# taz.de -- Es geht rund bei den kleinen Männern
       
       > Niko Kappel ist ein Wettkampftyp. Er gilt als Mitfavorit im Kugelstoßen
       > in der T41er-Klasse, aber die Konkurrenz ist stark wie nie. Die
       > Weltrekorde purzelten in der Vergangenheit nur so
       
 (IMG) Bild: „Es läuft wieder“: Niko Kappel möchte die 14-Meter-Marke knacken
       
       Von Susanne Rohlfing
       
       Richtig gut sind die Vorzeichen nicht, aber das war 2016 nicht anders.
       Damals gab Niko Kappel in Rio sein paralympisches Debüt, er war 21 Jahre
       jung und gehörte mit seiner Vorleistung von 13,26 Metern nicht unbedingt zu
       den Favoriten im Kugelstoßen der kleinwüchsigen Männer. Doch der
       Bankkaufmann aus Stuttgart steigerte sich auf 13,57 Meter, gewann Gold,
       schlug den Topfavoriten Bartosz Tyszkowski aus Polen und verfehlte dessen
       damaligen Weltrekord nur um sieben Zentimeter.
       
       Nun kann Kappel am Montag bei den Spielen in Tokio seinen Sieg von Rio
       wiederholen. Inzwischen ist er 26 Jahre alt, Profisportler, eines der
       bekannteren Gesichter im Team Deutschland Paralympics und ehemaliger
       Weltrekordhalter. Den Topwert von Tyszkowski überbot Kappel bereits 2017.
       Seither geht es rund in der Weltspitze der kleinwüchsigen Kugelstoßer. Der
       Weltrekord wurde in den vergangenen drei Jahren von vier verschiedenen
       Athleten verbessert. Aktuell hält ihn mit 14,31 Metern der usbekische
       Weltmeister Bobirjon Omonov. Er hatte die alte Marke von Kappel um einen
       Zentimeter übertroffen. Der Deutsche wiederum hatte im Juli des vergangenen
       Jahres 21 Zentimeter weiter gestoßen als der damalige Rekordhalter Kyron
       Duke. Vor dem Briten hielt ebenfalls Niko Kappel die Bestmarke, davor hatte
       sich Tyszkowski die Poleposition von Kappel zurückgeholt.
       
       In Tokio haben also mindestens vier Athleten der Klasse T41
       Gold-Ambitionen. „Die sind alle gut im Saft, wahrscheinlich alle Profis, da
       geht es ab“, sagt Kappel. Er selbst sei in dieser Saison allerdings erst
       auf 13,36 Meter gekommen: „Wenn ich das nicht verbessere, gewinne ich
       keinen Blumentopf.“ Nach verschiedenen gesundheitlichen Problemen ist
       Kappel seit ein paar Wochen verletzungsfrei. „Es läuft wieder“, sagt der
       Schwerathlet. Und deshalb hofft Kappel, dass es am Montagmorgen, wenn die
       Menschen in Deutschland aus ihren Betten kommen, bereits positive
       Schlagzeilen zu seinem Auftritt in Tokio in der deutschen Nacht gibt.
       
       Anders als vor fünf Jahren ist für Kappel auch, dass er nicht mehr Mathias
       Mester als kongenialen Partner an seiner Seite hat. Der kleinwüchsige
       Speerwerfer und der kleinwüchsige Kugelstoßer haben seit Rio gemeinsam für
       so manchen Lacher gesorgt. Beide sind überaus fröhliche, extrovertierte
       Männer, die sehr offen und gelassen mit ihrer Behinderung umgehen. Mester
       hat seine Karriere kurz vor den Spielen überraschend beendet, zuletzt eine
       Biografie veröffentlicht und strebt nun eine komödiantische Karriere an.
       Also ist Kappel jetzt derjenige, der jüngeren Athleten zeigt, wo es lang
       geht.
       
       „Ich habe sehr von Matze profitiert“, sagt Kappel. „Auch wenn seine
       Hauptdisziplin der Speerwurf war, hatte er natürlich einen guten
       Erfahrungsschatz zu unserer speziellen Anatomie.“ Nun gibt Kappel sein
       Wissen an seinen 19 Jahre jungen Trainingspartner Yannis Fischer weiter,
       der seinerseits in Tokio zum ersten Mal bei Paralympischen Spielen starten
       wird. Der Abiturient aus Singen trainiert wie Kappel am Bundesstützpunkt
       Leichtathletik in Stuttgart bei Coach Peter Salzer. Und er gewann in diesem
       Jahr wie Kappel bereits EM-Bronze.
       
       Der Vorteil des Duos Kappel/Fischer: Kappel gehört mit seiner Körpergröße
       von 1,40 Meter der Startklasse T41 an, Fischer ist etwas kleiner und tritt
       in der Klasse T40 an. „Dass wir keine direkten Konkurrenten sind, macht die
       Zusammenarbeit natürlich einfacher“, sagt Kappel. Fischer ist am
       Sonntagmorgen (in der deutschen Nacht zum Sonntag) dran, seine vier
       Kilogramm schwere Kugel so weit wie möglich hinaus auf den Rasen des
       Tokioter Olympiastadions zu befördern. Seine Bestleistung steht bei 10,21
       Metern, der Weltrekord liegt bei 11,01 Metern. Trainer Salzer sagt über
       seine kleinwüchsigen Kugelstoßer: „Beide sind exzellente Wettkämpfer, und
       ich kann mich darauf verlassen, dass sie performen.“
       
       Mit Mathias Mester hält Niko Kappel weiterhin Kontakt. Auch abseits des
       Sports lohnt ein Blick auf dessen Karriere. „Er hat etwas andere Interessen
       als ich“, sagt Kappel, „aber es ist schön zu sehen, dass er machen kann,
       was er machen will.“ Der Sport öffne Türen: „Es ist toll, wie Matze die
       Chancen nutzt.“ Wenn er den Kollegen und sich selbst beschreiben soll, dann
       macht Kappel das so: „Matze antwortet kurz und witzig, ich hole erst mal
       eine Viertelstunde aus.“ Der Komiker und der Politiker. Kappel sitzt in
       Welsheim für die CDU im Gemeinderat und gehört dem Kreis-Vorstand an. Um
       seine Zukunft nach dem Sport ist auch ihm nicht bange.
       
       28 Aug 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Rohlfing
       
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