# taz.de -- Rechtsradikale in der Ukraine: Solidarität mit Sergjy Sternenko
       
       > Eine Haftstrafe für einen Rechten bringt Tausende in Kiew und andernorts
       > auf die Straße. Nicht nur nationalistische Kreise lehnen das Urteil ab.
       
 (IMG) Bild: Demonstranten in Lviv am Dienstag
       
       Kiew taz | Geballte Wut: In der ukrainischen Hauptstadt Kiew ist es vor dem
       Sitz des Präsidenten am Dienstag Abend zu heftigen Zusammenstößen zwischen
       der Polizei und mehreren tausend Demonstranten gekommen. Dabei wurden fünf
       Demonstrierende und 27 Polizisten verletzt sowie 24 Personen vorübergehend
       festgenommen. Auch in anderen ukrainischen Städten gingen Menschen auf die
       Straße.
       
       Die Forderung der Demonstrierenden: Die Freilassung von Sergjy Sternenko.
       Am Dienstag Mittag hatte ein Gericht in Odessa den bekannten ukrainischen
       Rechtsradikalen und ehemaligen Chef des „Rechten Sektors“ von Odessa zu
       einer Haftstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt. Ein
       Mitstreiter von Sternenko, Ruslan Demtschuk, der ebenfalls Mitglied des
       „Rechten Sektors“ war, erhielt die gleiche Strafe.
       
       Hintergrund ist ein „Gespräch“, zu dem sich Sternenko und Demtschuk mit
       Sergiy Schtscherbitsch für den 24. April 2015 verabredet hatten.
       Schtscherbitsch, Aktivist des russlandfreundlichen Antimaidan und Mitglied
       der prorussischen Partei „Rodina“, war kurz zuvor zum Abgeordneten einer
       Bezirksversammlung in Odessa gewählt worden.
       
       Doch aus dem Gespräch, so das Gericht, wurde schnell eine Entführung.
       Plötzlich schalteten sich noch weitere Männer ein, die sofort gewalttätig
       wurden. Schtscherbitsch wurde von allen Insassen des Wagens misshandelt und
       mit einer Luftpistole beschossen. Anschließend hatten die Männer den
       Abgeordneten weitere fünf Stunden in einem Keller misshandelt.
       
       ## Verzicht aufs Mandat
       
       Mit ihrem brutalen Vorgehen wollten sie nach Auffassung des Gerichts
       Schtscherbitsch zum Verzicht auf sein Abgeordnetenmandat zwingen. Die
       Verteidigung will gegen das Urteil Berufung einlegen. So kritisiert einer
       der Anwälte von Sternenko, Masi Nayem, dass das Urteil einzig auf der
       Aussage von Schtscherbitsch fuße.
       
       Für den Gewerkschaftsaktivsten Wolodymyr Tschemeris ist das Urteil gegen
       den rechtsradikalen Sternenko „ein erster und sehr wichtiger Schritt. Dem
       Gericht, das sich nicht vor dem Druck, den Einschüchterungen und der Hetze
       der ´radikalen Zivilgesellschaft´ gefürchtet habe, gebühre Respekt, so
       Tschemeris auf seiner Facebook-Seite.
       
       Der Politologe Wolodymir Fessenko warnt die Protestierenden, die sich mit
       der Polizei vor dem Sitz des Präsidenten gewalttätige Auseinandersetzungen
       geliefert hatten, vor einem US-amerikanischen Szenario. „Als das Capitol am
       6. Januar gestürmt werden sollte, haben wir aufgerufen, die demokratischen
       Werte zu achten.“ Das, was sich jetzt „[1][sogenannte Aktivisten]“ vor dem
       Sitz des ukrainischen Präsidenten erlaubten, sei nicht hinnehmbar, so
       Fesenko.
       
       Doch die Ablehnung des Urteils ist groß. So haben sich Abgeordnete des
       Stadtrates von Lemberg an Präsident Wolodymir Selenski und die
       Generalstaatsanwältin mit der Forderung gewandt, ein objektives
       Berufungsverfahren zu garantieren.
       
       ## Ablehnung von unerwarteter Seite
       
       Auf Ablehnung trifft das Urteil auch von einer Seite, von der man es nicht
       erwartet hätte. Olena Hanich, Programmdirektorin der Gay Alliance, hat in
       ihrer Arbeit mit Mitgliedern der LGTB-Community viel Gewalt von
       Rechtsradikalen gegen Angehörige sexueller Minderheiten erfahren. Und diese
       Gewalt habe unter den Bedingungen von Corona noch zugenommen,sagte sie der
       taz.
       
       Sternenko habe die LGBT-Community immer abgelehnt, so Hanich, die selbst
       aus Odessa stammt. „Trotzdem sehe ich in dem Urteil gegen Sternenko eine
       Bedrohung von Aktivisten. Heute trifft es einen Aktivisten, morgen können
       andere an der Reihe sein“ so Hanich. „Mir macht dieses Urteil Angst“.
       
       Unterdessen könnte auf Sternenko noch eine weitere Haftstrafe zukommen.
       2018 hatte er einen Angreifer mit einem Messer getötet. Dies sei Notwehr
       gewesen, verteidigt Sternenko sein Handeln. Im Februar hatte Sternenko
       Aufsehen erregt, als er eine Liste von 177 Journalisten veröffentlicht
       hatte, die für die Sender ZIK, 112.ua und NewsOne gearbeitet haben sollen.
       
       Diese sind mittlerweile verboten. Zur Begründung sagte der ukrainische
       Kulturminister Alexander Tkatschenko, die Sender stellten „eine Bedrohung
       der nationalen Sicherheit der Ukraine im Informationssektor dar. „Sie sind
       nicht Masssenmedien, sondern Teil eines propagandistischen Krieges
       Russlands gegen die Ukraine“, zitiert das Nachrichtenportal Ukrainska
       Pravda den Minister.
       
       Für den kommenden Samstag rufen Gruppierungen [2][des nationalistischen
       Spektrums] zu einer Großdemonstration in Kiew auf.
       
       25 Feb 2021
       
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 (DIR) Bernhard Clasen
       
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