# taz.de -- taz🐾thema: Mit dem Löffel auf der Karte
       
       > Als die lang ersehnte Georgien-Reise abgesagt wird, greift unsere Autorin
       > erst zur Reiseliteratur und dann zu Stift und Einkaufszettel: Die Reise
       > findet in der Küche statt!
       
 (IMG) Bild: Käsebrot auf Georgisch: Chadschapuri
       
       Von Barbara Schaefer
       
       Eine Trekkingreise in Georgien. Die Idee hatte so schön geklungen. Es wurde
       nichts aus den Sommerplänen, aus den bekannten Gründen. Die Sehnsucht
       blieb. Ich blätterte immer wieder durch Kat Menschiks wundervoll
       illustriertes Buch „Durch den wilden Kaukasus“, las Geschichten über das
       „georgische Traumland Swanetien“. In einem historischen Reisebericht
       beschreibt Gottfried Merzbacher das Essen. Der Swanete könne einerseits mit
       einem Minimum an Nahrung auskommen, andererseits sei er aber wohl in der
       Lage, ein halbes Schaf auf einen Satz zu verzehren. „Eine besondere
       Delikatesse ist das sogenannte Chadschapuri“, ein Brot „mit Einlage einer
       Schicht Käse“.
       
       Ein halbes Schaf, mhm. Danach ist mir nicht. Aber vielleicht könnte man
       einmal georgisch kochen – damit zumindest der kulinarische Teil der Reise
       nicht komplett ausfällt. Ich leihe mir vom Nachbarn das Kochbuch „Die
       georgische Tafel“ und surfe im Internet. Schließlich – es wird ein Dinner
       for one – entscheide ich mich für das Brot mit Einlage und einen
       Rote-Bete-Salat. Basiszutaten wie Hackfleisch, Zwiebeln, getrocknete
       Tomaten, sind im Supermarkt leicht zu finden, aber einige Gewürze fehlen.
       Und natürlich braucht es georgische Getränke!
       
       Fündig werde ich in Charlottenburg, im Laden für Internationale
       Lebensmittel und Feinkost. Rotwein aus Georgien? Na klar, zwei Regale voll.
       Die nette Dame empfiehlt in Amphoren gereiften Rotwein. Der traditionelle
       Quevri-Wein zähle zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit. Der
       Flaschenpreis von über 20 Euro schreckt mich aber. Ich greife zu einem
       Saperavi, eine uralte, georgische Traube, dunkelviolett. Ich lasse mir noch
       eine Khiliane-Limonade mit „Birnengeschmack“ aufquatschen. „Die georgischen
       Leute“ würde die gerne kaufen, sagt die Dame. Untrinkbar süß, stelle ich
       fest. Dafür erweist sich der Wein als gute Wahl.
       
       „Salz aus Swanetien“, eine Gewürzmischung, kommt ebenso in den Korb wie der
       Nachtisch Churchkhela: eine längliche, braune, vakuumierte Masse, die
       optisch an Tamarinde erinnert. Schmeckt klebrig, aber nicht zu süß. Die
       Süßigkeit besteht aus Walnüssen, die mit eingedicktem Traubensaft überzogen
       wurden.
       
       Jetzt wird aber gekocht! Als erstes der Rote-Bete-Salat. Achtung
       Kochfreaks: Ich habe mich für einfache Varianten entschieden, mit einer
       Mischung aus mehreren Rezepten. Meine roten Bete, 500 Gramm, sind
       vorgekocht, es gibt also kein Küchenmassaker in Farbe. Mit einem
       Marktschreier-Hobel bekommt man sie recht gut klein. Dann je eine Handvoll
       Backpflaumen und Walnüsse möglichst klein schneiden, zum Beispiel mit einer
       Kräuterwiege. Dazu Knoblauch (nach Geschmack eine oder mehr Zehen) aus der
       Presse und drei Löffel Mayonnaise. Im Supermarkt gab es Mayo aus dem
       Spreewald, immerhin auch ziemlich östlich. Alles in einer Schüssel
       vermengen. Dazu gebe ich jenes swanetische Gewürzsalz, das außer Salz
       Kräuter wie Dill und Koriander enthält, zudem Paprika und – Überraschung –
       Tagetes. Und vor allem Schabzigerklee, von dessen Existenz ich bislang
       nichts wusste. Das ist ein blaues Blümelein aus dem Kaukasus. So, ab in den
       Kühlschrank damit.
       
       Ein paar Stunden später. Bevor LeserInnen-Briefe kommen: Von Chadschapuri
       gibt es so viele Varianten wie Pizzasorten. Von Gerstenteig über
       Blätterteig bis Pizzateig, gefüllt und belegt, vegetarisch, wahrscheinlich
       auch vegan, mit vielen Zutaten oder mit wenigen. Ich habe mich für
       folgendes Rezept entschieden: Fertigen Pizzateig aus dem Kühlregal
       ausrollen, das reicht für drei ovale oder kreisförmige Basislagen. Am Ende
       sollen die drei Teile schiffchenförmig aussehen. Nun am Rand abwechselnd
       ein Stückchen getrocknete Tomate und etwas Käse platzieren (Mozzarella,
       Feta und Hartkäse, ich habe georgischen Käse gefunden, Sulguni, mild und
       leicht salzig). Der Rand wird fingerdick eingerollt, damit steht die
       Grundform. Die Mitte auffüllen mit gemischtem Hack und kleingeschnittener
       Zwiebel. Beides habe ich, anders als im Rezept, kurz angeröstet. Die
       Zwiebeln, weil ich den kräftigeren Geschmack vorziehe, das Hack, weil ich
       Panik vor nicht durchgegartem Hackfleisch habe. Über die
       Zwiebel-Hack-Mischung kommt wiederum das Käsedreierlei, leicht zerkrümelt.
       Die Schiffchen kommen für eine Viertelstunde (180 Grad) ins Backrohr.
       
       Danach in jedem Brot, das nun schon leicht gebräunt lacht, eine Mulde in
       die Mischung drücken, und vorsichtig ein Ei hineingeben (Pro-Tipp: kein zu
       großes Ei, man lernt aus Fehlern …). Nun kommt alles weitere 15 Minuten in
       den Backofen, bis das Ei nicht mehr glibbert.
       
       Da ich keine Teller aus Georgien besitze, habe ich Geschirr von anderen
       Reisen hervorgekramt. Das Chadschapuri drapiere ich auf einem Tonteller aus
       Burkina Faso, den Rote-Bete-Salat in Schälchen aus Tadschikistan. Der
       Rotwein kommt in böhmisches Kristall.
       
       Fazit: Mir hat es geschmeckt. Noch besser wäre das Mahl nach einer
       anstrengenden Trekkingtour gewesen, es war doch ziemlich mächtig. Statt
       georgischem Schnaps – laut Merzbacher „fuselreicher Korn mit ganz
       abscheulichem Geschmack“ – griff ich ganz nach hinten in die Hausbar und
       fand Cognac „Samarkand“ aus Usbekistan. Usbekistan? Auch da könnte man sich
       eigentlich einmal hinkochen.
       
       11 Dec 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Schaefer
       
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