# taz.de -- taz🐾thema: Kalorien alpin
       
       > Die Kanadierin Meredith Erickson futtert sich durch Winteressen in vier
       > Alpenländern. Mit ihrem Kochbuch lockt sie Leser in die Berge
       
       Ja klar, sagt Meredith Erickson im Interview, sie hätten auch wunderschöne
       Berge in Kanada, „bester Pulverschnee der Welt“. Aber was die Auswahl an
       Essen betreffe, „hoffe ich, dass Sie Hot Dogs mögen“. Das ist bitter, denn
       Erickson hat neben dem Skifahren noch eine zweite Leidenschaft: Sie
       schreibt über Essen.
       
       Die Kanadierin hatte bereits vier Kochbücher geschrieben, als sie mit 28
       Jahren das erste Mal in die Alpen kam. Sie fuhr Ski in Lech und war
       begeistert von der Qualität des Essens, dem kompletten Gegenteil der
       Dosenravioli, die in Nordamerika oft mittags in den Bergen serviert würden.
       Weil sie kein Buch über alpine Küche auf Englisch fand, das sie Familie und
       Freunden mitbringen konnte, schrieb sie selbst eines.
       
       Das dauerte allerdings ein paar Jahre, sechs Winter lang recherchierte die
       Kanadierin in den Alpen, so entstand ihr Alpen-Kochbuch mit 75 Rezepten zu
       meist winterlicher Küche. Die Gerichte sind eher deftig, schwer,
       währschaft, wie man in der Schweiz sagt, winterliche Speisen für Menschen
       mit hohem Kalorienbedarf, wie Waldarbeiter. Oder Wintersportler.
       
       Immer fokussierter wurde ihr Blick, so beschreibt sie, was ihr in den Sinn
       kommt, als sie vom Sessellift aus verstreute Berghütten sieht: Die lägen
       „wie geröstete Kastanien im Schnee“. Erickson sinniert über das Skifahren
       in Alta Badia – und kommt zu dem Schluss: „Es lag so viel Aussicht auf
       leckeres Essen in diesem Blick.“ In diesem heiteren Ton führt die
       Kanadierin durch die Alpen, von hohen Bergen zu Gipfeln der Genüsse. Es ist
       ein großartiges Buch, modern und klar.
       
       Winter um Winter hat sich die Autorin durch die Alpen gefuttert, hat von
       Schlutzkrapfen im Pustertal zu Rösti im Appenzellerland und Tartiflette in
       Savoyen Rezepte aufgeschrieben, jede Menge Pistenkilometer bewältigt, durch
       Schneestürme und Matsch. Das ungewöhnlichste Essen fand sie in Tirol, in
       Rattenberg – die Prügeltorte, ein „Tiroler Kuchen am Spieß“, so Erickson,
       Baumkuchen wird das Gebäck, das um einen Drehstab herum gebacken wird, auch
       genannt. Und den verrücktesten Tag erlebte sie in Zermatt: Dort fuhr sie
       auf 2.300 Metern los, während eines dramatischen Wintersturms mit Rucksack
       bis nach Cervinia hinunter, und jede Seilbahn und Piste schloss direkt
       hinter ihr. Anschließend ging es weiter nach Rougemont, CH, natürlich zu
       einem Essen, was weitere sechs Stunden Fahrstrecke bei schlechtem
       Winterwetter bedeutete. „Alpine Winterstraßen sind tückischer als Pisten!“,
       sagt die Kanadierin.
       
       Fotografiert hat den Band die New Yorkerin Christina Holmes, von Skifahrern
       in roten Jacken bis zu Vitello tonnato auf blauen Tellern. Zunächst wollte
       Erickson mit deutschen und italienischen Fotografen arbeiten, die in den
       Alpen leben. Aber sie fand deren Arbeit zu rustikal, zu ski- oder
       landschaftsgetrieben. Erickson suchte einen „gesättigten, sinnlichen,
       weiblichen Stil der 70er Jahre“ von jemandem, der sich mit Food-Fotografie
       ebenso auskennt wie mit Landschaften und Porträts. Dieser alpenferne Blick
       erweist sich als Gewinn, er zeigt uns die Alpen und ihre Küche wie frisch
       beschneit.
       
       Tatsächlich seien ihre Rezepte aber nur eine List, Leser in die Berge zu
       locken und ihr zu folgen. So will man am Ende, angelangt in den
       französischen Alpen mit einem Chartreuse-Soufflé, sofort los. Oder
       zumindest mit Kochen loslegen. „Das nächste große Ding“ sei die alpine
       Küche für die Nordamerikaner zwar nicht, das treffe eher auf peruanische
       Küche zu. Doch Erickson denkt: „Alpines Kochen ist Trost spendend für
       alle.“
       
       Barbara Schaefer 
       
       Meredith Erickson: „Alpen Kochbuch. Rezepte und Geschichten von Europas
       Gipfeln“. 368 Seiten, Prestel Verlag 2020, 38 Euro
       
       12 Dec 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Schaefer
       
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