Bezirk habe Ünlü keine Chance gegeben, weil
       das Anforderungsprofil von vornherein auf professionelle
       Sozialarbeits-Organisationen zugeschnitten worden sei.
       
       Dazu kommt: Die Kommunikation zwischen Bezirk und Ünlü ist mehr als
       unglücklich verlaufen. Noch 2017 wurde ihm vom Bezirksamt eine
       Baugenehmigung für eine feste Ladenfläche (zuvor war es ein Wagen) und eine
       Verlängerung der Sondernutzungsgenehmigung für vier Jahre erteilt.
       
       Für Ünlü war dies ein klares Signal, dass er langfristig planen könne. Er
       investierte daraufhin 69.000 Euro für Umbaumaßnahmen. Das Ganze für ein
       Geschäft, das er, nach eigener Aussage, nicht um des finanziellen Profits
       willen betreibt, sondern um den Zusammenhalt im Kiez zu stärken.
       
       Für Ünlüs UnterstützerInnen ist der Imbiss, wo der Kaffee 1,20 und die
       Bratwurst 1,50 Euro kostet, ein wichtiger Kieztreff. Auf eigene Weise
       leiste das Café Leo soziale Arbeit, sind sie überzeugt. Es sei ein Ort, an
       dem sich viele Menschen wohlfühlten, vor allem auch die, die wenig Geld
       hätten. Man könne sich dort aufhalten, austauschen und gegenseitig helfen.
       
       Auch Hüseyin Ünlü selbst, der laut eigener Angabe fünf Sprachen spricht,
       soll seinen KundInnen bei alltäglichen Problemen wie bürokratischen
       Angelegenheiten immer wieder geholfen haben. Dass das Café Leo eine große
       Unterstützung erfährt, ist auch daran zu sehen, dass in kurzer Zeit über
       5.000 Menschen die von Anwohner Simon Gückel ins Leben gerufene Petition
       auf [4][change.org] unterschrieben haben.
       
       ## Am 28. Februar droht Räumung
       
       Wie dem auch sei – die Entscheidung ist gefallen: Am 28. Februar soll das
       Café geräumt werden, wenn Hüseyin Ünlü nicht vorher von allein geht. Die
       Hoffnung, dass der Fall am Donnerstagabend noch einmal in der
       Bezirksverordnetenversammlung Mitte zur Sprache kommt, hat sich
       zerschlagen. Für die Behandlung des Themas war am Ende keine Zeit mehr.
       
       Auf die Frage, ob er glaube, dass die Wendepunkt gGmbH auf dem Leopoldplatz
       von den Menschen angenommen werde, sagt Geschäftsführer Joachim Hampel zur
       taz: „Es wird bestimmt zu Beginn eine gewisse Skepsis geben. Aber wir
       werden uns bemühen und freuen uns über jeden, der uns eine Chance gibt.“
       
       Die Wendepunkt gGmbH möchte die Anforderungen des Bezirks genau erfüllen.
       Es soll auch vegetarische und vegane Gerichte geben, auf Öko-Zertifikate
       und Nachhaltigkeit soll geachtet werden. So nachvollziehbar und löblich
       diese Vorhaben sein mögen, sie sind genau das, was die KritikerInnen
       misstrauisch macht. Befürchtet wird eine schleichende Gentrifizierung:
       Niedrige Preise wie im Café Leo seien bei Bio und Fairtrade kaum zu halten,
       heißt es.
       
       Man habe dem Bezirk zugesichert, dass es in jedem Fall „ein sehr
       preiswertes und niedrigschwelliges Getränke- und Imbissangebot“ geben
       werde, sagt Hampel dazu. Keine leichte Aufgabe, die sich die Wendepunkt
       gGmbH da vorgenommen hat. Es wird mit Sicherheit Leute geben, die den
       Charme des Café Leo vermissen werden.
       
       18 Feb 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Interview-mit-Stephan-von-Dassel/!5520984
 (DIR) [2] http://xn--Drogenszene%20in%20Berlin-Wedding:%20Einen%20Platz%20fr%20alle%20schaffen%20-%20taz-dzg.de
 (DIR) [3] http://xn--Kampf%20um%20Kieztreffpunkt:%20Der%20Wedding%20kommt%20%20Caf%20Leo%20geht-m6e33837b?%20-%20taz.de
 (DIR) [4] http://xn--Petition%20%20Wedding:%20Wir%20mssen%20das%20Caf%20Leo%20retten!%20%20Change-3tc4b66vh6a.org
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Josua Gerner
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Stephan von Dassel
 (DIR) Bezirk Mitte
 (DIR) Sozialarbeit
 (DIR) Wedding
 (DIR) Berlin-Wedding
 (DIR) Berlin-Wedding
 (DIR) Stephan von Dassel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Debatte um den Leopoldplatz: „Einfach nur ein Elend“
       
       Mehr Abhängige, Crack, Verschmutzung und Gewalt: Nach der Debatte um den
       Görlitzer Park wird auch im Wedding über mehr Sicherheit diskutiert.
       
 (DIR) Kampf um Kieztreffpunkt: Der Wedding kommt – Café Leo geht?
       
       Dem Café Leo auf dem Leopoldplatz in Wedding droht die Räumung. Der soziale
       Träger Wendepunkt gGmbH soll es ersetzen.
       
 (DIR) Kieze im Wandel: Jetzt auch noch der Wedding?
       
       Zwei aktuelle Romane widmen sich dem Wedding. Einem Ort, der sich wandelt,
       aber auch so bleiben möchte, wie er ist. Ein literarischer Kiezrundgang.
       
 (DIR) Interview mit Stephan von Dassel: „Ironie kommt selten gut an“
       
       Enfant terrible der Grünen: Stephan von Dassel macht mit markanten
       Statements von sich reden. Ein Gespräch über Tabus, Kritik und Selbstkritik
       und eine rote Ampel.