# taz.de -- Journalisten über Nil-Berichterstattung: „Nationalismen überwinden“
       
       > Das Netzwerk Info Nile ermutigt Journalisten entlang des Nils,
       > zusammenzuarbeiten. Die Probleme mit Wasser überschneiden sich in den
       > Ländern.
       
 (IMG) Bild: Alle Menschen entlang des Nils sollen sein Wasser genießen können, wie hier in Khartoum, Sudan
       
       taz: Sie vernetzen Journalisten aus den Staaten des Nilbeckens. Wie kamen
       Sie auf die Idee? 
       
       Fredrick Mugira: Wir haben das Netzwerk Water Journalists Africa 2011 in
       Südafrika gegründet, als Umweltjournalisten des ganzen Kontinents zu einer
       UN-Konferenz eingeladen waren. Wir mussten feststellen, dass es eine Lücke
       gibt zwischen Wissenschaftlern und Journalisten in Bezug auf den Nil und
       die [1][Debatte um die Staudämme]. Die Journalisten hatten nicht das nötige
       wissenschaftliche Hintergrundwissen, [2][die Wissenschaftler] vertrauten
       den Journalisten nicht. So kam die Idee auf, entlang des Nils Journalisten
       und Wissenschaftler zusammen zu bringen, um eine gute Berichterstattung
       über die Nil-Konflikte zu gewährleisten. Daraus ist dann das Projekt Info
       Nile entstanden.
       
       Annika McGinnis: Info Nile ist ein Netzwerk aus rund 400 Journalisten aus
       elf Nil-Anrainer-Staaten. Wir versuchen, komplexe Zusammenhänge zu
       visualisieren, oft mittels Datenjournalismus. Aus Erfahrung wissen wir,
       dass in den Redaktionen Wissenschafts- und Umweltjournalismus kein
       Schwerpunkt ist. Er bringt nicht viel Geld ein, denn der Nil und dessen
       Probleme sind nicht sexy, sondern ein komplexes Thema, das Journalisten
       viel Wissen und Recherche abverlangt.
       
       Wie bekommt man das Thema Wasser und Nil in die Medien? 
       
       McGinnis: Um das Thema sachgerecht zu bearbeiten, muss man vor Ort sein und
       mit Menschen sprechen. Deswegen statten wir die Journalisten mit Stipendien
       aus, um Recherchereisen zu unternehmen. Schwerpunkte sind
       [3][Überschwemmungen], [4][Dürre], Artenvielfalt, Bewässerung,
       Verschmutzungen durch die Ölproduktion im Sudan und Südsudan oder auch
       Landraub durch Investoren, um Zugang zu Wasser zu erhalten. Wir betreuen
       die Journalisten während ihrer Recherche, und die IT-Organisation [5][Code
       for Africa] hilft uns bei der Visualisierung komplexer Daten in Grafiken
       für unsere Internetseite.
       
       Wie finanziert ihr euch? 
       
       Mugira: In Afrika gibt es für uns Journalisten sehr viele
       Herausforderungen, um aufwendige Recherchen finanziert zu bekommen. Die
       Medienhäuser haben dafür kein Geld oder sehen darin nicht die Priorität.
       Die meisten Reporter sind zudem Freie, die nur für ihr Ergebnis bezahlt
       werden, aber für Recherche ihr eigenes Geld investieren müssen. Deswegen
       bewirbt sich Water Journalists Africa als Plattform bei Geldgebern weltweit
       wie dem Pulitzer Center in den USA oder der National Geografic Society.
       Bislang konnten wir knapp 100 Journalisten, die sich mit einem konkreten
       Vorhaben bei uns beworben haben, mit Recherchestipendien ausstatten. Ohne
       dieses Geld wären sie alle nicht in der Lage gewesen, ihre Geschichten über
       den Nil zu produzieren.
       
       Worin bestehen die Herausforderungen, eine gute Berichterstattung über den
       Nil zu gewährleisten? 
       
       Mugira: Das größte Problem am Anfang war, die nationalistischen
       Einstellungen einiger Journalisten und Redaktionen zu überwinden. Die
       meisten sehen das Nil-Problem immer nur aus ihrem eigenen, nationalen
       Interesse heraus. Unsere Strategie ist es, mehrere Journalisten
       grenzübergreifend an einem Thema zusammen arbeiten zu lassen, denn meistens
       gibt es überall dieselben Probleme. Bei unserem jüngsten Projekt
       beispielsweise haben acht Journalisten aus verschiedenen Ländern entlang
       des Nils gemeinsam recherchiert, wie ausländische Investoren Land
       aufkaufen, um Zugang zu Wasser zu erhalten. Das fördert Vertrauen zwischen
       den Journalisten und hilft ihnen, die unterschiedlichen Perspektiven zu
       verstehen.
       
       McGinnis: Die meisten Medienhäuser sind regierungsnah oder gehören sogar
       dem Staat. Eine nicht-nationalistische Haltung ist für Journalisten
       mitunter riskant. Bei unserer jüngsten Recherche zu Landraub bekam unser
       Reporter in Südsudan Probleme, denn er arbeitet für eine Regierungszeitung
       und konnte diese regierungskritische Geschichte dort zuerst nicht
       veröffentlichen. Wir haben dann den Text überarbeitet und die kritischen
       Aspekte weiter nach hinten gepackt.
       
       Wie gehen die Journalisten mit diesem Problem um? 
       
       Mugira: In manchen Ländern ist das Thema Nil eine Angelegenheit der
       nationalen Sicherheit. Man kann dazu nicht einfach mal jemanden von der
       Regierung interviewen, man muss viele bürokratische Hürden nehmen. Viele
       haben Angst, sich dazu zu äußern. Jüngst haben wir ein Webinar organisiert
       zum neuen Staudamm in Äthiopien. Wir konnten kaum Experten finden, die dazu
       Fragen beantworten wollten. Journalisten fürchteten sich und zensierten
       sich selbst. Wir haben Wissenschaftler zum Webinar eingeladen, doch diese
       wurden danach von Geheimdiensten in ihren Ländern befragt. All dies führt
       zu einer Selbstzensur.
       
       Wie geht ihr damit um? 
       
       McGinnnis: Wir versuchen, so ausbalanciert wie möglich zu berichten und vor
       allem nur reine Fakten zusammenzutragen, also keine Meinungen. Und wir
       geben jedem immer die Chance, auf kritische Fakten zu antworten, so dass
       alle Seiten zu Wort kommen.
       
       Mugira: Und wir bieten unseren Journalisten alternative Plattformen an, um
       ihre Geschichten außerhalb ihrer Länder auf unserer Webseite zu
       veröffentlichen. In den meisten Ländern haben wir Koordinatoren angeheuert,
       die einerseits die lokale Sprache sprechen und andererseits fließend
       Englisch können. Sie übersetzen die Artikel dann beispielsweise vom
       Arabischen oder Amharischen ins Englische und umgekehrt. So können wir neue
       Leserkreise finden.
       
       Finden nun mehr Recherchen zu Wasser in die Medien statt? 
       
       Mugira: In den vergangenen zehn Jahren waren Berichte rund um Wasser noch
       selten und wenn, dann niemals auf der Titelseite. Es gab keine Analysen,
       keine investigativen Geschichten. Doch das ändert sich jetzt durch die
       Folgen des Klimawandels, den die Bauern direkt spüren. Sie verlangen nun
       nach solchen Geschichten, auch über Wetter und dessen Folgen.
       
       McGinnis: Wir wollen bald untersuchen, welchen Einfluss unsere Recherchen
       haben. Wir versuchen stets lösungsorientierte Berichte zu produzieren,
       damit die Menschen voneinander lernen können. Zum Beispiel haben wir aus
       verschiedenen Ländern berichtet, wie Gemeinden Bäume pflanzen, um
       Bodenerosion zu stoppen.
       
       Hat die Coronapandemie dazu geführt, dass Menschen Wasser als Voraussetzung
       für Hygiene als wichtiger empfinden? 
       
       Mugira: Auf jeden Fall. Unsere jüngsten Stipendien drehten sich um Zugang
       zu Wasser im Zusammenhang mit Covid-19. Viele Gemeinden haben mehr Probleme
       als nur Corona, aber es war ein Weckruf für viele Regierungen, sich mit
       Wasserproblemen zu beschäftigen.
       
       McGinnis: Wir sehen auch, dass Fluten und Überschwemmungen entlang des Nils
       die Probleme verstärken. Viele Menschen wurden durch den hohen Wasserstand
       vertrieben, Schmutzwasser fördert Krankheiten. Gleichzeitig sind die
       Krankenhäuser mit Coronapatienten ausgelastet. Wir sehen hier einen
       positiven Effekt: Recherchen über Wasser bekommen durch die aktuelle Krise
       eine neue Aufmerksamkeit.
       
       28 Feb 2021
       
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