# taz.de -- Präsident Erdoğan feuert Zentralbankchef: Türkische Lira im freien Fall
       
       > Staatschef Erdoğan tauscht den Leiter der Zentralbank aus. Damit
       > verursacht er einen Sturz der Währung – und einen Anstieg der
       > Lebenshaltungskosten.
       
 (IMG) Bild: Auf dem Abwärtskurs: die Türkische Lira
       
       Istanbul taz | Schon in der Nacht von Sonntag auf Montag deutete sich das
       Desaster an. Die Wirtschaftsagentur Bloomberg berichtete, dass sich
       vorbörslich ein Absturz der [1][türkischen Lira] um rund 10 Prozent
       andeutet. Tatsächlich büßte die türkische Lira dann teilweise bis zu 15
       Prozent gegenüber dem Dollar ein. Alle Gewinne, die sie seit November hatte
       generieren können, waren auf einen Schlag dahin.
       
       Der Grund: Präsident Recep Tayyip Erdoğan feuerte Zentralbankchef Naci
       Agbal genauso überraschend, wie er ihn im November ernannt hatte. Laut der
       Nachrichtenagentur Reuters waren die Finanzmärkte weltweit geschockt. Denn
       gerade die Politik von Agbal hatte dazu geführt, dass die Lira eine lange
       anhaltende Talfahrt beendet. Agbals wichtigstes Mittel, um die Lira wieder
       zu stabilisieren, war die Anhebung des Leitzins. Nachdem er den Leitzins
       bereits kurz nach seiner Amtseinführung von 12 auf 17 Prozent – bei einer
       Inflationsrate von 15 Prozent – erhöht hatte, hob er den Zins Anfang März
       auf 19 Prozent an.
       
       Was internationale Investoren und Anleger freute und in den fünf Monaten,
       in denen Agbal amtierte, rund 20 Milliarden Dollar dringend benötigtes
       frisches Kapital ins Land gebracht hatte, brachte einen Teil der
       inländischen Unternehmen in Schwierigkeiten, weil sich für sie die Kredite
       verteuerten. Große Unternehmen, die viel Schulden in Dollar haben,
       profitierten von dem neuen Kurs, kleine Unternehmen die während der
       Pandemie sowieso in Schwierigkeiten waren, litten darunter, weil ihre
       Kredite teurer wurden.
       
       Jetzt hat sich bei Erdoğan wieder die Fraktion kleinerer Unternehmen aus
       dem Umfeld seiner Partei AKP durchgesetzt. Der neue Zentralbankchef Sahap
       Kavcioglu, ist ein international völlig unbekannter Mann, der aus den
       Reihen der staatlichen Halk-Bank kommt und zuletzt fünf Jahre für die AKP
       im Parlament gesessen hat. Er wird auf den internationalen Finanzmärkten
       kein Vertrauen schaffen können, zumal Erdoğan mit seiner Aktion erneut
       gezeigt hat, dass die Unabhängigkeit der Zentralbank nicht mehr existiert.
       
       Über die regierungsnahe Zeitung Yeni Safak hatte Kavcioglu Agbal scharf
       angegriffen und sich zu Erdoğans islamisch-grundierter Auffassung bekannt,
       dass Zinsen schädlich sind und möglichst niedrig sein sollten. Prompt hat
       er nun den Job bekommen. Die Konsequenzen kamen ebenso prompt: Für einen
       Dollar muss man wieder mehr als 8 Lira statt wie zuvor 7 Lira zahlen, und
       der Euro marschiert auf ein Verhältnis von 1 zu 10 zu. Damit werden die
       Lebenshaltungskosten in der Türkei wieder in die Höhe schnellen.
       
       22 Mar 2021
       
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