# taz.de -- die kinderfrage: Warum hören Erwachsene auf zu wachsen?
       
       Wir wollen von Kindern wissen, welche Fragen ihnen gerade unter den Nägeln
       brennen. Manche Anliegen sind fast philosophisch, andere konkret. Die Frage
       nach dem Wachstum kommt von Kilian, 11 Jahre. 
       
       Ich erinnere mich, wie ich als Kind an der Achterbahn stand und hoffte,
       groß genug zu sein, um mitfahren zu können. Irgendwann war das dann kein
       Thema mehr – weil ich noch gewachsen war. Als die Striche am Türrahmen auf
       1,75 Meter geklettert waren, habe ich meine „optimale Endlänge“ erreicht,
       wie Klemens Raile sagt. Er ist Endokrinologe und kennt sich mit Wachstum
       bei Kindern gut aus. „Eigentlich“, sagt er, „hört der Mensch auf zu
       wachsen, wenn er die Größe erreicht hat, mit der er gut in der Welt
       zurechtkommt.“ Denn schon immer habe sich die Größe der Menschen an die
       Umwelt angepasst, in der sie leben.
       
       Bevor der Mensch aufhört zu wachsen, durchläuft er verschiedene Phasen. Am
       schnellsten wächst ein Mensch in den letzten drei Monaten im Bauch der
       Mutter. „Säuglinge wachsen vor allem über die Nahrung“, erklärt Klemens
       Raile am Telefon.
       
       Vom ersten bis etwa zwölften Lebensjahr schieben dann drei Faktoren das
       Wachsen an: Das Wachstumshormon, das Hormon Insulin und die Ernährung. Erst
       nach der Pubertät ist man ausgewachsen. Allerdings fängt die bei allen ganz
       verschieden früh an und dauert nicht gleich lang. Kommt sie früh, ist man
       auch früher ausgewachsen.
       
       Manche Kinder, die spät in die Pubertät kommen, erleben sich als zu klein.
       Ihr Wachstum ist langsamer, weil der Schub, den die Pubertät bringt, später
       kommt. „Biologisch ist das gar nicht schlecht, weil der Körper dann später
       altert“, sagt Klemens Raile.
       
       Aber wie wächst man überhaupt? Um das zu verstehen, muss man sich die
       Knochen anschauen. Bei Babys sind diese weich, sind Knorpel, die beim
       Heranwachsen verknöchern. Wobei dieser Prozess immer auch von der Art des
       Knochens abhängt. Lange Knochen wie Oberschenkel oder Oberarme sind wie
       eine Röhre gebaut und haben einen Knorpelkern. An beiden Enden der Knochen
       gibt es eine Knorpelschicht, die man Wachstumsfuge nennt und die es
       ermöglicht, dass der Knochen in die Länge wächst. Diese Fugen verschließen
       sich am Ende der Pubertät. Damit hört das Wachstum auf.
       
       Kinder werden Erwachsene, wenn sie nicht mehr wachsen. Jeder in seinem
       Tempo. Und nach der genetischen Anlage, die er durch seine Vorfahren
       mitbringt.
       
       Eigentlich, sagt Klemens Raile lachend, hören Erwachsene auf zu wachsen,
       damit die Kinder sie einholen können. Lena Walbrunn
       
       20 Mar 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lena Walbrunn
       
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