# taz.de -- „Über Hanau ist zu wenig diskutiert worden“
       
       > Mit einer Diskussion erinnert der Bremer Rat für Integration an die Morde
       
       Interview Teresa Wolny
       
       taz: Frau Nergiz, hat sich die Haltung von Staat und Gesellschaft gegenüber
       Rassismus und Rechtsterrorismus seit dem Anschlag in Hanau verändert? 
       
       Deniz Nergiz: Es hat sich insofern etwas verändert, dass diese Themen
       öffentlich wie politisch mehr ins Zentrum gerückt sind und einige
       gesetzliche Änderungen bewirkt haben. Durch die Pandemiesituation wurde
       eine ausführliche Aufarbeitung des Anschlags allerdings verhindert. Die
       politische Debatte hat sich sehr stark auf die Pandemiebekämpfung
       konzentriert, über Hanau ist viel zu wenig diskutiert worden.
       
       Wie bewerten Sie, was seitdem unternommen wurde? 
       
       Zum Teil sind wichtige und richtige Schritte gemacht worden. Die
       Empfehlungen des Bundeskabinettsausschusses gegen Rechtsextremismus sind
       positiv zu bewerten. Leider sehen wir aber immer noch nicht, dass die
       Maßnahmen wirklich einschlagen. Obwohl etwa das Recht zum privaten
       Waffenbesitz verschärft wurde, hat die Bundesregierung selbst eingeräumt,
       dass der Waffenbesitz im rechtsradikalen Milieu um 30 Prozent zugenommen
       hat. Die Bilanz ist also zwiegespalten und in der Politik bleiben noch sehr
       viele Hausaufgaben übrig.
       
       Zum Beispiel? 
       
       Als BZI haben wir schon 2018 die Forderung gestellt, dass im Bundestag eine
       Enquetekommission eingesetzt werden muss, die sich mit strukturellem
       Rassismus und Rechtsextremismus auseinandersetzt. So eine Kommission oder,
       noch besser, einen Fachausschuss gibt es bis heute nicht. Auch von einer
       stärkeren Einbindung der Betroffenenperspektive sind wir noch weit
       entfernt.
       
       Wie sähe eine solche Einbindung aus? 
       
       Die Behörden müssen Rassismus und Rechtsextremismus als Motiv stärker
       berücksichtigen. Dass das nicht passiert, hat die bisherige Abwehr gegen
       eine Studie zum Rassismus bei der Polizei gezeigt. Ein anderes Beispiel ist
       der aktuelle Fall von Dilan Sözeri, die in Berlin aus rassistischen Motiven
       verprügelt wurde. In der Pressemitteilung der Polizei wurde von einem
       Konflikt über das Tragen der Maske geschrieben. Das stimmte nicht, aber
       selbst wenn sie ihre Maske nicht getragen hätte, wäre die Frage angebracht,
       warum ausgerechnet eine Frau angegriffen wurde, die als typisch fremd
       gelesen wird.
       
       Wie vermittelt man Menschen ein Bewusstsein von Diskriminierung, die selbst
       nicht betroffen sind? 
       
       Antirassismus sollte von Beginn an Pflichtfach sein. Nur wenn Menschen mit
       diesem Bewusstsein aufwachsen, können sie die gesellschaftliche Situation
       später evaluieren. Außerdem ist es wichtig, die Thematik auch in den
       Ausbildungen der Justiz, Verwaltung und an Polizeischulen fest zu verankern
       – und zwar nicht nur als zweitägige freiwillige Fortbildung. Auf
       gesellschaftlicher Ebene ist es wichtig, dass Gewalttaten wie die in Hanau
       Teil der kollektiven Erinnerung werden. Hanau und andere Gewalttaten müssen
       als Gesamtkonzept gesehen und gemeinsam aufgearbeitet werden. Der BZI
       fordert in diesem Sinne die Einführung des 19. Februars als Gedenktag für
       Rassismusopfer in Deutschland.
       
       17 Feb 2022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Teresa Wolny
       
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