# taz.de -- nordđŸŸthema: Im Zeichen des DalahĂ€st
       
       > Trachten, Socken, Elchburger und ganz viel Glögg: In Hamburg laden die
       > vier nordischen Seemannskirchen wieder zu ihren Weihnachtsbasaren ein
       
 (IMG) Bild: Neben Handgemachtem finden sich auf den Basaren auch Infos zur Kultur: Hier trĂ€gt Kirchenmitglied Hild die Tracht der Region Telemark, des „Norwegens en miniature“
       
       Von Darijana Hahn
       
       Wer von den LandungsbrĂŒcken aus in die Ditmar-Koel-Straße abbiegt, den
       begrĂŒĂŸt eine große schwedische Flagge an einem stattlichen GebĂ€ude mit
       markantem Turm: Seit 1907 ist hier die s[1][chwedische Seemannskirche]
       untergebracht. Gerade ist sie mit Tannenreisig geschmĂŒckt, und auf dem
       BĂŒrgersteig reiht sich eine Schlange von Menschen, um in das neogotische
       GebĂ€ude zu kommen. Ein junger Mann begrĂŒĂŸt die GĂ€ste und duzt sie ganz nach
       schwedischer Manier: „Hej, du kannst die Maske aufbehalten oder absetzen.“
       Eine junge Frau mit langem blondem Haar weist lÀchelnd darauf hin, dass in
       einer Viertelstunde oben im Saal ein Konzert stattfindet.
       
       Im angrenzenden Raum drÀngen sich Menschen, um das GetrÀnk zu ergattern,
       ohne das keiner der Adventsbasare der vier nordischen Seemannskirchen in
       Hamburg auskommt: Glögg, die skandinavische Variante des GlĂŒhweins, mit
       oder ohne Alkohol. Dazu gibt es BlĂ€bĂ€rsuppa – Blaubeersuppe –, Kanelbulle –
       Zimtschnecke – oder Renköttrolle – Rentierbrötchen. Bei der Verköstigung
       kann der Blick ĂŒber die beiden StĂ€nde im Raum schweifen: Da sind die Frauen
       in schwedischer Tracht, umgeben von Handgemachtem: Socken, MĂŒtzen,
       Topflappen.
       
       GegenĂŒber: eine Tombola, wo Kristina Ekelund steht, die Vorsitzende der
       schwedischen Gemeinde in Hamburg. In der klassischen schwedischen Tracht,
       die auch von der Königsfamilie getragen wird, ist ihr die Freude ĂŒber den
       sehr gut angenommenen Basar anzusehen. „Die Gemeinde hier ist meine Seele“,
       sagt die charismatische Exil-Schwedin, die bereits seit Jahrzehnten ihre
       Heimat in der Stadt gefunden habe – dank der Seemannsgemeinde. Es sei viel
       los in der Gemeinde, und das ganze Jahr ĂŒber sei eine Handarbeitsgruppe fĂŒr
       den Basar tÀtig.
       
       An Ekelunds Tracht ist ein Anstecker zu sehen, wie ihn auch die 18-jÀhrige
       Liv trĂ€gt: ein kleines Pferd, das fĂŒr die Schweden noch viel symbolischer
       ist als der Elch. Es handele sich um das Dala-Pferd, wie Liv stolz erklÀrt,
       das DalahĂ€st. Anfangs von Waldarbeitern in Dalarna fĂŒr ihre Kinder
       geschnitzt, wurde es berĂŒhmt, weltberĂŒhmt sogar: Eine 2,80 Meter große
       AusfĂŒhrung reprĂ€sentierte Schweden bei der Weltausstellung 1939 in New
       York.
       
       Im Kellergeschoss gibt es Lebensmittel aller Art zu kaufen, nicht zuletzt
       echtes schwedisches KnĂ€ckebrot in allen Formen und GrĂ¶ĂŸen. Wenn VerkĂ€ufer
       Ola davon schwĂ€rmt, wie dieses große, kreisrunde Brot mit einem Loch in der
       Mitte knusprig und fluffig sei, kann man hungrig werden. Auch gibt es hier
       mannigfache Arten von Lakritz. Speziell ist die Sorte „DjungelvrĂ„l“ –
       „Dschungelschrei“. Der Name erklĂ€re sich daher, so Ola, dass dieses Lakritz
       so scharf sei, dass man nach dem ersten Bissen erst mal schreien mĂŒsse.
       
       Die Lebensmittelabteilung der schwedischen Seemannskirche ist nichts gegen
       die in der finnischen Kirche, ein StĂŒck die belebte Straße hinunter. Was
       bei den Schweden wie ein Tante-Emma-Laden von anno dazumal wirkt, ist bei
       den Finnen eher ein moderner Discount-Supermarkt. Mit Produkten darin, die
       das Fan-Herz höher schlagen lĂ€sst: Sinappi Kurkken Salaati –
       Senf-Gurkensalat –, Finlandia Marmeladeja – Geleekugeln in
       unterschiedlichen Geschmacksarten –, allerlei Mumin-Produkte, Schokolade,
       Kekse, Tee. Und: Glögg in allen Variationen, hier nun „Glögi“ genannt.
       
       Hat man genug Lebensmittel gekauft, könnte man noch obendrauf ein
       Rentierfell erwerben und anschließend mit jenem Mann sprechen, der derzeit
       auf seine Rentiere besonders angewiesen ist: mit dem Weihnachtsmann,
       natĂŒrlich direkt aus Lappland. Von ihm könnte man sich auch Dinge wĂŒnschen,
       die es oben im Basar zu kaufen gibt, zum Beispiel edlen finnischen Schmuck,
       Wichtel aus finnischem Holz, von den Mitgliedern der Kirche hergestellt –
       oder Teppiche, eigens fĂŒr den jĂ€hrlichen Basar geknĂŒpft.
       
       Gleich neben der finnischen Seemannskirche stehen die norwegische und die
       dÀnische, allesamt Nachkriegsbauten. Sie sind niedriger gebaut als die
       schwedische und haben mehr AußenflĂ€chen hin zur Straße – in diesen Tagen
       Platz fĂŒr all die Zelte und EssensstĂ€nde. Konnte man bei den Finnen
       Saunawurst und Kleine MarÀnen essen, Fischlein aus dem Saimaa-See im
       SĂŒdosten Finnlands, gibt es bei den Norwegern nun Elchburger mit Sauerkohl
       und Preiselbeeren oder Fischsuppe mit Lachs und Garnelen. Fischsuppe in der
       praktischen MitnehmtĂŒte gibt es auch am Lebensmittelstand – wahlweise als
       Bergensk oder Lofoten Fiskesuppe. Wer gern Fisch ohne Fischgeschmack hÀtte,
       der kann sich fĂŒr die Fiskeboller in der Dose entscheiden: Das sind, wie
       Astrid erklĂ€rt, FischklĂ¶ĂŸchen mit viel Mehl, die wohl Kindern sehr gut
       schmecken.
       
       Am MĂŒtzen-Stand will eine Kundin wissen, ob die MĂŒtzen denn aus der
       „berĂŒhmten Island-Wolle“ gestrickt seien. „Nein“, sagt Hild, eine der
       VerkĂ€uferinnen, „die sind entweder aus Schafs- oder aus Merinowolle“. Alle
       MĂŒtzen haben die norwegische Flagge aufgenĂ€ht. Daneben gibt es aber auch
       Hamburgensien, zum Beispiel gefilzte Dosenhalter, einmal in den Farben des
       FC St. Pauli und einmal in denen des HSV.
       
       Hild, die Frau hinter dem Verkaufstisch, trÀgt selbst die Tracht des
       Landesteiles Telemark. Das sei „wie Norwegen in Miniatur“ – und außerdem
       die Wiege des Skisports im Land. Und die Tracht, erzĂ€hlt die große
       Norwegerin mit dem schulterlangen grauen Haar, habe bereits ihre Großmutter
       getragen. Es gibt dazu auch noch eine Jacke aus krÀftigem Rot. Als sie
       damit aber durch den Basar gegangen sei, habe ein Junge sie gefragt, ob sie
       die Frau vom Weihnachtsmann sei.
       
       Der vermeintlichen Weihnachtsmannfrau gegenĂŒber steht Reinund und strickt.
       Im Stehen. Im typischen Norwegermuster fertigt sie ein Stirnband an, ein
       weiteres fĂŒr den Basar. Die Strickjacke, die Reinund selbst trĂ€gt, hat
       ihre Mutter in den 1950er-Jahren gestrickt. Reinund steht einerseits neben
       noch viel mehr Pullovern mit Norwegermuster, andererseits vor sehr edel
       wirkenden Wolldecken einer Firma namens RĂžros. „RĂžros ist die kĂ€lteste
       Stadt in Norwegen“, sagt sie und streichelt ĂŒber die Decke. Dort, fĂŒgt sie
       hinzu, verstĂŒnden die Leute etwas davon, „sich warmzuhalten“.
       
       Wer durch den Raum blickt, sieht viele von der Decke baumelnde rote Herzen
       und an der entgegengesetzten Wand eine bunte Glaswand mit einem roten
       Kreuz. „Ja, das ist unser Kirchenraum“, bestĂ€tigt Reinund.
       
       Ist dieses Raumerlebnis eher kuschelig und höhlig, geht es bei den DÀnen,
       noch mal eins weiter, in eine Art Moderne: Keine kleinen RĂ€ume im
       Kerzenschein empfangen das Publikum, nein, es geht sprichwörtlich hinauf in
       die Höhe. In einem sehr hohen Saal hÀngen kugelige Design-Neonröhren-Lampen
       von der Decke und verschaffen dem Raum mit seiner breiten Fensterfront
       ausgeprÀgte Helligkeit. Frauen, nicht in Tracht, preisen hier ihre
       handgefertigten Pretiosen an, Postkarten mit gehÀkelten Blumen etwa oder
       mit Origami-Sternen aus Teebeuteln.
       
       Aus DĂ€nemark, aus dem Nationalmuseum in Jelling, importiert sind hier
       zahlreiche Dinge, die die Wikinger-Geschichte thematisieren:
       Wikinger-Seife, Runen-Karten und Wikinger-Tee. Aus was der besteht? „Das
       sind Pflanzen, da kann man sich drauf brennen“, umschreibt Signe die
       Brennnessel, die unter anderem in dem Tee zu finden ist. Signe sagt, sie
       lebe seit zehn Jahren und sehr gern in Hamburg – und freue sich dennoch
       ĂŒber diesen Ort, an dem sie ihre dĂ€nischen Wurzeln pflegen könne.
       
       Heiß begehrt ist in der dĂ€nischen Kirche der Weihnachtsschmuck von Brink
       Nordic: AnhÀnger in der Form von GlashÀusern, Streichholzschachteln oder
       Wohnwagen. „Alles handgemacht“, wie Martin Sorgenfrei von Brink Nordic
       betont. Besonders freut er sich ĂŒber das Vögelchen: Das sei in einer Form
       hergestellt, die in einer GlasblÀserstadt in einer Mauer wieder entdeckt
       worden sei; also eine ganz alte Form. „Wir haben sie wie die ArchĂ€ologen in
       feinster Kleinarbeit freigelegt“, sagt Sorgenfrei – und wendet sich schon
       der nÀchsten Kundin zu.
       
       Wer noch nicht genug an EindrĂŒcken und Objekten bekommen hat, kann sein
       GlĂŒck bei einer der Tombolas versuchen, die bei allen vier Basaren einen
       sehr hohen Stellenwert einnehmen: Neben Reisen, Kleidung und den
       verschiedensten Objekten – vom Geschirrhandtuch bis zum Radiowecker – gibt
       es bei den DĂ€nen an jedem Basartag einen neuen Hauptgewinn. Etwa einen
       Design-Stuhl von Carl Hansen.
       
       Ob mit oder ohne Gewinn: Irgendwann ist es Zeit fĂŒr einen Glögg, Glögi oder
       – wie es bei den Norwegern und DĂ€nen heißt – GlĂžg. SkĂ„l – und: God Jul!
       
       Skandinavische WeihnachtsmĂ€rkte: Sa + So, 20 + 21. 11., 12–19 Uhr,
       dÀnische, finnische, norwegische und schwedische Seemannskirche, Hamburg,
       Ditmar-Koel-Straße (2G-Regeln)
       
       20 Nov 2021
       
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