# taz.de -- Corona-Management in den Ländern: Chaos auf allen Ebenen
       
       > Immer mehr Regionen überschreiten den kritischen Inzidenz-Wert von 100.
       > Trotzdem weigern sich die Verantwortlichen, die „Notbremse“ zu ziehen.
       
 (IMG) Bild: Offene Gartencenter trotz hoher Inzidenz-Werte in Brandenburg
       
       Berlin taz | In Hamburg ist es bereits so weit. Die Coronainzidenz in der
       Hansestadt lag am Mittwoch über der 100er-Grenze. Einen Tag zuvor hatte der
       Senat versichert, bei einem Überschreiten dieser Grenze an mehr als drei
       aufeinander folgenden Tagen werde die „Notbremse“ gezogen.
       
       Die jüngsten Lockerungen etwa im Einzelhandel oder bei den
       Kontaktbeschränkungen dürften am Wochenende also wieder zurückgenommen
       werden. Was beim letzten Bund-Länder-Treffen vereinbart war, gedenkt
       Hamburg auch konsequent umzusetzen. Andere Bundesländer und
       Parteikollegen sehen das aber offenbar anders.
       
       In Brandenburg etwa liegen vier Landkreise sowie die Stadt Cottbus bereits
       seit Tagen über der kritischen Marke von 100 Neuinfektionen pro 100.000
       Einwohner innerhalb einer Woche. Die höchste Inzidenz wird im Landkreis
       Elbe-Elster mit 198,4 verzeichnet. Ab diesem Wert sollten in den Regionen
       eigentlich Schutzmaßnahmen ergriffen werden.
       
       Doch die Landkreise widersetzen sich. Die Lockerungen bleiben bestehen –
       zum Ärger der Landesregierung im angrenzenden Berlin. „Es gibt gute Gründe
       dafür, dass wir uns [1][an der 100 orientieren]“, empört sich Berlins
       Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD). Er halte es für schwierig,
       wenn Ministerpräsidenten „einen eigenen Weg gehen“, sagte er dem
       Portal Watson.
       
       Doch sein Amtskollege und Parteifreund Dietmar Woidke weist die Kritik
       zurück. „Brandenburg geht keinen Sonderweg“, sagte Woidke im
       „ARD-Morgenmagazin“. In seinem Bundesland würden bloß zwei Regelungen
       gleichzeitig gelten: Auf Landesebene greife die Notbremse weiterhin ab
       einem Inzidenzwert von 100, auf kommunaler Ebene erst bei 200. Eine
       interessante Auslegung.
       
       Seit dem letzten Bund-Länder-Gipfel vor zwei Wochen, auf dem
       Bundesregierung und die Regierungschefs der Länder sich darauf einigten,
       bei einer Inzidenz zwischen 50 und 100 bereits Schulen und Geschäfte öffnen
       zu lassen, scheint jede Stadt, jeder Landkreis und jedes Bundesland die
       vereinbarten Regeln nach eigenem Ermessen auszulegen.
       
       So auch [2][in Nordrhein-Westfalen]: Dort lag die Inzidenz bereits zu
       Beginn der Woche in 14 der insgesamt 53 Städte und Landkreise über der
       Marke von 100, darunter Köln, Duisburg und Hagen. Trotzdem wolle man dort
       abwarten, ob der Wert in den nächsten Tagen stabil und signifikant über der
       Marke bleibe, heißt es nun.
       
       Zudem sei eine Abstimmung über etwaige Maßnahmen mit dem Land notwendig.
       Die Stadt Herne, mit einer Inzidenz von gar 171,9, teilte denn auch mit,
       dass es bei ihnen keine lokalen Einschränkungen des öffentlichen Lebens
       geben werde. Die gestiegenen Fallzahlen seien ohnehin im Wesentlichen auf
       Ausbrüche in der Behindertenhilfe zurückzuführen, das Infektionsgeschehen
       also „abgrenzbar“.
       
       Es sei schwer, die Regelungen zu erklären, wenn man sie selbst nicht mehr
       durchdringen könne, beklagen sich acht Bürgermeister im Erzgebirgskreis in
       Sachsen bei ihrem Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU). Ihre
       Schlussfolgerung aber lautet: eine generelle Abkehr von der Orientierung an
       Inzidenzzahlen.
       
       17 Mar 2021
       
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