# taz.de -- Rekord von Tennisprofi Novak Đoković: Der ewig Ungeliebte
       
       > Seit dieser Woche ist Novak Đoković Rekordhalter an der Spitze der
       > Tennis-Weltrangliste. Anders als Federer und Nadal hat er nur wenige
       > Fans. Warum?
       
 (IMG) Bild: Kämpfertyp: Novak Đoković im Finale der Australian Open
       
       Er hat es vollbracht. Eher so nebenbei hat Tennisspieler Novak Đoković
       einen weiteren Rekord seines großen Kontrahenten Roger Federer
       pulverisiert. Und keinen unbedeutenden. Insgesamt 311 Wochen war er nun
       während seiner Karriere an der Spitze der Weltrangliste im Herrentennis. So
       lange wie niemand vor ihm in diesem Sport und nunmehr eine Woche länger als
       Federer.
       
       Um den Rekord nun durchaus fortan Woche für Woche weiter ausbauen zu
       können. Denn wer sollte den Dominator schon so schnell von der Spitze
       vertreiben? [1][Der Abstand zum Zweitplatzierten Rafael Nadal] ist, was
       Weltranglistenpunkte betrifft, beträchtlich. Und Federer? Der ist
       dauerverletzt. Und auch wenn er gezeigt hat, dass man noch in einem Alter
       ordentlich den Ball treffen kann, in dem man normalerweise längst die
       wohlverdiente Tennisspielerrente genießt: Mit fast 40 Jahren wird er es
       wohl kaum noch einmal ganz nach vorne schaffen.
       
       Auch mit seinen 18 Grand-Slam-Titeln ist Đoković nicht mehr weit davon
       entfernt, mit den jeweils 20 Erfolgen bei Major-Turnieren gleichzuziehen,
       die Federer und Nadal vorweisen können. Der 33-Jährige könnte sich also
       bald mit Fug und Recht zum größten männlichen Tennisspieler aller Zeiten
       ausrufen lassen. Und doch hat man das Gefühl, diese Ehrung wird ihm
       zumindest von einem großen Teil der Tennisfans verwehrt werden. Denn er hat
       es zwar geschafft, mit seinem aggressiven Kontertennis zu einem ewigen
       Giganten seiner Zunft zu werden, und das in einer Ära, in der er sich mit
       den beiden anderen Besten aller Zeiten, nämlich Federer und Nadal, messen
       musste.
       
       Aber mehr als Anerkennung, ganz zu schweigen von so etwas wie Liebe seitens
       der globalen Tennisgemeinde, hat er sich dabei nicht erspielen können.
       Außer in seiner Heimat Serbien, wo er als Volksheld gefeiert wird. Und wo
       man die latente Ablehnung ihres Sportstars inzwischen als typische Arroganz
       des Westens begreift, der immer noch etwas von oben herab auf Vertreter aus
       Ländern des ehemaligen Ostblocks blicke. Genau in diese Kerbe hauend hatten
       sich zuletzt auch beide Elternteile Đokovićs geäußert, Sticheleien gegen
       den internationalen Branchenliebling Federer inklusive.
       
       ## Stigma des unfairen Spielers
       
       Doch woher kommt diese Ignoranz gegenüber Đoković, die in den letzten
       Jahren eher zugenommen hat? Inzwischen hat man das Gefühl, der ewig
       Ungeliebte, der nach gewonnenen Spielen so gern Herzchen in den
       Tenniscourt-Sand zeichnet, steht unter ständiger Beobachtung, und alles,
       was er so auf oder neben dem Platz anstellt, kann jederzeit gegen ihn
       verwendet werden. Zuletzt, bei seinem Triumph bei den Australian Open, hieß
       es etwa nicht zum ersten Mal: Đoković sei ein Schauspieler. Ein Vortäuscher
       von Verletzungen, um den Gegner zu verunsichern, letztlich ein unfairer
       Spieler. In seinem Drittrundenmatch gegen den US-Amerikaner Taylor Fritz
       klagte er über eine Bauchmuskelverletzung und ließ den Physiotherapeuten
       kommen. Danach spielte er weiter, als sei nichts gewesen, und gewann das
       umkämpfte Match.
       
       Alles nur ein Psychotrick also? Und wenn schon, könnte man eigentlich
       meinen, in einem Sport, in dem das Buch „Winning Ugly“ von Brad Gilbert als
       Klassiker der Taktikliteratur gilt. Und in dem erklärt wird, dass in einem
       Psychosport wie Tennis oft der gewinnt, der psychomäßig ein Quäntchen mehr
       zu bieten hat als der Gegner. Wozu auch, so Gilbert, ein paar
       Taschenspielertricks gehörten.
       
       Natürlich gibt es auch ein paar wirklich dubiose Geschichten, mit denen
       Đoković seine Beliebtheitswerte nicht unbedingt gesteigert hat. Da wäre
       etwa sein Esoterik-Spleen und dieser bizarre Guru, dem er lange vertraute
       und das vielleicht immer noch tut, so genau weiß man das gerade nicht. Vor
       Kurzem gab er an, er glaube gar daran, dass man „durch energetische
       Transformationen“ und „die Kraft von Gebeten“ schmutziges in sauberes
       Wasser verwandeln könne. [2][Und es gab die von ihm organisierte Adria-Tour
       letztes Jahr], ein Turnier, bei dem kaum auf die Einhaltung von
       Coronaregeln geachtet wurde und bei dem er sich selbst eine Erkrankung
       durch das Virus einholte. Sogar vom anerkannten Bad Boy des Tennis, Nick
       Kyrgios, musste er sich danach anhören lassen, er sei ein „Idiot“. Bei den
       letzten US Open schaffte er es zudem, disqualifiziert zu werden. Nach einem
       verlorenen Punkt traf er eine Linienrichterin mit einem im Frust
       geschlagenen Ball.
       
       Aber ist das wirklich alles so schlimm? Macht das Đoković nicht eigentlich
       zu einem interessanteren, weil unberechenbaren Typen als die beiden ewig
       braven, völlig skandalfrei lebenden Federer und Nadal? Spätestens seit John
       McEnroe gehören ja glücklicherweise auch die etwas polarisierenderen
       Spieler mit zum sogenannten weißen Sport, und man sollte eigentlich froh
       sein, dass sich in diesem nicht nur langweilige Mustersportler tummeln.
       
       Boris Becker, eine Zeit lang Trainer von Đoković, erklärte die Missgunst
       gegenüber seinem ehemaligen Schützling einmal so: „Novak kam zu einer
       Party, welche die Roger-und-Rafa-Party war – und er wurde zum
       Spielverderber.“ Das trifft es ganz gut. Denn eben: Wer liebt schon
       Spielverderber?
       
       11 Mar 2021
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) Andreas Hartmann
       
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