# taz.de -- Nachwuchsfilmpreis-Träger: "Das Preisgeld stecke ich in mich"
       
       > Am Dienstag wird in Berlin zum elften Mal der wichtigste deutsche
       > Nachwuchsfilmpreis verliehen. Fünf Preisträger aus zehn Jahren First
       > Steps über ihr Leben.
       
 (IMG) Bild: "Erstmal war ein halbes Jahr gar nicht so viel los": Niko Apel.
       
       Was ist seit der Auszeichnung passiert? 
       
       Lukas Schmid: Eine ganze Menge. Ich durfte mich über sehr viele Jobangebote
       freuen. Ich weiß nicht genau, inwieweit das mit First Steps zusammenhängt,
       aber ich musste nicht die Dürrejahre überstehen, die uns an der
       Filmhochschule prophezeit wurden. Gleich nach First Steps durfte ich zwei
       Dokuserien machen für Arte, zunächst als Kameramann über das
       Bundeskanzleramt und dann als Coregisseur über das Internat Salem. Seitdem
       habe ich knapp 15 Filme gedreht, unterschiedlichster Couleur,
       Serienformate, Kinoformate, als Kameramann oder als Regisseur. Bei
       "Intimitäten" hatte ich beides gemacht und konnte so zeigen, dass ich -
       ohne mich selbst zu sehr loben zu wollen - nicht nur einen Film herstellen
       kann, sondern auch die richtigen Bilder dafür finde. Mein eigenen Filme,
       die ich zwischendurch immer wieder gemacht habe, waren immer reine
       Kamerafilme, die ich dann durch die Montage versucht habe, mit Subtext zu
       versehen. Primär aber habe ich Angebote angenommen, wo ich ins gemachte
       Bett hüpfen durfte. Das ist ökonomisch sehr angenehm, weil du so drei Filme
       im Jahr machen kannst und nebenher immer noch Zeit hast, deine eigenen
       Projekte zu pflegen.
       
       Florian Schwarz: Ich habe mich danach wild in diverse Projekte gestürzt.
       Mein Stammautor Michael Proehl und ich bekamen nach "Katze im Sack" vom HR
       gleich die Chance, einen Geisterfilm für den Mittwochabend zu machen.
       Außerdem haben wir noch zwei "Tatorte" gedreht, wieder für den HR. Und ich
       habe mich auch noch im Serienbereich ausprobiert, habe drei Folgen "R.I.S.
       - Die Sprache der Toten" für Sat.1 inszeniert. Ich hatte nie diesen heeren
       Kunstfilmerethos, sondern wollte immer nur machen, was ich selbst gern
       gucke. Meine Filmographie soll so vielseitig wie möglich sein. Bei "R.I.S."
       konnte ich auch mal Actionszenen inszenieren oder solche mit fünf, sechs,
       sieben Leuten in einem Raum und musste jeden Tag sechs Sendeminuten
       abliefern. Das war eine große handwerkliche Herausforderung, meine
       eigentliche Filmhochschule.
       
       Michael Dreher: Zunächst mal habe ich den Film noch bis Sommer 2007 auf
       Festivals gezeigt, etwa in Hof, Clermont-Ferrand, Aspen und Los Angeles.
       Dann wurde ich für eine Auftragsarbeit über die Ermordung von Benno
       Ohnesorg 1967 engagiert, deren Finanzierung dann aber nicht geklappt hat.
       Trotzdem war es eine gute Erfahrung, weil ich bei diesem Projekt entgegen
       meiner sonstigen Arbeitsweise mit einem fremden Autor zusammengearbeitet
       habe. Im Frühjahr 2008 habe ich mich dann dazu entschlossen, "Die zwei
       Leben des Daniel Shore" zu machen, der relativ schnell finanziert wurde.
       Das Budget war ja auch viel niedriger - 1,3 statt 4 Millionen Euro bei dem
       Benno-Ohnesorg-Projekt. Weil der Druck deswegen nicht so hoch war, konnte
       ich mich ganz auf die künstlerische Arbeit konzentrieren. Auch die Förderer
       und die beteiligten Fernsehsender schenkten mir viel Vertrauen, nach dem
       Motto: Das ist zwar ein bisschen wild, was der da vorhat - "Daniel Shore"
       spielt auf zwei Zeitebenen, die sich am Ende vermischen -, aber der soll
       das jetzt mal machen.
       
       Sonja Heiss: Ich habe ein Kind bekommen, meine Tochter June, das ist
       natürlich kontraproduktiv, wenn man gerade den First Steps gewonnen hat,
       aber wundervoll. Gerade schreibe ich an meinem nächsten Film, drehe
       manchmal Werbung und schreibe an einem Erzählband, zehn Geschichten über
       die Schwierigkeiten des Lebens und der Liebe, absurde Träume und das
       schlechte Gewissen. Mir wurden nach First Steps einige Filme angeboten, die
       ich aber abgelehnt habe. Wenn man es gewohnt ist, selbst zu schreiben, hat
       man wohl eine extrem klare Vision davon, wie etwas sein soll. Und ich denke
       immer: Jetzt muss ich erstmal noch einen Film machen, wie ich ihn immer
       machen wollte. Jeder Film bedeutet ja ein paar Jahre Lebenszeit. "Hotel
       Very Welcome" hat vier gedauert.
       
       Niko Apel: Gerade habe ich "Von Kindern" fertig gestellt, einen 80-Minüter,
       eine Koproduktion mit dem Kleinen Fernsehspiel vom ZDF. Einen Verleih haben
       wir noch nicht, jetzt schicken wir ihn erstmal an Festivals und gucken, was
       damit passiert. Es ist ein Dokumentarflm über drei Kinder zwischen neun und
       zwölf Jahren, die einen Dokumentarfilm drehen. Ich habe mit ihnen zusammen
       die Themen entwickelt und sie beim Dreh begleitet. Im Film vermische ich
       Ausschnitte der Kinderfilme mit meinen Beobachtungen. Um Kinder zu finden,
       die besonders genug waren für dieses Projekt, die das durchzuhalten in der
       Lage schienen, habe ich während eines halben Jahres Dokumentarfilmworkshops
       an Kinder- und Jugendzentren im Raum Frankfurt gegeben - Kurse wie die, an
       denen ich als Kind selbst teilgenommen habe. Mich hat die kindliche Sicht
       auf die Welt interessiert - nicht das Visuelle, sondern das, was dahinter
       steckt.
       
       Was haben Sie First Steps zu verdanken? 
       
       Lukas Schmid: Selbstbewusstsein. Das ist total toll, wenn man von der
       Filmhochschule kommt und zitternd und bangend dem Markt gegenüber steht und
       dann so einen Preis gewinnt, zumal als Dokumentarfilmer. Wenn man irgendwo
       seine Vita hinschickt, macht der Preis die Leute neugierig und sie wollen
       "Intimitäten" sehen, obwohl eine Doku über Schwulenporno erstmal schwierig
       klingt. Stefan Aust hat mir damals auf der Bühne angeboten, meinen Film zu
       kaufen. Als mir Spiegel TV dann aber nur 1000 Euro für sieben Jahre
       exklusiv geboten hat, musste ich leider ablehnen. Dafür war mir der Film zu
       kostbar. Glücklicherweise hat er danach noch einen Verleih gefunden, der
       ihn ins Kino gebracht hat. Das hat mich in die Realität zurückgebracht,
       aber die Freude an diesem schönen Preis natürlich nicht geschmälert.
       Außerdem konnte ich mir dank des Preisgeldes den Umzug nach Berlin leisten.
       
       Florian Schwarz: Bestätigung. Wir hatten zwar nach "Katze im Sack", für den
       wir anderthalb Jahre gerackert haben, das Gefühl, dass es ein guter Film
       geworden ist, aber objektiv beurteilen konnten wir das natürlich längst
       nicht mehr. Umso größer war die Freude, als wir diesen Preis gewonnen
       haben, meinen ersten überhaupt, bei dieser glamourösen Veranstaltung, von
       dieser hochkarätigen Jury. Außerdem haben sich unglaublich viele Gespräche
       ergeben, Angebote auch, wobei für mich überhaupt nicht entscheidend war,
       dass dabei immer ein konkretes Projekt rauskommt. Wichtiger war für mich
       auszukriegen, was als nächstes kommen soll. Diese Gespräche haben meinen
       Blick dafür geschärft, was ich gern machen möchte.
       
       Michael Dreher: Einen sehr lustigen Abend. Und eine Aufmerksamkeit für
       meinen Film, den bis dahin eigentlich noch niemand außer der Jury gesehen
       haben konnte, da er noch auf keinem Festival gelaufen war. Aber trotzdem
       kamen immer wieder Leute an, die den Film super fanden - das war sehr
       unterhaltsam. Neben diesem kleinen Hype verdanke ich First Steps viele
       Kontakte. Es ist der größte Nachwuchspreis, deswegen kommen die meisten
       Redakteure und Produzenten und ich hatte die Möglichkeit, diese wichtigen
       Leute kennenzulernen und mich mit ihnen auszutauschen.
       
       Sonja Heiss: Auch wenn der Preis bei mir keine direkten Konsequenzen hatte,
       glaube ich, dass ein Film, der den First Steps gewinnt, viel länger im
       Gedächtnis bleibt, genau wie der Filmemacher. Ich hoffe das zumindest. Wenn
       ich den Preis nicht gewonnen hätte, hätte ich mich mehr beeilen müssen mit
       dem Nachfolger. Ich glaube zwar nicht, dass ich irgendwann drei Filme im
       Jahr drehen werde wie manche Kollegen, aber mehr als einer alle vier, fünf
       Jahre wäre ganz gut - auch weil die Wirkung von First Steps irgendwann
       verblassen wird, weil es ein Nachwuchspreis ist und jeder Preis irgendwann
       verfällt.
       
       Niko Apel: Der Gewinn von First Steps war für "Sonbol" der erste große
       Knall mit einem größeren Medienecho, der eine Reihe von
       Festivaleinladungen, Besprechungen und Preisen nach sich gezogen hat, bis
       hin zum Grimme-Preis. Aber erstmal war ein halbes Jahr gar nicht so viel
       los. Auf dem Max-Ophüls-Festival hatten wir Weltpremiere. Die lobende
       Erwähnung dort war zwar schön, aber irgendwie undankbar. Und dann habe ich
       das Studentenfilmfestival "Sehsüchte" in Potsdam gewonnen, das war ganz
       toll, auch weil mein Konto gerade leer war. Bei den First Steps war das
       Medien- und Branchenecho größer. Den Herbst im Jahr drauf war ich dann jede
       Woche auf einem anderen Festival. Das war für mich eine ganz tolle
       Erfahrung und Bestätigung. Das andere ist einfach die Kohle. Das muss man
       auch mal ganz ehrlich sagen. Der Preis gibt dir die Möglichkeit, auch
       deinem Team ein bisschen was abzugeben. Und selber über das nächste halbe
       Jahr zu kommen, ohne eine Auftragsarbeit annehmen zu müssen. Du musst ja
       irgendwovon leben. Die Leute fragen ja immer: "Und, was machste jetzt mit
       dem Preisgeld? Steckste in deinen nächsten Film, oder?" Nee, das stecke ich
       erstmal in mich, damit ich den Kopf frei habe zum Nachdenken über meinen
       nächsten Film.
       
       Wer oder was ist der größte Feind eines jungen Filmemachers? 
       
       Lukas Schmid:Die Finanzierung, schlicht und simpel. Das ist ein unglaublich
       langwieriger, anstrengender Kampf, der so manchen meiner Kollegen schon
       verschlungen hat. Viele mussten einen Zweitjob annehmen, um ihre Familien
       zu ernähren, der sie nun davon abhält, weiter Filme zu machen. Es gibt
       Fernehformate, die kein Mensch sehen will, die aber pro Sendeminute doppelt
       so viel kosten wie diese Leute bräuchten, um endlich mal wieder einen Film
       zu machen. Dafür hat man es als Dokumentarfilmer immer wieder mit Kollegen
       zu tun, die z.B. Ärzte sind und irgendwann beschließen, einen Film über
       alternative Heilmethoden zu machen. Auch das trägt zu einer Youtubisierung
       bei, die mich sehr ärgert. Auf der letzten Berlinale habe ich wahnsinnig
       viele schnell aus der Hüfte geschossene Dokumentarfilme gesehen, die sich
       nur über den Inhalt erzählen und nicht über Bilder, über Licht, über
       Stimmung. Es gibt viel zu viel gefilmtes Radio, allein gestützt durch das
       gesprochene Wort. Wer Filme macht, sollte die Liebe zum Bild pflegen. 
       
       Florian Schwarz: Mir ist keiner begegnet. Dem branchenüblichen
       Redakteursbashing zum Beispiel verweigere ich mich. Wer schlechte
       Erfahrungen gemacht hat, sollte sich jemanden suchen, mit dem er besser
       kann. Ich habe nur tollste Leute getroffen, bei allen Sendern. Aber
       natürlich würde ich im Fernsehen, aber auch im Kino immer gern noch mehr
       von den Filmen sehen, die ich selbst gern machen würde.
       
       Michael Dreher: Wenn es überhaupt einen gibt, dann ist es er selbst. Als
       junger Filmemacher bist du überambitioniert, was dir wahnsinnig hilft, dich
       aber auch dazu bringt, Dinge zu tun, die du zwei Jahre später nicht mehr
       machen würdest. Und nur so lernt man. Durch die weltweit einzigartige
       Konzentration hervorragender Filmhochschulen in Deutschland ist der
       Wettbewerb unter jungen Filmemachern hierzulande sehr groß, was ich aber
       nicht als Feind bezeichnen würde, profitieren wir doch alle von den damit
       verbundenen Strukturen. Gerade war eine Freundin aus den USA zu Besuch.
       Deren Studium kostet 25.000 Dollar - pro Semester. Und was habe ich in
       München an der HFF bezahlt? Nichts. Wie paradiesisch die Zustände
       hierzulande sind, habe ich auch auf auf meiner Festivaltour mit "Fair
       Trade" gemerkt, wo ich brasilianische, amerikanische und französische
       Filmemacher getroffen habe, die mir erzählten, dass sie nur arbeiten
       können, wenn sie reiche Freunde anpumpen. Da ist es doch wesentlich
       einfacher mit Institutionen zusammenzuarbeiten.
       
       Sonja Heiss: Das viele Geld, das man braucht, genauso wie die Zeit, gegen
       die man wegen des Geldes immer ankämpft. Es ist schwierig, spontan etwas zu
       machen wie ein Maler oder ein Fotograf. Wenn du das als Filmemacher
       versucht, sieht man es dem Ergebnis an. Du brauchst unglaublich viel Geld
       und unglaublich viele Menschen, die du irgendwann auch nicht mehr ausbeuten
       willst - genauso wenig wie dich selbst.
       
       Niko Apel: Es gibt eine große Gefahr, in einen Auftragstrott reinzugeraten.
       An der Filmhochschule hattest du die Möglichkeit, wirklich alles mal zu
       machen, mit deinem Debüt solltest du aber am besten schon in ein TV-Format
       passen. Da braucht es einen langen Atem, trotzdem zu machen, was man will,
       was man an der Filmhochschule angefangen hat. Nach First Steps kamen einige
       Anrufe, nach Grimme noch mehr, sogar auch ein paar interessante, aber eine
       Auftragsarbeit anzunehmen, während du an einem Autorenstoff arbeitest,
       schiebt halt den Autorenstoff nach hinten. Ich habe mit meiner bislang
       einzigen Auftragsarbeit auch keine schlechten Erfahrungen gemacht, und wenn
       ich mal ein Familie gründe, werde ich das auch noch öfter machen
       müssen.Wenn du ein eigenes Projekt verfolgst, bist du selbst der Feind,
       weil du dich immer wieder selbst begeistern musst für deine Idee, über
       Monate und Jahre, du das Vertrauen in deine Arbeit behalten musst.
       
       Warum machen Sie Filme? 
       
       Lukas Schmid: Mit 14 Jahren wusste ich, dass ich nichts anderes wollte. Ich
       hatte als Konsument schon immer die Fähigkeit, mich wahnsinnig in Filme
       reinzusteigern, reinzuverlieben, sämtliche Emotionen zu durchleben. Es gibt
       keine andere emotionale Konserve, die so reinhaut. Wahnsinn, wie man durch
       Filme seiner selbst entfliehen kann, jemand anders sein kann, Wissen
       anreichern kann! Und später hat mich auch das Drehen sofort umgehauen, weil
       man dabei die Chance bekommt, in fremde Welten einzutauchen, meistens mit
       anderen Menschen zusammen. Und diese Erlebnisse darf man später am
       Schneidetisch auch noch aufarbeiten. Das ist der schönste Beruf der Welt.
       
       Florian Schwarz: Film war das Medium, das mich als Kind am stärksten
       gepackt hat. Und diese Erlebnisse, zunächst im Fernsehen, später auch im
       Kino, haben bei mir den Drang ausgelöst, das auch probieren zu wollen. Als
       ich so sieben oder acht war, habe ich eine Folge von "Der Alte" aus den
       60ern gesehen. In einer Szene ragt die Hand einer Leiche aus dem Waldboden,
       das war ein unglaublich gruseliges Bild. Ich habe keine Ahnung mehr, worum
       es ging, aber das hat sich eingebrannt. Und als Teenager war es zum
       Beispiel "Aguirre - der Zorn Gottes" von Werner Herzog, der mich tierisch
       umgehauen hat. Ich komme aus Lahnstein bei Koblenz, hatte also zunächst
       nicht die Möglichkeit, mir Filmgeschichte übers Kino anzueignen. Fernsehen
       hat mich deswegen immer genauso interessiert wie Kino. Und so würde ich es
       auch in meiner Arbeit am liebsten weiterhin halten. Als Jugendlicher habe
       ich mich auch stark für Malerei und Grafik interessiert, habe letzteres
       dann auch studiert, aber schon mit der Idee, später, wenn ich mal mehr
       vorzuweisen habe an Filmen als die Experimentalfilme aus meiner Schulzeit,
       auf die Filmhochschule zu wechseln. Beim Film konnte ich all meine
       Interessen zusammenbringen: das Bildnerische, die Lust am
       Geschichtenerzählen, daran, eine bestimmte Atmosphäre zu kreieren.
       
       Michael Dreher: Früher habe ich immer erzählt, dass ich gern Rockstar
       geworden wäre, dafür aber zu groß bin und auch nicht schön genug. Ich bin
       kein typischer Cineast, der mit zwölf Buñuel guckt und Tarkowskis
       Kunstauffassung zitieren kann, sondern ich habe mich aus einem Instinkt
       heraus dazu hingezogen gefühlt, Filme zu machen. Während des Studiums habe
       ich alles ausprobiert, auch Musikvideos und Werbung, was viele Kollegen
       niemals gemacht hätten. Dass ich Spielfilme drehen möchte, dass meine
       Geschichten erzählenswert sind, weiß ich so richtig aber erst seit relativ
       kurzer Zeit - "Daniel Shore" war ja mein erster Langfilm, also hätte das
       auch durchaus noch schief gehen können. Für meine Entwicklung waren die
       Tanzsequenzen aus dem DJ-Bobo-Video, das ich gemacht habe, genauso wichtig
       wie "Fair Trade" oder mein Dokumentarfilm über Nikolai Kinski. Für mich war
       es kein völlig selbstverständlich vorgezeichneter Weg zum Filmemacher. Ich
       komme aus einer Beamtenfamilie. Da studierst du halt Jura, Medizin oder
       Lehramt. ich musste mich erst von diesem Automatismus emanzipieren, was
       völlig zwar schmerzfrei geschehen ist, aber seine Zeit gebraucht hat.
       
       Sonja Heiss: Weil es mir Spaß macht, Geschichten zu erzählen und weil jedes
       Projekt eine extreme Herausforderung ist. Zu sehen, wie etwas was du dir
       ausgedacht hast, zu leben beginnt, ist ein tolles Gefühl. Nach der Schule
       wusste ich aber erstmal nicht, was ich machen sollte und habe ein Praktikum
       bei einer Werbefilmproduktion gemacht. Danach dachte ich: Okay, Film finde
       ich gut, aber ich mache jetzt mal das Gegenteil von Werbung - und habe
       Dokumentarfilm studiert, ohne jemals einen wirklichen Dokumentarfilm
       gedreht zu haben. Bis heute. Am Anfang hat mir das Filmemachen eher auf
       einer oberflächlichen Ebene Spaß gemacht, mit den Jahren verliert man dann
       zwar ein bisschen die Experimentierfreude, gewinnt dafür aber eine Klarheit
       darüber, was man eigentlich erzählen will und mit welchen Mitteln.
       
       Niko Apel: Ein Auslöser, der sich in jeder Biografie gut macht, war mein
       Job als Filmvorführer in einem Frankfurter Programmkino während der
       Schulzeit, wo ich die Filme an sich lieben gelernt habe. Das waren
       hauptsächlich Spielfilme, vom Klassiker bis zu zeitgenössischem
       Autorenkino. Aber das allein hat mich noch nicht dazu gebracht, selbst
       Filme machen zu wollen. Da gehört dann schon auch noch ein gewisses
       Geltungsbedürfnis dazu. Ich habe einfach das Gefühl, der Welt etwas
       mitzuteilen zu haben. Und weil Film eine Leidenschaft von mir war, habe ich
       den Film als meine Ausdrucksform gewählt.
       
       Was bedeutet Ihnen der Preisträgerfilm? 
       
       Lukas Schmid: Ich mag den Film immer noch ganz gern, finde, dass ich
       einiges richtig gemacht habe, aber was mich stört ist, dass ich, wie ich es
       gerade anderen vorgeworfen habe, mit der Kamera nicht visuell genug
       umgegangen bin. Aber dafür, nicht nur das Gespräch abzufilmen, braucht man
       Selbstbewusstsein. Und das hatte ich damals noch nicht. So zu arbeiten, ist
       ja auch wider das System: Niemand glaubt daran, dass ein gutes Bild dabei
       rauskommt oder ein guter Ton. Und deswegen traut man sich nicht,
       zurückzutreten und offene, große Bilder zu suchen. Trotzdem finde ich
       meinen Mut immer noch toll, ganz allein, ohne Team, an ein Schwulenpornoset
       zu gehen. Das passt zu mir.
       
       Florian Schwarz: Wenn ich ihn mir heute nochmal angucke, was selten
       vorkommt, springt mich eine große Kraft an, ein unbedingter
       Gestaltungswille und eine mich heute schmunzeln machende Lust am Exzess,
       daranen Regler bis zum Anschlag aufzudrehen, inhaltlich wie formal. "Katze
       im Sack" war für alle Beteiligten wie ein Befreiungsschlag nach vielen mal
       mehr, mal weniger geglückten Kurzfilmversuchen. Das Kernteam, Produzent,
       Kameramann Autor und ich hatten bei "Katze im Sack" zum ersten Mal das
       Gefühl, einen Stoff an der Hand zu haben, der uns alle richtig berührt und
       angeht. Und dann haben wir mit "Katze im Sack" den ersten Schritt raus aus
       der behüteten Filmhochschulwelt gemacht, haben ein dreiviertel Jahr
       zusammen in Leipzig auf ganz engem Raum gewohnt und an diesem Film
       gearbeitet. Außerdem war er für uns die Eintrittskarte in die Branche:
       Philipp Sichler, der Kameramann, dreht einen Film nach dem anderen,
       Alexander Bickenbach hat mittlerweile seine eigene Produktionsfirma, mit
       der er u.a. den letzjährigen First-Steps-Gewinner "Schwerkraft" von Max
       Erlenwein realisiert hat. Und Michael Proehl, der Autor, schreibt viel mit
       mir, aber auch für andere.
       
       Michael Dreher: Ich finde es immer noch einen guten Film, mit dem ich einen
       Haufen schöner Erinnerungen verbinde. Als ich den Film gemacht habe, war
       ich schon 31. Es wäre also auch seltsam, wenn ich heute nicht mehr dahinter
       stehen könnte. Aber ich will auch nicht verhehlen, dass es ein Hin und Her
       war, bis ich mit "Fair Trade" völlig im Reinen war - auch weil mir danach
       immer wieder Leute zu verstehen gaben, dass sie von mir als nächsten Film
       gern dasselbe in anderer Verpackung hätten. Auch das bringt der Erfolg eben
       mit sich.
       
       Sonja Heiss: "Hotel" ist mein erster Langfilm und ich mag ihn immer noch
       sehr, sehr gern. Ich habe extrem viel gelernt dabei - auch dadurch, dass
       ich über ein Jahr im Schnitt saß: über Humor im Film, über Timing, über
       Dramaturgie. Der Film lief im Kino, auf der Berlinale und er hat den First
       Steps gewonnen. Wenn ich ihn nicht gemacht hätte, würde es schwierig, jetzt
       einen zu machen.
       
       Niko Apel: "Sonbol" war schon der Startschuss. Ich wollte jetzt sagen: die
       Bestätigung, aber das stimmt nicht: Ich hätte auch ohne "Sonbol" weiter
       Filme gemacht. Ich war schon selbstverliebt genug, um auch weiterzumachen,
       wenn "Sonbol" gefloppt wäre. Der Erfolg hat mir die Freiheit gegeben, noch
       ein paar Jahre meine Ideen verwirklichen zu können. Wenn ich "Sonbol" heute
       gucke, erinnere ich mich vor allem den insgesamt zweimonatigen Aufenthalt
       im Iran und die Frau Sonbol natürlich, zu der ich auch immer noch Kontakt
       halte. Der Film spiegelt ziemlich genau wider, wie ich sie damals
       wahrgenommen habe, was ich gefühlt habe, was mich bewegt hat.
       
       Was kommt als nächstes? 
       
       Lukas Schmid: Als nächstes mache ich endlich mal wieder einen eigenen Film,
       in Kasachstan, über das Atomwaffentestgelände in Semipalatinsk. Die Sowjets
       haben die Verstrahlung der Bewohner dort billigend in Kauf genommen,
       weswegen da heute immer noch schrecklich missgebildete Kinder zur Welt
       kommen. Wir wollen den Film aber nicht als Opfergeschichte erzählen,
       sondern das kleine Glück im Unglück suchen.
       
       Florian Schwarz: Ich arbeite an mehreren Projekten, vor allem am Drehbuch
       für eine Kinoadaption von A.L. Kennedys Liebesroman "Gleißendes Glück".
       Weil die Gefahr so groß ist, dass ein Projekt plötzlich doch nicht
       funktioniert, ist es wichtig, mehrere Eisen gleichzeitig im Feuer zu haben.
       Sonst kann man als Filmemacher schnell in ein Loch fallen.
       
       Michael Dreher: Der Lorenz um zehn nach zehn … Schreib das ruhig so rein.
       Ansonsten arbeite ich gerade an einem Treatment, der direkten Vorform eines
       Drehbuchs. Wegen dieses Projekts bin ich gerade in Berlin, habe heute noch
       ein paar Treffen. Darin geht es um eine Aufklärungsmission nach einem
       Bombenabwurf in Afghanistan. Dann arbeite ich noch an einem Fernsehfilm,
       einer Fernseh-Serie und einem Kinofilm. Ökonomisch ist es sicherlich
       sinnvoll, mehrere Projekte parallel zu verfolgen, aber eigentlich fände ich
       es besser, wenn man sich auf eines konzentrieren könntes. Aber das lässt
       der Markt schlicht nicht zu.
       
       Sonja Heiss: Von Januar bis März habe ich ein Stipendium in der Villa
       Aurora in Los Angeles, wo ich mein Drehbuch fertig schreiben werde.
       Nächsten Herbst würde ich sehr gern drehen, ob sich das aber zeitlich noch
       ausgeht, weiß ich nicht. Und dann hoffe ich natürlich darauf, für meine
       Erzählungen einen Verlag zu finden. Ich habe eine tolle Literaturagentin,
       deshalb bin ich guter Dinge. Und unsere Wohnung wollte ich mal wieder
       aufräumen.
       
       Niko Apel: Im Moment sind zwei Projekte in der Finanzierung, eins wieder im
       Iran und eins in Israel und Palästina. Ich habe auf jeden Fall wieder Lust,
       außerhalb von Deutschland zu drehen, in andere Welten mit anderen
       Konflikten zu blicken. Ich fahre aber nicht wahllos in ein exotisches Land,
       wo ich schon immer mal hinwollte, sondern ich habe immer einen ganz klaren
       persönlichen Bezug zu meinen Geschichten. Mine erste große Liebe etwa war
       Perserin, die aber nicht in den Iran reisen konnte, weil ihre Eltern
       politische Dissidenten waren. Dass mein nächster Film wieder im Iran
       spielt, ist also mit Sicherheit kein Zufall. Das Schicksal dieses Landes,
       das um seine Freiheit kämpft, lässt mich einfach nicht los.
       
       24 Aug 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) David Denk
       
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