# taz.de -- Merkel zu Besuch in Moskau: Ein starkes Symbol zum Abschied
       
       > Die Kanzlerin besucht zum letzten Mal Wladimir Putin. Genau vor einem
       > Jahr wurde der Kremlkritiker Alexei Nawalny vergiftet.
       
 (IMG) Bild: Da ging noch was: Merkel, damals noch nicht Kanzlerin, 2002 bei Putin zu Besuch in Moskau
       
       Moskau taz | Manchmal lassen sich Symbole ganz bewusst einsetzen. Für ihren
       [1][Moskau-Besuch], den letzten als Bundeskanzlerin, hat sich Angela Merkel
       einen speziellen Tag ausgesucht. Einen, der eben symbolhaft ist für den
       Knacks in den deutsch-russischen Beziehungen, und der dafür steht, wie die
       lange Zeit stetige Vertrauensbasis zwischen Berlin und Moskau zu einer
       großen Enttäuschung wurde. Letztlich auf beiden Seiten.
       
       An diesem Freitag jährt sich [2][die Vergiftung des russischen
       Oppositionspolitikers Alexei Nawalny]. Ein Tag, der als Zäsur für die Achse
       Moskau–Berlin zu sehen ist. Das distanzierte und doch respektvolle
       Verhältnis Merkels zu Putin wich in diesem Moment der Resignation, ja einer
       Kälte, wie es sie zuvor kaum gegeben hatte – bei Syrien nicht, auch nicht
       bei der Ukraine.
       
       Der „versuchte Giftmord“ samt „schwerwiegenden Fragen, die nur die
       russische Regierung beantworten kann und muss“, wie Merkel nach dem
       Anschlag auf Nawalny sagte, zeigt, wie unvereinbar der Blick auf die Welt
       zwischen den beiden Staaten mittlerweile ist. Doch Merkel wird auch an
       diesem Freitag auf ihren realpolitischen Pragmatismus setzen, um bei Fragen
       zu Afghanistan, Belarus, der Ukraine, Syrien und auch Nord Stream 2
       zumindest die Positionen abzuklären. Wie denn auch nicht?
       
       Die „schwerwiegenden Fragen“ hat die russische Regierung nicht beantwortet,
       natürlich nicht. Sie stichelt lieber weiter. Just vor dem Merkel-Besuch
       veröffentlichte das russische Außenministerium ein Statement, in dem Berlin
       eine Führungsrolle beim „künstlich geschaffenen Hype um Nawalny“
       zugesprochen wird. Die „gezielte Provokation“ hätten „Deutschland und seine
       Verbündeten“ gewählt, um „Russland in den Augen der Weltgemeinschaft zu
       diskreditieren“, auch mit dem „Ziel, sich in die inneren Angelegenheiten
       vor der Duma-Wahl einzumischen“.
       
       ## Draht nach Europa
       
       Der „Fall Nawalny“ sei „inszeniert“ worden, um die „Strategie“ der
       Deutschen „zur Eindämmung Russlands“ zu verfolgen. Mit solchen Mitteilungen
       steuert man nicht auf eine Verbesserung der Beziehungen hin. Beziehungen,
       die in vielen Bereichen so eng sind.
       
       19 Mal war Merkel bereits in Russland bei Putin, sie war auch sein Draht
       nach Europa, beständig, nüchtern, beschlagen. Während andere Staatschefs
       gingen und neue kamen, war sie da. Geblieben, wie auch er. Sie haben
       gelernt, miteinander umzugehen. Putin testete die Deutsche stets gezielt,
       Merkel ließ seine Provokationen ins Leere laufen und sagte ehrlich, was sie
       von Russlands Politik hält.
       
       Sie hielt seinem starren Blick stand, hielt es trotz Hundeangst aus, dass
       sich sein Labrador Koni in Sotschi zu ihren Füßen legte, nahm später Mantel
       und Rosen von ihm an. Persönliche Befindlichkeiten stellte sie stets hinten
       an. Auch bei Putin.
       
       Im Kreml hält man die Europäer zwar oft für naiv, Anbiederung aber kommt
       gar nicht gut an. Für das ehrliche Eintreten für ihre Überzeugungen
       respektieren die Russen Merkel, auch wenn sie diese Überzeugungen so gar
       nicht teilen. Putin wie Merkel setzen auf Sachlichkeit. Das Drumherumreden,
       ob nun auf Deutsch oder Russisch, ist beider Sache nicht. Beide kennen sich
       in ihren Themen aus, was nicht selten zu einem hartem Dialog führte.
       
       ## Stets auf der Hut
       
       Merkel spricht stets die Verletzungen von Menschenrechten an, die stetige
       Aushöhlung der Pressefreiheit in Russland, die Morde an Regimekritikern.
       Der Kreml reagiert nicht selten beleidigt und schätzt doch die nüchterne,
       ja unideologische Haltung Merkels. Vor Putin aber blieb die 67-Jährige
       stets auf der Hut. Sie kennt schließlich die Mechanismen sowjetischen
       Machtgebrauchs. Bis heute sind sie aus der Regierungsweise Moskaus nicht
       verschwunden.
       
       Merkels Beziehung zu Russland ist allein schon aus ihrer Biografie heraus
       eine besondere. Bereits als junge Frau erlebt sie eine große Verbundenheit
       zum Land – damals zur Sowjetunion –, begeistert sich für die Sprache, die
       Literatur, reist in den 1970ern nach Moskau und Leningrad, das heutige
       Sankt Petersburg, trampt durch den Kaukasus.
       
       Kein Kanzler der BRD vor ihr hatte eine solche Nähe zu Russland. Auch
       Putins Nähe zu Deutschland ist eine besondere. „Ähnliche Mentalitäten“
       hatte der 68-Jährige einst sich und Merkel bescheinigt. Ein großer Irrtum.
       Denn die wohl größte Zäsur in ihrem eigenen Leben bewerten beide völlig
       gegensätzlich. Während mit dem Ende der DDR sich für Merkel eine neue Welt
       öffnete, betrauert Putin bis heute das Ende der Sowjetunion. Er ist der
       „KGBschnik“ geblieben, zu dem er ausgebildet worden war, einer, der die
       Welt in Einflusssphären einteilt und skrupellos genug ist, militärische
       Kraft einzusetzen, um eigene Interesse zu verfolgen. Oft in
       Geheimoperationen.
       
       Merkel hält das für vorgestrig. Sie setzt auf Ausgleich und erlebt, trotz
       ihres tiefen Verständnisses für Russland, immer mehr Ratlosigkeit einem
       Staat gegenüber, dessen Präsident immer noch gerne den kalten Krieger gibt.
       
       20 Aug 2021
       
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