# taz.de -- Stoffe wie aus Wasser
       
       > Vom klassischen Monumentalmaler zu einem der wichtigsten Vertreter der
       > Moderne: Die Berlinische Galerie widmet Ferdinand Hodler eine
       > umfangreiche Ausstellung
       
 (IMG) Bild: Ferdinand Hodlers Gemälde „Heilige Stunde“ aus dem Jahr 1911
       
       Von Charlotte Eisenberger
       
       Noch ist die steinerne Bank warm von der Sonne, auf der die vier jungen
       Frauen sitzen. Im Hereinbrechen der Nacht leuchten die Rosen besonders
       kräftig durch das dunkle Laub. Die vier Frauen, bewegt von einer nicht
       hörbaren Melodie wiegen sie sich mit verträumten Blicken zueinander, jede
       in ihren Gedanken, wie es scheint. Langsam legt sich der kühle Schleier der
       Nacht auf die Falten blauer Kleider nieder. Eine Szene, festgehalten im
       Bild „Heilige Stunde“ von Ferdinand Hodler. Im Rahmen der Berlin Art Week
       kooperierte das Kunstmuseum Bern mit der Berlinischen Galerie Berlin und
       eröffnete am 10. September die Ausstellung „Ferdinand Hodler und die
       Berliner Moderne“. Die „Heilige Stunde“ ist Teil der Ausstellung, die einen
       Bogen von den Anfängen Hodlers bis zu den bekanntesten Werken spannt.
       
       Gezeigt wird die künstlerische Entwicklung des 1853 in Bern geborenen
       Malers, der insbesondere durch die Berliner Moderne internationalen Erfolg
       und Einfluss auf die ganze Epoche erlangte. Die Porträts von Augustine
       Dupin oder Albertine Bernhard, beide um 1885 entstanden, sind zwar noch
       weit vom späteren Stil des Malers entfernt, jedoch sind gerade Linien und
       Umrisse schon in Kleidern und Haaren erkennbar. Auch die Figurenbilder
       „Verwundeter Jüngling“ und „Zwiegespräch mit der Natur“, beide um 1884,
       zeigen die zwar noch sehr realistische Umsetzung der Körper, der
       Hintergrund jedoch ist schon von grafischen Elementen und detailarmer
       Malweise geprägt. Der auffällig reduzierte, grafische Malstil lässt die
       Bilder Hodlers herausstechen aus den weich dunkel gemalten Bildern seiner
       Berliner Kollegen. Hodler stellt 1899 „Die Lebensmüden“ in der
       neugegründeten Berliner Secession aus, in die er 1900 als
       korrespondierendes Mitglied eintritt.
       
       Zwar unterscheiden sich die Mitglieder der Berliner Secession in ihrer
       Malweise alle von der damaligen Fasson, doch wird der Unterschied zwischen
       ihnen und Hodler deutlich: Das Landschaftsbild „Sommer“ von Hans Thoma
       beispielsweise ist sehr detailliert, dunkle satte Farben, ideale
       Darstellung einer verträumten Landschaft im Sommer. Hodler hingegen
       erforscht die Reduktion, experimentiert mit Blickwinkeln und Symmetrien und
       entwickelt schließlich eine Art der Komposition, die er Parallelismus
       nennt. In seinen Landschaftsbildern der Schweiz stören keine vertikalen
       Striche: Die ganze Komposition verläuft horizontal und formt so einen
       weiten Blick, der nicht vom Rahmen eingeschlossen wird und über die Seiten
       des Bildes hinausführt.
       
       Besonders für den Charakter der neuen Kunstepoche war auch der Farbauftrag,
       weswegen Ferdinand Hodler unter anderem mit Paul Cézanne, Vincent van Gogh
       und Edvard Munch zu den einflussreichsten Malern der europäischen Moderne
       gehört. Anders als im Naturalismus sind die Pinselstriche an manchen
       Stellen klar zu erkennen. Die Blumen in „Heilige Stunde“ zum Beispiel sind
       nur angedeutet, haben keine besondere Form, wirken wie schnell
       dahingetupft. Dafür sind Haut und Kleidung der meisten Figuren fein
       gearbeitet. Auf dem Bild „Lied in der Ferne“ schmiegt sich das Kleid der
       Frau an ihren Körper. Fast so, als wäre es nass, fließt es um die Rundungen
       am Bauch über das vordere Bein. Die Farbe ist kraftvoll und ohne Lücke
       aufgetragen, langsam und bedacht. Dieses Spiel von grober pastoser
       Arbeitsweise und sinnlichen Formen gibt den Werken eine intrinsische
       Dramatik.
       
       Der Fokus auf Körperlichkeit und Bewegung wird das zentrale Thema, welches
       sich durch das Gesamtwerk des Künstlers zieht. Vorbild für die sich
       wiegenden oder dahinschreitenden Figuren ist der moderne Tanz, den Holder
       um die Jahrhundertwende durch seinen engen Freund, den Komponisten Émile
       Jaques-Dalcroze, kennenlernt. Die Ausdrucksweise von Emotionen durch den
       Körper inspiriert den Künstler. Er studiert die Bewegungen der
       Tänzer:innen in zahlreichen Skizzen und fügt sie in die Werke mit ein.
       So entsteht eine Mischung aus Zeichnung und Malerei. Aber nur diese
       Erneuerung brachte ihm noch keinen großen Erfolg.
       
       Was man heute wohl als Networking bezeichnen würde, erkannte der Maler
       damals schon als geeignetes Mittel, berufliche Ziele zu erreichen. Nachdem
       sein Werk „Die Nacht“ aus einer Schweizer Ausstellung entfernt wird, da es
       nackte Körper und eine vermeintlich obszöne Szene zeigt, organisierte er
       kurzerhand eine private Ausstellung und nutzte das verdiente Eintrittsgeld,
       um sein Werk in den Pariser Salon zu bringen. Von dort aus begann sein
       internationaler Erfolg, vor allem in Paris, München und Wien wurde der
       Künstler nun regelmäßig ausgestellt und vielfach ausgezeichnet. Berlin aber
       wurde sein Liebling, wo er auch die größten Erfolge feierte.
       
       Es folgen viele Ausstellungen in München, Wien, Berlin und später dann Bern
       und Zürich. Bis zu seinem Tod 1918 in Genf ist er ein renommierter und
       angesehener Vertreter der Moderne.
       
       Bis 17. Januar 2022, Berlinische Galerie
       
       30 Sep 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Charlotte Eisenberger
       
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