# taz.de -- Sex Toys, die Union und Baerbock: Storno für den Womanizer
       
       > Wenn der Scanner spinnt, muss schamvoll an der Kasse reklamiert werden.
       > Macht nix – selbst ein gestandener CSUler musste kürzlich ausgescannt
       > werden.
       
 (IMG) Bild: Der Vibrator musste wieder ausgescannt werden
       
       Die Minderjährige, die zu meiner Infektionsgemeinschaft gehört, findet mich
       neuerdings sehr trödelig. Statt so wie früher im Handumdrehen mit
       Einkaufstaschen wieder in der Tür zu stehen, sodass sie kaum in Ruhe eine
       Folge „Friends“ anschauen kann, sei ich jetzt in zeitlichen Dimensionen
       unterwegs, die zu Hause eine Hungersnot auslösen. Ich stelle hierzu fest:
       Es stimmt.
       
       Im Laufe der Pandemie sind meine Streifzüge durch die mir verbliebene
       Einkaufswelt immer ausgedehnter geworden. Ich habe beispielsweise die
       Shopping-Paläste entdeckt, die so tun, als seien sie Supermärkte und
       deswegen immer für alle geöffnet sind. Es gibt tausenderlei Dinge zu
       entdecken, die man nicht braucht: Sportgeräte, Joggingschuhe, Bücher von
       Dirk Roßmann oder auch Müsli ohne Zucker.
       
       Das Beste ist aber der Einkaufswagen mit eigenem Scanner. Kein lästiges
       Auspacken mehr, bei dem alle sehen, wie viel Fertiggerichte oder Schokolade
       man so braucht. Piep und ab in die Tasche. Kein Preis zu sehen? Einfach
       scannen und danach wieder entfernen. Bei meinem Streifzug diese Woche habe
       ich Rouladennadeln und einen Zestenschneider ein- und wieder ausgescannt,
       um anschließend durch die ausladende Drogerieabteilung zu schlendern und
       erstaunt vor einem Regal mit [1][Sex Toys] zu stehen zu kommen.
       
       Ich wundere mich noch, denn es gehen ja auch Kinder mit zum Einkaufen. Was
       um alles in der Welt soll denn ein „Womanizer“ sein, ein pinkfarbenes
       Gerät, das entfernt an einen Rasierapparat erinnert? Und was kostet so ein
       Toy überhaupt? Piep und schon steht alles auf dem Display. 79 Euro werden
       für die „sanften Druckwellen mit Orgasmusgarantie“ verlangt. Haha, wer
       kauft denn so was. Ich entferne es. Nichts passiert.
       
       ## 237 Euro auf dem Display und Schweiß auf der Stirn
       
       Ich scanne noch mal. Entferne. Wieder nichts. Mir bricht der Schweiß aus.
       Hektisch versuche ich es ein letztes Mal. Inzwischen stehen 237 Euro auf
       dem Display. Piep und keine Null im Einkaufswagen. Kurz überlege ich, ob
       genug Geld auf dem Konto ist, um einfach drei Exemplare zu kaufen. Dann
       gehe ich aber doch zur Kasse und erkläre mich. Der Vorgesetzte wird
       gerufen, denn hier sei eine Kundin, die „aus Versehen“ mehrere Sex Toys
       eingescannt habe. Mir wird erklärt, dass man „manche Hygieneartikel“ nicht
       wieder entfernen könne, aber er würde es jetzt für mich tun. Ich möchte nie
       wieder ins Shopping-Paradies.
       
       Tröstlich ist, dass auch anderen Menschen Dinge „aus Versehen“ passieren.
       Die Minderjährige hinterlässt beispielsweise stets eine Spur der Verwüstung
       im Badezimmer, aber wirklich „aus Versehen“. Oder die CDU. Sie hat diese
       Woche aus Versehen diskutiert. Jeder wird verstehen, dass so etwas nach 16
       Jahren Angela Merkel keine einfache Aufgabe ist. Und so kam es, dass manche
       aus Versehen den bayrischen Ministerpräsidenten [2][Markus Söder] als
       Kanzlerkandidaten von der CSU unterstützt haben statt den eigenen Chef,
       Armin Laschet. Söder musste dann auch zur Kasse und sich darüber belehren
       lassen, dass es keine Rolle spielt, gefühlt „Kandidat der Herzen“ zu sein.
       Er musste ausgescannt werden.
       
       Die Grünen dagegen haben aus Versehen ein Remake aus dem Jahr 2017
       gesendet. Bei ihnen fährt jetzt der grüne Schulz-Zug, in den [3][Annalena
       Baerbock] eingestiegen ist. Wie Ex-SPD-Kanzlerkandidat Schulz macht auch
       sie fehlendes Charisma mit beliebig kombinierbaren Satzbauteilen wett, die
       die Grünen wirklich gerne hören. Und auch sie ist aus unerfindlichen
       Gründen in Umfragen plötzlich nach oben geschnellt. Schulz lag damals nach
       der Nominierung in Umfragen ebenfalls vor Merkel. Tausende traten in die
       SPD ein. Man spielte auf Sieg. Und siegte nicht.
       
       Es gibt natürlich auch Unterschiede. Zum Beispiel hatte Schulz anders als
       Baerbock schon mal regiert, wenn auch nur als Bürgermeister des
       40.000-Einwohner-Städtchens Würselen. Außerdem stand der SPD keine
       wirkliche Alternative zu Schulz zur Verfügung, während die Grünen Robert
       Habeck haben. Gerüchten zufolge steht der Spiegel-Journalist Markus
       Feldenkirchen („Die Schulz-Story. Ein Jahr zwischen Höhenflug und Absturz“)
       schon bereit, um Baerbock im Wahlkampf zu begleiten. Arbeitstitel: „Die
       Baerbock-Story. Ein Jahr zwischen Höhenflug und Absturz“.
       
       Unterdessen hat sich die Minderjährige Baerbocks Argumentationslinie zu
       eigen gemacht. Getreu dem Prinzip „Ich habe keine Erfahrung und stehe
       deshalb für Erneuerung“, beansprucht sie nun die Entscheidungshoheit über
       die Familienfinanzen und die Hausordnung. Zunächst einmal sollen neue
       Handys und ein 88-Zoll-Fernseher angeschafft werden. Der Esstisch kann weg,
       weil nur noch in halbliegender Position auf dem künftigen XXL-Sofa gegessen
       wird. Essen kommt von McDonald’s oder KFC. Ab und zu darf ich aber auch
       Lasagne zubereiten. Ich soll ein Taschengeld in Höhe von 40 Euro bekommen.
       Immerhin. Wenn ich zwei Monate spare, würde es für einen versehentlichen
       Kauf des „Womanizer“ reichen.
       
       24 Apr 2021
       
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