# taz.de -- Die Erfindung des Computers: Schlauer Rechner aus Kreuzberg
       
       > Der Berliner Konrad Zuse konstruierte vor 80 Jahren ein „mechanisches
       > Gehirn“ – und legte damit die Grundlagen für das Digitalzeitalter.
       
 (IMG) Bild: Horst Zuse, Sohn des Computerpioniers, vor dem Nachbau des ersten programmierbaren Computers
       
       Berlin dpa | An Wagemut hat es Konrad Zuse nicht gefehlt. Als Statiker bei
       den Henschel Flugzeugwerken in Berlin hatte er eine feste Anstellung, was
       Anfang der 30er Jahre in Deutschland keine Selbstverständlichkeit war. Doch
       die immer wiederkehrenden Berechnungen langweilten den studierten
       Maschinenbauer und Bauingenieur so sehr, dass er 1935 den Sprung in die
       Selbstständigkeit wagte.
       
       Im Wohnzimmer seiner Eltern [1][entwickelte er eine Rechenmaschine], die
       die langwierigen Berechnungen der Statiker automatisch erledigen sollte. Es
       war der Vorläufer des ersten funktionsfähigen Digitalrechners weltweit.
       Dieser erste funktionsfähige Rechner, die Z3, wurde vor genau 80 Jahren –
       am 12. Mai 1941 – erstmals in Betrieb genommen. Doch der Reihe nach.
       
       Zuse wollte nicht weniger als ein „mechanisches Gehirn“ entwerfen.
       Konzeptionell betrat der 25-Jährige dabei Neuland. Die Maschine sollte das
       Binärsystem verwenden, also mit „Null“ und „Eins“ beziehungsweise den
       Zuständen „wahr“ und „falsch“ rechnen. Für die Realisierung der
       Ablaufsteuerung wollte Zuse dann die Aussagen der binären Logik verwenden.
       Dieses Verfahren bildete später die [2][Grundlage des Digitalzeitalters].
       
       Um die Statikberechnungen anzugehen, hatte sich Zuse vorgenommen, mit einem
       kompakten Speicher für 16 Zahlen zu arbeiten. Bei den ersten Konstruktionen
       griff er dabei auf eine Erfahrung aus seiner Jugend zurück. Mit dem
       Metallbaukasten der Firma Stabil hatte er nach seinem Abitur einen
       komplexen Kohlenverladekran zusammengebaut, wofür er die Ehrenurkunde der
       Firma erhielt.
       
       ## Ziemlich verklemmt
       
       Der erste Entwurf für Zuses Rechner, die Z1 aus dem Jahr 1938, bestand aus
       übereinander liegenden Blechstreifen. „Die Z1 war jedoch die meiste Zeit
       verklemmt“, schreibt der Berliner Informatiker und Historiker Ralf Bülow in
       einem Blog-Eintrag des weltgrößten Computermuseums, dem Heinz Nixdorf
       MuseumsForum in Paderborn, zum Z3-Jubiläum.
       
       In einem zweiten Anlauf nahm Zuse von einer rein mechanischen Lösung
       Abstand. Rund zweihundert elektromagnetische Relais sollten nun die
       Rechenarbeit übernehmen. Die Z2 funktionierte etwas besser als die Z1, war
       aber für einen kommerziellen Einsatz noch nicht zuverlässig genug. Sie
       weckte aber immerhin das Interesse von Alfred Teichmann, der
       Abteilungsleiter im Institut für Festigkeit der Deutschen Versuchsanstalt
       für Luftfahrt (DVL) war.
       
       Teichmann beschäftigte sich im Institut am Flugplatz Johannisthal im
       Berliner Stadtteil Adlershof vor allem mit dem Phänomen des Flatterns. „So
       nannten die Luftfahrtexperten seit den 1920er-Jahren die rhythmischen
       Verdrehungen von Flügeln und Leitwerk, die bei bestimmten Geschwindigkeiten
       auftreten konnten. Im schlimmsten Fall stürzte das Flugzeug ab“, schreibt
       Bülow.
       
       Die Ingenieure des DVL versuchten das Flattern durch konstruktive
       Änderungen in den Griff zu bekommen. Dazu wurden beispielsweise eingebaute
       Gewichte in den Tragflächen verschoben, um den Schwerpunkt zu verändern.
       „Dazu musste aber sehr viel gerechnet werden.“ Als nun Teichmann die Z2
       sah, habe er die Möglichkeiten für die Flatterforschung erkannt. Zuse wurde
       mit dem Bau eines größeren Rechners beauftragt.
       
       Zuse benötigte dann noch einmal ein Jahr, um die Z3 zu entwickeln. Und ihm
       gelang der große Wurf, obwohl er weitgehend von der deutschen
       Kriegswirtschaft ignoriert wurde. Die Z3 ist in die Computergeschichte als
       erster frei programmierbarer und programmgesteuerter Rechenautomat
       eingegangen.
       
       Der erste Testlauf fand vor achtzig Jahren statt, am 12. Mai 1941 in der
       Methfesselstraße 7 in Berlin-Kreuzberg. Dort hatte Zuse die Werkstatt
       seines Ingenieurbüros eingerichtet. „Im Rechen- und Speicherwerk der Z3
       steckten 2.000 Relais; für die Ein- und Ausgabe der Zahlen gab es ein
       kleines Schaltpult, die Programmierung erfolgte mit gelochten
       Filmstreifen“, schreibt Bülow. „Wenn man die Verwendung elektromagnetischer
       Technik zulässt, dann war die Z3 der erste funktionsfähige Computer.“
       
       Richtig zum Einsatz kam die Z3 aber nie. Sie wurde zwar mehrfach
       vorgeführt, dann aber 1943 bei einem Bombenangriff zerstört. Der erste auf
       Röhrentechnik basierte Computer, der von John Mauchly und John Presper
       Eckert in den USA entwickelte ENIAC, wurde aber erst 1946 fertiggestellt.
       Der „Electrical Numerical Integrator And Calculator“ (ENIAC) sollte – wie
       der Name bereits nahelegt – die „numerische Integration“ beschleunigen,
       also die Berechnung einer Fläche unter einer Kurve im Koordinatensystem.
       Dabei ging es nicht um eine abstrakte mathematische Fingerübung. Vielmehr
       sollte den Soldaten der US-Armee im Zweiten Weltkrieg ganz konkret dabei
       geholfen werden, schnell die Flugbahnen der Artilleriegeschosse zu
       berechnen.
       
       Die US-Armee konnte im Zweiten Weltkrieg allerdings nicht mehr vom ENIAC
       profitieren, denn die Maschine wurde erst nach Kriegsende fertiggestellt.
       Mit dem aufziehenden Kalten Krieg änderte sich dann der Verwendungszweck
       des Rechenmonstrums: Der ENIAC wurde von US-Wissenschaftlern in Los Alamos
       verwendet, um die Zerstörungskraft der ersten Wasserstoffbombe zu
       berechnen.
       
       ## Nachbau im Technikmuseum
       
       Ein 1:1-Modell des ENIAC ist unter anderen im HNF in Paderborn zu
       bestaunen. Ein funktionsfähiger Nachbau der Z3 befindet sich im Deutschen
       Museum in München. Außerdem ist im Deutschen Technikmuseum in Berlin ein
       Nachbau zu sehen, den der Sohn des Computerpioniers, Horst Zuse, 2010 zum
       100. Geburtstag seines Vaters gebaut hat.
       
       11 May 2021
       
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