# taz.de -- Die Ems ist tot, es lebe die Ems
       
       > Geht es nach dem „Masterplan Ems 2050“, soll der tote Fluss eigentlich
       > erst in 25 Jahren saniert sein. Aber schon jetzt ziehen die Initiatoren
       > für eine „positive Zwischenbilanz“
       
 (IMG) Bild: Die Ursache allen Übels: Kreuzfahrtschiff in der Ems
       
       Von Thomas Schumacher
       
       Die Ems erstickt an zu viel Schlick. Als quasi letzte Chance soll der
       „Masterplan Ems 2050“ den Fluss retten und ihr endlich wieder Sauerstoff
       einhauchen. Daran arbeitet eine ganze Reihe von Akteur*innen mit: Das
       Land Niedersachsen, die Kommunen und Gemeinden, die an den Fluss grenzen,
       die zuständigen Schifffahrtsbehörden, die Papenburger Meyer-Werft, aber
       auch die Umweltverbände WWF, BUND und Nabu. Und sie alle haben etwas
       gemeinsam: Obwohl erst ab 2025 einzelne Maßnahmen auch tatsächlich
       umgesetzt sein müssen, ziehen die Masterplaner*innen schon jetzt eine
       positive „Zwischenbilanz“. Doch daran kann man Zweifel haben. Denn über das
       Anfangsstadium ist der Masterplan noch gar nicht hinaus.
       
       „Die Naturschutzverbände wollten auf einem Online-Workshop mit allen
       Beteiligten kommunizieren, ob der Masterplan auf einem gutem Weg ist“, sagt
       Philip Foth, Sprecher des Nabu Niedersachsen. „Er fügt hinzu: „Viele
       Maßnahmen sind noch in der Planung.“ Olaf Lies, SPD Umweltminister in
       Niedersachsen, weiß aber schon jetzt: „Dieser Masterplan ist ein
       notwendiger und richtiger Schritt, und wir werden ihn auch gemeinsam zum
       Erfolg bringen.“
       
       Der Masterplan enthält eine Menge lebensspendender Maßnahmen für die Ems:
       sogenannte Tidepolder, in die der Fluss bei Flut verschlicktes Wasser
       einschlemmen kann, die Renaturierung der Flussufer und eine Steuerung der
       schlickigen Wassermassen durch zusätzliche Stauungen des Emssperrwerkes bei
       Gandersum. Gerade diese Stauungen könnten erfolgreich sein, meinen die
       Naturschutzverbände nach aktuellen Tests.
       
       Dem widerspricht die Bürgerinitiative „Rettet die Ems“: „Wenn weniger
       Schlick in die Ems gelangen soll, muss der Fluss kontinuierlich aufgestaut
       werden“, sagt Ekkehard Stammwitz von der Initiative. Insgesamt müsste
       innerhalb von 24 Stunden mindestens für acht Stunden gestaut werden, meint
       Stammwitz. Das sei rechtlich nicht möglich. Denn die Ems ist eine
       Bundeswasserstraße und muss laut Schifffahrtsbehörden jederzeit offen
       gehalten werden.
       
       Um bestehende Schäden und Eingriffe in die Natur auszugleichen, verlangt
       der Masterplan zudem nach neuen Schutzgebieten. BUND, Nabu und WWF sind in
       ihrer Zwischenbilanz stolz darauf, das schon jetzt das Soll für den Ankauf
       neuer Schutzflächen für den Wiesenvogelschutz überschritten ist. Fische
       könnten wieder die Seitengewässer der Ems erreichen. Auch würden nun
       Planungen bei der Uferrenaturierung konkret.
       
       Nur: Viele Schäden und Baumaßnahmen, die Kiebitz, Uferschnepfe, Rotschenkel
       und den Großen Brachvogel vertreiben, liegen im Landkreis Leer. Die jetzt
       neu gekauften Schutzräume befinden sich aber im Landkreis Emsland. Das
       freut nun zwar die Landwirt*innen in Leer, die weniger Grünland für neue
       Ausgleichsflächen verlieren, die Kollegen im Emsland seien jedoch sauer,
       heißt es aus dem Landwirtschaftlichen Hauptverband.
       
       Was für die Natur viel relevanter ist, es bringt auch Probleme für den
       Vogelschutz mit sich. Die Naturschutzverbände hatten auf gute Bruterfolge
       in den alten, schon bestehenden Vogelschutzgebieten gehofft. „Dann hätten
       sich die Jungvögel neue Reviere suchen müssen“, sagt Nabu-Sprecher Philip
       Roth. Doch es gab nicht so viele Jungvögel wie erhofft und somit auch keine
       neuen Bewohner für die zusätzlich geschaffenen Gebiete im Emsland.
       
       Freiwillig wurde der Masterplan von den Akteur*innen nicht aufgesetzt.
       Weil die Bundesrepublik ihre Ästuare – also Flussmündungen – zu wenig
       schützte, drohte die EU 2009 mit einem Strafverfahren. Die Folge wären
       horrende Strafgelder gewesen. Wie den Hasen aus dem Zylinder zauberten die
       Behörden daraufhin den Masterplan hervor. Die EU interessierte nicht der
       Inhalt des Plans, nur seine pure Existenz, sie setzte das Strafverfahren
       aus.
       
       Dabei war von Beginn an klar, dass der Plan die Ursache des Emstodes nicht
       angehen würde. Jahrzehntelang wurde die Ems begradigt und ausgebaggert, um
       die Riesenpötte der Meyer-Werft von Papenburg in die Nordsee zu fädeln.
       Jährliche Kosten der Baggerei: über 40 Millionen Euro aus Steuermitteln.
       
       Die Naturschutzverbände BUND, WWF und Nabu klagten in den 90er-Jahren mit
       großem Rückhalt ihrer Basis aus der Region gegen die Vertiefungen. Die
       gemeinsame Forderung aller Umweltaktivist*innen und der Grünen im
       Landtag war damals: Kreuzfahrtschiffbauer Meyer solle nach Emden ans tiefe
       Wasser verlegt werden. Der Fluss hätte dann zur Ruhe kommen können.
       
       Dann jedoch machten die Naturschutzverbände einen Deal mit der Werft: Meyer
       verzichtete auf den Bau größerer Schiffe, die Verbände zogen ihre Klagen
       zurück. Regionale Umweltaktivist*innen waren erbost. Denn Meyer baute
       sofort noch größere Luxusdampfer. Jetzt forderte die Werft ein Sperrwerk,
       um den Fluss für ihre Schiffsüberführungen stauen zu können. 1998 wurde es
       genehmigt, seit 2002 ist es in Betrieb.
       
       Nachdem zur Überführung des 317-Meter langen Kreuzfahrtschiffs „Celebrity
       Equinox“ im Jahr 2009 die Ems sogar während der Brutzeit gestaut wurde,
       ersoffen Hunderte Jungvögel. Wieder dealten die Naturschutzverbände zum
       Entsetzen ihrer Leute vor Ort mit der Werft.
       
       Die versprach, während der Brutzeit nicht mehr zu stauen und die Sanierung
       der Ems mitzufinanzieren. Die Verbände verzichteten dafür für 30 Jahre auf
       Klagen gegen die Werft. Erst die EU Strafandrohung setzte dann neue
       Energien frei: Es entstand der Masterplan.
       
       Ob die Ems ihren Tod bis 2050 hinauszögert, ist derzeit nicht absehbar.
       
       19 Feb 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Schumacher
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA