# taz.de -- Schau besser nur nach vorn
       
       > Das neue Leitungsduo Sam Bardaouil und Till Fellrath freut sich auf die
       > Berlin Biennale im Hamburger Bahnhof. Doch die alten Probleme sind
       > ungeklärt
       
       Von Hans-Jürgen Hafner
       
       Die Berlin Biennale findet im Sommer auch in den Rieckhallen, dem
       Erweiterungsbau des Hamburger Bahnhofs statt. Ein Coup, so Sam Bardaouil
       und Till Fellrath, seit Januar frisch installiertes Leitungsduo für das
       nationale Gegenwartskunstmuseum in Berlin. Die mit Bundesmitteln geförderte
       Biennale (3 Millionen Euro pro Schau) ist das größte Kunstevent Berlins.
       Die Biennale fand als „nomadisches“ Projekt auch zuletzt schon an
       wechselnden Ausstellungsorten statt. Dieses Jahr soll neben dem Stammhaus
       KW die ehemaligen Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg dabei sein.
       
       Aus dem Biennale-Konzept des französischen Künstlers Kader Attia werden
       sich Bardaouil/Fellrath allerdings heraushalten. Die beiden verantworten im
       Sommer selbst die Biennale von Lyon und kuratieren zudem den französischen
       Pavillon bei der Venedig-Biennale. Dass die Vorstellung der „kuratorischen
       Leitlinien“ für eine Neupositionierung des Hauses diese Woche etwas dünn
       ausfiel, hat gleichwohl wenig mit den jetzigen neuen Direktoren zu tun.
       Fürs laufende Jahr sind zwei große Ausstellungen geplant:
       Sammlungspräsentationen, betreut von den Inhouse-Kuratorinnen Gabriele
       Knapstein, Alice Koegel und Nina Schallenberg. Zu sehen sind einmal die
       Neuerwerbungen, die – noch in der Ära Udo Kittelmann – vor allem durch die
       Freunde der Nationalgalerie ermöglicht wurden. Zum anderen werden die
       altbekannten Bestände der Sammlung Marx mit neuen Arbeiten in Beziehung
       gesetzt.
       
       Es ist museale Kernaufgabe, Kunst zu sammeln, zu erforschen und einem
       möglichst großen Publikum zugänglich zu machen. Wenn Bardaouil/Fellrath den
       Hamburger Bahnhof künftig als „collecting institution“ sowie als „Ort der
       vielfältigen Begegnung“ und des „Voneinander-Lernens“ aufstellen wollen,
       folgt das dieser Tradition, wenngleich in zeitgemäßes Wording gepackt.
       
       Das erklärt vielleicht die Freude über den Zuschlag von der Berlin
       Biennale, die neben einer zeitgenössischen Großausstellung ohne große
       eigene Kosten auch Besucher ins Haus zu spülen verspricht. Das
       leidenschaftliche Bekenntnis der neuen Direktoren zur Kunststadt Berlin
       macht aber die strukturellen Fehlstellungen der Stiftung Preußischer
       Kulturbesitz (SPK) nicht vergessen, der auch der Hamburger Bahnhof
       unterstellt ist. Um die SPK-Reform ist es zuletzt leider wieder still
       geworden.
       
       Denn nach wie vor ist [1][die Zukunft des Hamburger Bahnhofs unsicher].
       Eigentümer von Grundstück und Gebäuden ist nicht die SPK, sondern die
       österreichische CA Immo. Ein zwischen dem Konzern und dem Land Berlin
       ausgehandeltes „Memorandum of Understanding“ hat im Herbst 2021 zwar den
       drohenden Abriss der Rieckhallen verhindert. Doch endet der verlängerte
       Mietvertrag Ende 2022, heißt es aus der SPK. Der avisierte
       Grundstückstausch, der den Standort dauerhaft sichern würde, steht noch
       aus. Ein Sprecher der neuen Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne)
       teilt zudem mit, dass „Verhandlungen zur Anmietung des Hamburger Bahnhofs“
       laufen, wohlgemerkt kein Erwerb, „um den Ausstellungsort langfristig
       sichern zu können.“
       
       Eine „sammelnde Institution“, wie sie sich Bardaouil/Fellrath wünschen,
       braucht Geld. Bekanntlich sind es jährlich 60.000 Euro, die den drei
       Häusern der Nationalgalerie unter dem Dach der SPK dafür insgesamt zur
       Verfügung stehen. Ein grotesk niedriges Budget, das auch mit der
       verkorksten Organisationsstruktur der SPK zu tun hat. Deren Reform war zum
       Ende der Amtszeit von Monika Grütters zusehend versandet. Claudia Roth und
       das Ziel der neuen BKM wollen nun „möglichst bis zum Sommer den Fahrplan
       für die neue Governance vorlegen“.
       
       4 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /!5822089&SuchRahmen=Print
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hans-Jürgen Hafner
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA