# taz.de -- Kremlkritiker in russischem Straflager: Sorge um Nawalny
       
       > Der Gesundheitszustand des inhaftierten Kremlkritikers verschlechtert
       > sich zusehends. Wichtige Medikamente werden ihm vorenthalten.
       
 (IMG) Bild: Anastasia Wassiljewa, Nawalnys Augenärztin, wurde von der Lagerleitung nicht zu Nawalny gelassen
       
       Moskau taz | Sie brauchten mehrere Tage, doch dann klappte es endlich: Am
       Mittwoch ist es den Anwälten des inhaftierten Oppositionellen Alexei
       Nawalny gelungen, zu ihrem Mandanten im Straflager Pokrow IK-2
       vorzudringen. „Er sieht schlecht aus und fühlt sich auch nicht gut“, meinte
       Nawalnys Rechtsbeistand Olga Michailowa nach dem Besuch des Lagers 100
       Kilometer östlich von Moskau.
       
       Der Widersacher von Präsident Wladimir Putin hatte vor acht Tagen aus
       Protest gegen die Haftbedingungen einen [1][Hungerstreik] begonnen. Die
       Lagerleitung verweigerte ihm eine angemessene medizinische Betreuung und
       war auch nicht bereit, auf Wunsch Nawalnys Ärzte zu ihm vorzulassen.
       
       Nach einer Woche Hungerstreik soll Nawalny rund 13 Kilogramm abgenommen
       haben. Bei seiner Ankunft im Lager hatte der 189 Zentimeter große
       Kreml-Kritiker noch 93 Kilogramm auf die Waage gebracht. Sein Anwalt Wadim
       Kobsew geht von einem täglichen Gewichtsverlust von einem Kilogramm aus.
       
       Nach wie vor klagt Nawalny über Taubheitsgefühle in beiden Beinen, auch die
       Hände sollen inzwischen betroffen sein. Zunächst hatte er über starke
       Schmerzen im Rücken und Husten geklagt. Zudem hatte er mit 38,1 auch
       erhöhte Temperatur. „Alexei kann zwar selbständig gehen, hat dabei aber
       Schmerzen“. Beunruhigend sei, dass die Sensibilität in Beinen, Handballen
       und Händen allmählich nachlasse.
       
       ## Ängste der Lagerleitung
       
       Michailowa hatte vorher darauf hingewiesen, dass die Lagerleitung
       befürchte, ein unabhängiger Facharzt von außen könnte betätigen, dass die
       minimale Behandlung vor Ort „zur Verschlechterung des Gesundheitszustandes“
       geführt haben könnte.
       
       Ergebnisse einer Computertomographie teilte die Leitung dem Patienten
       bislang ebenfalls nicht mit. Dazu sei sie nicht verpflichtet, hieß es. Sie
       weigerte sich auch, dem Oppositionellen Medikamente zu übergeben, die im
       Lager für ihn abgegeben worden waren.
       
       Auch gegen den Hungerstreik des Häftlings versucht die Lagerleitung
       vorzugehen. Auf Instagram ließ Nawalny mitteilen, dass sich in seinen
       Taschen plötzlich Süßigkeiten befänden. „Oh Alexei, was sind denn das hier
       für Bonbons?“, soll sich das Wachpersonal ironisch erkundigt haben.
       
       Außerdem bestellte das Lager mehr als 1.200 Hühner für den schnellen
       Verzehr. In der Baracke werden auf einem extra aufgestellten Herd nun
       saftige „Broiler“ gebraten, die den Streikenden verführen sollen. „Das
       System glaubt nicht daran, dass sich jemand zwischen Ideen und Hähnchen für
       Ideen entscheiden kann“, hieß es auf Instagram.
       
       ## Nachts wird er jede Stunde geweckt
       
       Die Ärztegewerkschaft (Allianz der Ärzte) hatte bereits am Dienstag
       kritisiert, dass Nawalny [2][keine ausreichende medizinische Hilfe]
       erhalte. Außerdem würde er nachts jede Stunde vom Wachpersonal geweckt.
       Auch Schlafentzug gilt als Foltermethode. Die Vorsitzende der Allianz,
       Anastasia Wassiljewa, war nach Pokrow gereist, wurde aber von der
       Lagerleitung nicht zu Nawalny vorgelassen.
       
       Auch die Vorgesetzten des Strafvollzugs befanden sich angeblich nicht vor
       Ort. Mehrere Gewerkschaftsmitglieder und Journalisten wurden am Dienstag
       festgenommen, in einen Gefangenentransporter verfrachtet, jedoch später
       wieder freigelassen. Anastasia Wassiljewa ist Nawalnys Augenärztin. Sie
       hatte ihn behandelt, nachdem Rechtsradikale ihm im Frühjahr 2017 eine
       ätzende Tinktur in die Augen gegossen hatten.
       
       8 Apr 2021
       
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