# taz.de -- DFB-Elf und WM-Qualifikation: Der Glanz fehlt
       
       > Joachim Löw kann nach dem 1:0 über Rumänien auch mit Pflichtsiegen gut
       > leben. Ein Neun-Punkte-Start in die WM-Qualifikation ist möglich.
       
 (IMG) Bild: Jogi Löw an seinem Arbeitsplatz in Budapest, 28. März 2021
       
       Fußball-Nationalspieler sind in der Regel zu jung, als dass sich nach einer
       kurzen Nacht schon Ränder unter den Augen bilden. Aber strapaziös war es
       allemal, was die deutschen Kicker nach der nächsten Pflichterfüllung in der
       WM-Qualifikation – 1:0 gegen Rumänien – in der Nacht von Sonntag auf Montag
       auf sich nahmen.
       
       Bundestrainer Joachim Löw stand noch während der Übersetzung bei der
       digitalen Pressekonferenz in Bukarest auf, um keine Zeit zu vergeuden.
       Gegen 0.30 Uhr kutschierten zwei Busse das deutsche Team Richtung
       Flughafen. Der Charter landete gegen 4 Uhr in Köln/Bonn, dann ging es für
       die Delegation noch ins abgeriegelte Mannschaftshotel in Düsseldorf. Der
       Montag stand dann im Zeichen der Regeneration.
       
       Trotzdem sollten die Kräfte der DFB-Auswahl reichen, um gegen
       Nordmazedonien – dann wieder in Duisburg – den dritten Pflock auf dem Weg
       zur umstrittenen Wüsten-WM 2022 in Katar einzuschlagen. Ein [1][zweites
       Mal] adressierten die Nationalspieler nunmehr eine Trikot-Botschaft zur
       Einhaltung der Menschenrechte an die Öffentlichkeit: Diesmal plädierten
       Manuel Neuer und Co für die 30 Artikel in der Allgemeinen Erklärung der
       Vereinten Nationen.
       
       Es scheinen sich gerade die Wertekataloge rasant zu verschieben: Wie die
       Spieler die Arbeitsmigranten im Emirat für sich entdeckt haben und der
       Bundestrainer dieses Engagement auch begrüßt, ist er selbst plötzlich auf
       Arbeitssiege gar nicht mehr schlecht zu sprechen.
       
       ## Ästhetische Ansprüche sind gesunken
       
       „Ich bin überwiegend noch mehr zufrieden“, bekundete Löw. „Im Training und
       auf dem Platz ist viel Dynamik und Energie zu spüren, das war insgesamt
       noch besser als gegen Island.“ Würde sein Team nun auch gegen den
       Außenseiter Nordmazedonien reüssieren, dann hätte man „mit neun Punkten die
       richtige Richtung“ eingeschlagen. Generell lobte der 61-Jährige, „dass die
       Mannschaft ehrgeizig und willig ist“ und dass „intern ein guter Spirit“
       herrscht.
       
       Dass man sich „das Leben selbst schwer gemacht“ hatte, wie Torschütze Serge
       Gnabry erklärte, und es am Ende „eine kleine Zitterpartie“ wurde, wie Kai
       Havertz ergänzte, darüber ging Löw beinahe hinweg. Klar könne man
       kritisieren, dass man den Sack nicht früher zugemacht habe, aber: „Jetzt
       ist der Hunger groß, auch Richtung Turnier.“
       
       Zum Ende seiner Amtszeit muss er nicht mehr den Entwickler langfristiger
       Perspektiven geben, sondern kann den Pragmatiker herauskehren. Deshalb
       werden bei ihm auch die ästhetischen Ansprüche nicht mehr so hoch
       gewichtet. Unter diesen Aspekten ist Löws leicht gefärbte Analyse zu
       betrachten, in der er den Auftritt in einem von zwölf geplanten
       EM-Spielorten ausgesprochen positiv bewertete.
       
       Defizite gab es ja sehr wohl: Zum einen gelangen seinem gegenüber dem
       [2][Island-Spiel] unveränderten Ensemble in der ersten Halbzeit selten so
       ansehnliche Kombinationen wie beim 1:0, als Antonio Rüdiger einen langen
       Ball hinter die Abwehrkette schlug und Havertz und Gnabry im geschickten
       Zusammenspiel den Spielzug veredelten (16.). Zum anderen fiel die Löw-Elf
       im zweiten Durchgang mal wieder durch nachlässige Chancenauswertung auf,
       die sich in der EM-Gruppe mit Frankreich und Portugal fatal auswirken
       könnte.
       
       ## Letzter Willen in der Box
       
       Kapitän Neuer kritisierte denn auch: „Wir müssen früher den Deckel drauf-
       und einfach das dritte und vierte Tor machen.“ Der Torwart vermisste bei
       seinen Vorderleuten im Abschluss „Coolness und Cleverness“ und „den letzten
       Willen in der Box“. Gerade Leroy Sané versuchte sich mitunter an viel zu
       verspielten Lösungen und hätte in der Nachspielzeit mit einem schlimmen
       Rückpass fast noch den Ausgleich begünstigt. „Das wäre die Rache gewesen“,
       gab Joshua Kimmich zu, der sich mit einer für ihn ungewohnten Manndeckung
       konfrontiert sah.
       
       Löw schöpfte seine fünf Wechseloptionen nicht aus – und bei den
       Hereinnahmen von Florian Neuhaus und Amin Younes wartete er sogar bis in
       die Nachspielzeit. Es sei ihm wichtig gewesen, „sich einzuspielen“,
       erklärte Löw, der um ein Dreier-Mittelfeld ein neues Gerüst gebaut hat.
       
       Das 4-3-3-System scheint zudem am besten zu passen, um die offensiven
       Anlagen von Gnabry, Sané oder Havertz zu entfalten. Gegen Nordmazedonien
       soll in Löws letztem WM-Qualifikationsspiel „der eine oder andere frische
       Spieler“ eingebaut werden. Marc-André ter Stegen, Florian Neuhaus und Timo
       Werner können sich sicherlich die größten Hoffnungen machen.
       
       29 Mar 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Nationalelf-und-PR-Video/!5758123
 (DIR) [2] /Deutschlands-Sieg-ueber-Island/!5758564
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frank Hellmann
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Rumänien
 (DIR) Deutsche Fußball-Nationalmannschaft
 (DIR) Fußball-WM 2022
 (DIR) Schwerpunkt Fußball-EM 2024
 (DIR) Fußball und Politik
 (DIR) Kolumne Frühsport
 (DIR) Schwerpunkt Fußball-EM 2024
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Löw gibt EM-Kader bekannt: Abbruch vom Umbruch
       
       Bundestrainer Joachim Löw holt Thomas Müller und Mats Hummels zurück.
       Überraschender sind die Nominierungen von Christian Günter und Kevin
       Volland.
       
 (DIR) Nationalelf und PR-Video: „R? Ist nicht einfach“
       
       Mit einem Filmchen beweist der DFB: Die Menschenrechts-Aktion der
       Nationalelf diente nur dem Image. Die Debatte über WM-Boykott geht weiter.
       
 (DIR) Deutschlands Sieg über Island: Eine Überraschung namens 3:0
       
       Nichts ist noch normal im Weltfußball. Da sollte man auch nicht so tun, als
       sei ein Sieg über Island die Rückkehr zum Fußball-Alltag.
       
 (DIR) Nationalmannschaft in der Krise: Wenn der Kick fehlt
       
       Früher fieberten alle mit, wenn die Nationalmannschaft spielte, heute nicht
       mehr. Unser Autor hat das Team lange begleitet. Ein Rückblick.