# taz.de -- Die Wahrheit: Höhnische Fußnoten des Hasses
       
       > In der digitalen Folterkammer des Humors: Zu Besuch bei einem Großmeister
       > der Niedertracht und Spezialisten für Emojis.
       
 (IMG) Bild: Das darf man doch wohl noch sagen: Gebackene Emojis mit Mundschutz sind ungenießbar
       
       „Die Zahl der Coronapatient:innen auf Deutschlands Intensivstationen
       ist wieder angestiegen“, ist auf der Facebook-Seite der „Tagesschau“ zu
       lesen. Von den 2.700 Reaktionen unter dem Beitrag sind rund fünfhundert
       Lach-Smileys. Fast ein Fünftel der Leute findet das also lustig.
       
       Und das ist heutzutage der normale Schnitt. War das Lach-Smiley anfangs
       noch ausschließlich Anerkennung für komische Beiträge, verschob sich seine
       Bedeutung mit der Zeit immer mehr hin zu einer Fußnote der feigen
       Gehässigkeit – ein einst freundliches Emoji macht Karriere als virtuelles
       Backstabbing. Spötter streuen die höhnischen kleinen Lachgesichter wie
       Kamellen bevorzugt unter Artikel über Genderthemen, Hassverbrechen und
       Ertrunkene im Mittelmeer.
       
       Doch wer sind eigentlich die Menschen hinter dieser passiv aggressiven
       Unsitte? Was denken sie, wie leben sie, und was bewegt sie? Um das
       herauszufinden, besuchen wir Michael Möller (53), der seine Lach-Emoticons
       bevorzugt auf Facebook verteilt. Denn dort geben oft Herren im
       schlechtesten Alter den Ton an, der daher weitaus rauer ist als zum
       Beispiel auf Instagram.
       
       Der selbständige Abdecker empfängt uns in seinem Nullfamilienhaus in
       Haßloch. Eigens für uns hat er sich in die traditionelle Niedertracht derer
       von Fiesling geworfen, einem in der Region beheimateten uralten
       Adelsgeschlecht. Durchtrieben grinsend erklärt er sich bereit, uns durch
       sein „kleines Reich“ zu führen.
       
       ## Grinsezeichen im Lachkeller
       
       Als erstes zeigt er uns den Lachkeller: die vollen Lachgastanks, eine
       kleine Folterkammer sowie den Computerraum mit einer ganzen Reihe
       eingeschalteter Laptops. Im Vorbeigehen setzt er rasch eine Handvoll der
       perfiden Grinsezeichen unter diverse Posts und Aufmacher. Man spürt, wie
       sehr hier jemand in seinem ureigensten Element ist: dem Hass in seiner
       hinterlistigsten Ausprägung, der Infamie.
       
       Am Ende besichtigen wir noch einen dunkelgrau gestrichenen Verschlag. „Mein
       ehemaliges Kinderzimmer.“ Seit Kindertagen scheint hier nichts verändert
       worden zu sein: Am Boden liegen zahlreiche Teddybären mit abgerissenen
       Köpfen, aus denen Sägespäne quellen; die Wände schmücken Klassenfotos, auf
       denen sämtlichen Mitschülern Hitlerbärtchen gemalt sind, Poster von toten
       Rockstars, alkoholkranken Ex-Fußballspielern und Pferden mit gebrochenen
       Beinen.
       
       Durch das vergitterte Fensterchen schimmert über einen schmalen Schacht
       kaum eine Ahnung von Tageslicht herein. Mit schiefem Lachen schwärmt unser
       Gastgeber von seiner „äußerst lustigen Kindheit“. Aha. Hier liegt also
       nicht der Grund für seine Bosheit.
       
       Zurück im Wohnzimmer im Erdgeschoss, kommen wir auf ein Bild auf dem
       Couchtisch zu sprechen: Es zeigt eine im Bett liegende alte Frau, daneben
       sitzen aus vollem Halse lachend zwei Männer, einer der beiden ist Michael
       Möller. „Das letzte Foto meiner Mutter“, erklärt er strahlend, „das bin ich
       zusammen mit meinem Bruder Dieter an ihrem Sterbebett.“ Eine weitere,
       schwarz gerahmte Aufnahme zeigt die Brüder feixend bei der Beerdigung.
       
       „Wir haben uns immer gut verstanden“, sagt Möller, und kurz meint man, den
       Schatten eines Bedauerns über seine verschlagene Miene huschen zu sehen.
       „Doch seit meinem Tränenlach-Smiley unter dem Post von seiner
       Beinamputation herrscht Funkstille.“ Er zuckt die Schultern, „spaßfreie
       Zone, da kann man nichts machen“, und bricht sodann in unverschämtes
       Wiehern aus.
       
       ## Goldenen Zeiten wegen Corona
       
       Die gute Laune ist verständlich, denn für Seinesgleichen sind jetzt goldene
       Zeiten angebrochen. „Corona ist natürlich ein Geschenk des Himmels.“
       Möllers boshaftes Grinsen schlägt nunmehr ins Hundsgemeine um. „Nichts
       polarisiert mehr, und nirgends ist es leichter, die Leute bis aufs Blut zu
       reizen.“
       
       Während er bei anderen Themen eher das Prinzip „Hit and Run“ bevorzugt, das
       heißt, er köttelt nur kurz sein Lach-Smiley in beleidigender Absicht unter
       den jeweiligen Beitrag, um sich anschließend kommentarlos ab- und dem
       nächsten Hass-Sujet zuzuwenden, kann er sich bei Covid-19 richtiggehend
       festbeißen: Lach-Smileys, Kommentare und wiederum Lach-Smileys unter die
       Gegenkommentare. „Mich da einzubringen, ist zur 24/7-Beschäftigung
       geworden.“
       
       Besonders abgesehen hat er es auf den SPD-Gesundheitsexperten Karl
       Lauterbach. Oder „Klabauterbach“, wie er ihn nennt. Hahaha. Lach-Smiley.
       Karl Klabauterbach. Unter jeden Artikel, in dem der Politiker auftaucht,
       setzt unser schadenfroher Freund gleich Dutzende Spott-Emojis. Nicht
       möglich? Doch natürlich, denn im Computerraum haut er die Troll-Accounts in
       Serie raus, wie Saruman die Orks in seinen unterirdischen Brutgruben.
       
       So sehen sie nämlich aus, die Waffen des kleinen Mannes im Einsatz gegen
       „Pandemiewahn“ und „Tugendterror“. Schließlich verfügt nicht jeder über die
       Position und Wortmacht, unser Land mithilfe von Leitartikeln in großen
       Schweizer Tageszeitungen von außen zu entzweien, zu destabilisieren und
       möglichst große Teile der Bevölkerung zu töten. Daher ist es wichtig, dass
       auch Ottonormalverhetzer wie Michael Möller mit ihren bescheidenen Mitteln
       von innen heraus dazu beitragen. Und sei es mit einem Lachen.
       
       21 Apr 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uli Hannemann
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Digitale Medien
 (DIR) Hass
 (DIR) Humor
 (DIR) Impfung
 (DIR) Fliege
 (DIR) Kolumne Die Wahrheit
 (DIR) Paare
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Gemüse
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Die Wahrheit: Krokodile mit Kinderstimmen
       
       Erschreckende Impfreaktionen werden momentan der Öffentlichkeit
       verschwiegen. Ein aufrüttelnder Report über die Folgen der Vakzine.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Rein, raus und fertig ist die Larve
       
       Es bleiben nur ganze 24 Stunden. Also: Carpe diem! Echte Erinnerungen einer
       Eintagsfliege von arg einfacher Herkunft und überaus viel Natur.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Die Blase dicht machen
       
       Eine letzte Bemerkung zu Schauspielern, die sich an Satire versuchen. Und
       zu jenen Übercheckern, die überhaupt immer alles ganz genau wissen.
       
 (DIR) Die Wahrheit: TV-Therapie mit TV-Therapeut
       
       Streaming gucken bis das gelangweilte Hirn rauscht. Über die momentan
       beliebteste verrückte Art der Pandemieüberwindung.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Die Aura der Geimpften
       
       Sobald das Vakzin erst im Blut ist, sind die Glücklichen schön, gottgleich,
       erhaben und gewähren allen anderen, ein Zipfelchen des Glücks zu berühren.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Unterfickte Nüsse beim Schweißen
       
       Die gute alte Damenwahl kehrt auf dem Gemüseweg zurück und regelt künftig
       wieder verlässlich die Fortpflanzung der Spezies Mensch.