# taz.de -- heute in bremen: „Der Umgang ist ganz feinfühlig“
       
       Interview Philipp Nöhr
       
       taz: Herr Gerhardt, welche Idee steckt hinter einer inklusiven
       Wohngemeinschaft? 
       
       Lars Gerhardt: Uns geht es um selbstbestimmtes, altersgerechtes und cooles
       Wohnen in einer WG. Viele Menschen mit Behinderung möchten mit anderen
       jungen Leuten zusammenwohnen – so wie andere junge Menschen auch, die von
       zu Hause ausziehen. Aber oft wohnen junge Menschen mit Behinderung in einem
       Heim, wo nebenan zum Beispiel ein 50-Jähriger wohnt oder wo es nur um
       Unterstützungsbedarfe geht. In einer inklusiven WG wohnen auch junge Leute
       ohne Behinderung, und da geht es natürlich auch viel um die alltäglichen
       Dinge, die in einer typischen Studenten-WG ebenso anstehen.
       
       Welche alltäglichen Dinge sind das ganz konkret? 
       
       Jeder Mitbewohner geht erst einmal seiner Beschäftigung nach – zum Beispiel
       in Werkstätten oder arbeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt. Die Studenten
       sind tagsüber meist in der Uni. Ab dem Nachmittag hat dann immer ein
       sogenanntes „Tandem“ Dienst, mit jeweils einem Menschen mit und ohne
       Behinderung. Die kümmern sich dann um Einkäufe oder die Abendplanung. Es
       ist auch wichtig, dass immer jemand da ist in der WG – ähnlich wie in einer
       Familie. Das gilt vor allem für die Menschen mit höherem
       Unterstützungsbedarf. Die Leute ohne Behinderung kümmern sich oft um
       alltägliche Dinge, welche die Menschen mit Behinderung nicht immer auf dem
       Schirm haben: Ist der Wecker richtig gestellt? Wann fährt der Bus ab?
       
       Das klingt nach einem gesunden Miteinander. Wie genau profitieren die
       Bewohner*innen von der inklusiven WG? 
       
       Die Leute wohnen einfach gerne miteinander, fühlen sich wohl und schließen
       neue Freundschaften. Man lebt hier einfach Inklusion und setzt sich mit
       anderen Sichtweisen auseinander. Wir haben eine wirklich schöne Atmosphäre
       in der WG, der Umgang ist ganz feinfühlig. Da haben wir auch das Gefühl,
       dass da neue Freundschaften entstehen, die über die gemeinsame Wohnzeit
       hinausgehen. Wir wollen, dass alle Mitbewohner Erlebnisse mitten aus der
       Gesellschaft bekommen – ihr Leben lang.
       
       Welche Voraussetzungen muss ich als Mitbewohner*in für eine inklusive
       WG mitbringen? 
       
       Man muss gerne mit anderen Menschen zusammenleben und sich einbringen
       wollen. Ob das passt, prüfen wir auch mit einem Probewohnen, für die
       Menschen mit und ohne Behinderung. Es ist auf jeden Fall nichts für
       Menschen, die einfach nur Miete sparen wollen. Man muss zueinander passen.
       Man sollte außerdem Deutsch sprechen, weil Fremdsprachen oft ausschließend
       sind für Menschen mit geistiger Behinderung. Für die Bewohner mit
       Behinderung beginnt der Prozess, dort einzuziehen, viel früher, das beginnt
       rund drei Jahre vor dem Einzug in Absprache mit Pädagogen.
       
       Für wen ist die heutige Veranstaltung konkret interessant? 
       
       Vor allem für junge Bremerinnen und Bremer mit geistiger Behinderung, die
       in den nächsten zwei bis sechs Jahren von zu Hause ausziehen oder sich
       wohnlich verändern wollen. Die Veranstaltung ist aber auch für alle Eltern
       interessant, die sich einfach informieren wollen, welche Wohnformen es für
       Menschen mit Behinderung gibt. Und natürlich ist das auch für Studenten
       hochgradig interessant – in den WGs wird immer mal wieder ein Platz frei.
       
       Info-Abend „Leben in einer inklusiven WG“, 18 Uhr, online, Anmeldung auf
       www.inklusive-wg-bremen.de
       
       26 Mar 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Philipp Nöhr
       
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