# taz.de -- Golfen und seine Folgen: Man neigt zu Schrullen
       
       > Wenn Golfer zu oft spielen, neigen sie zu Charakterdeformationen. Über
       > das Schweigen und Ansprechen eines speziellen Völkchens.
       
 (IMG) Bild: Zu viel Golfen kann zu einer Deformation des Charakters führen
       
       Zum Jahresende 2021 haben wir uns schon mit diversen üblen Folgen
       übermäßigen Golfens beschäftigt: Missverständnisse daheim, Grotesken im
       Alltag, schleichende Charakterdeformation. Alles scheint dem Golfer Golf,
       immerzu und überall. Und im Endstadium kann Morbus Golf für Isolation,
       Knast und Psychiatrie sorgen.
       
       Wir bleiben beim Beispiel golfender Mann in einem wenig golfaffinen Umfeld:
       Wenn der Golfmaniac jemanden ansprechen will, etwa auf der Straße, schweigt
       er. Dieses Paradoxon begründet er mit den Verhaltensregeln auf dem Platz –
       wenn jemand den Schläger vor den Ball setzt und gleich losschwingen will,
       heißt das ansprechen. „Und beim Ansprechen redet man nicht. Das stört die
       Konzentration.“
       
       Beim Shoppen geht der golfkranke Vati nicht mehr neben Mutti, sondern immer
       ein Stück dahinter. „Damen haben immer eine etwas verkürzte Bahn. Das finde
       ich sehr fair.“ Er hält sich für einen Frauenversteher, aber er versteht
       nicht die Reaktionen seiner Mitmenschen, die sein Hinterherlatschen
       verstörend finden. Auch nicht, wenn er sich bei einer Wanderung weigert,
       einen Weg zu gehen, der mit grünen Pfählen gekennzeichnet ist: „Nein, da
       dürfen wir nicht lang, grüne Pfosten bedeuten Biotop: Betreten strengstens
       verboten!“
       
       Seine Instinkte, verlorene Bälle adleraugenhaft in Gebüschen und Wäldern zu
       erspähen, geben ihm beim Ostereiersuchen zunächst einen Vorteil. Er findet
       sofort alles, den Kindern aber vergeht schnell die Lust. Noch schlimmer:
       Blau gefärbte Eier will er „besser legen“, wie das laut Golfregeln für
       einen Ball in blau markiertem Terrain („Boden in Ausbesserung“) üblich ist.
       Dann droppt er die blauen Eier regelkonform aus Kniehöhe. Erwartungsgemäß
       sind danach alle kaputt. „Als Henne wärst du ungeeignet“, wird die
       pubertierende Tochter höhnen.
       
       ## 18: Loch Ness
       
       Bei einem Ausflug, ausgerechnet ins Golfdorado Schottland, bekommt unser
       Golfer Ärger, weil er ständig die Einrichtungen für Behinderte nutzt, etwa
       Sitzplätze im Bus. „For handicapped people only, das steht doch da! Ich
       habe Handicap 7. Hier ist mein Clubausweis.“
       
       Sieht er als Beifahrer auf der Straße einen weißen Pfahl am Rand, reagiert
       er mit einer Panikattacke: „Weiß heißt Aus! Aufpassen!“ Fährt die Gattin
       darüber, wird er verlangen, zurückzusetzen und noch mal vom Start
       loszufahren. „Gibt zusätzlich einen Strafschlag.“
       
       Kurven auf der Landstraße schneidet er gern. Er nennt das „tiger line
       fahren“, so wie er auf seinem Golfplatz auch manchmal den direkten Weg
       Richtung Fahne per „tiger line“ sucht, mögliche Gefahren durch Bäume mutig
       ignorierend. An einem Fußgängerüberweg fährt er schließlich fast jemanden
       an. Gegenüber der Polizei rechtfertigt er sich: „Ich habe doch laut Fore
       gerufen.“ Fore rufen GolferInnen, wenn ihr Ball versehentlich jemandem nah
       zu kommen droht, dann soll man sich sofort bücken, Hände schützend über den
       Kopf. „Der ist trotz Fore! einfach weitergegangen. Das ist
       lebensgefährlich. Klären Sie mal lieber, Herr Wachtmeister, in welchem Club
       der seine Lauferlaubnis gemacht hat.“ Knapp entgeht er einer Festnahme samt
       vorsorglicher Begutachtung in der Psychiatrie.
       
       Zum Irrsinn ist es nicht mehr weit. Die Isolation schreitet voran. Unser
       Golfer fühlt sich immer unverstandener. Und was macht er dann? Geht zur
       Entspannung noch häufiger auf den Platz, abschalten, durchpusten. Der
       Teufelskreis schließt sich.
       
       Aus Golfers Abc der Vorurteile, heute Z wie Zeit: „Das dauert doch ewig.
       Golf wäre mir viel zu zeitaufwändig.“ Wahr ist das nur teilweise: Ein
       Boxkampf kann schon nach zehn Sekunden vorbei sein, das schon. Und eine
       Golfrunde allein dauert gut drei Stunden, zu zweit etwa dreieinhalb. Aber
       selbst ein Fußballspiel währt mit An- und Abreise, Warmmachen, Duschen
       danach und 3. Halbzeit manchmal einiges länger. Wenn man golft, spart man
       sich übrigens so manchen zeitaufwändigen Spaziergang ohne Stöcke in der
       Hand. Golfen heißt eben auch: Wandern mit Sinn.
       
       25 Feb 2022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Müllender
       
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