# taz.de -- Nichts verlernt
       
       > Natalie Geisenberger und Dajana Eitberger schaffen es aufs Podest beim
       > Rodel-Weltcup. Spitzensport und Familie zu vereinen, bleibt für Frauen
       > schwer
       
 (IMG) Bild: Etwas angespannte Abfahrt: Natalie Geisenberger auf dem Weg zum zweiten Platz in Igls
       
       Aus Igls Klaus-Eckhard Jost
       
       Bundestrainer Norbert Loch stellte sich vor das Siegerpodest und
       zelebrierte die La-Ola-Welle. Auf dem Podium standen drei Rodlerinnen aus
       seinem Team. Siegerin Julia Taubitz wurde flankiert von Natalie
       Geisenberger und Dajana Eitberger. Während für die Gesamt-Weltcupgewinnerin
       Taubitz die Anwesenheit bei der Siegerehrung mittlerweile zur Gewohnheit
       geworden ist, müssen sich Geisenberger und Eitberger erst daran gewöhnen.
       Wieder gewöhnen.
       
       Denn die beiden Rodlerinnen hatten wegen Schwangerschaften ein Jahr
       pausiert. Als Mütter sind sie wieder zurückgekommen und haben nichts
       verlernt.
       
       „Natalie und Dajana haben es richtig gut gemacht“, lobte Taubitz, „aber ich
       wusste, dass sie nicht hinten um die Plätze mitfahren würden.“ Dies hat
       Geisenberger bereits vor einer Woche bewiesen, als sie Deutsche Meisterin
       wurde. „Ich bin schon ein bisschen überrascht, dass es wieder so gut geht“,
       sagte sie in Innsbruck. Und sie betrachtete das Rennen noch aus einem
       anderen Blickwinkel: „Mit der Dajana nach der Geschichte auf dem Podest zu
       stehen, ist natürlich doppelt schön.“
       
       Natalie Geisenberger hatte sich ausführlich mit dem Thema Familienplanung
       beschäftigt. „Ich wollte 2019 noch die WM in Winterberg fahren.“ Im Oktober
       gab sie dann ihre Schwangerschaft bekannt. „Dass alles so geklappt hat,
       dafür sind wir wahnsinnig dankbar.“ Am 2. Mai dieses Jahres wurde sie
       Mutter.
       
       Dajana Eitberger wollte eigentlich noch nicht Mutter werden. Mit ihrem
       Lebenspartner wollte sie noch die Zweisamkeit genießen, gemeinsam reisen.
       Am 21. Februar 2020 wurde ihr Sohn geboren. Sie sagt: „Ich merke für mich
       persönlich, dass ich in der Rolle als Mutter ein Stück reifer bin und über
       ganz andere Dinge nachdenke als die jungen Hühner.“
       
       Familie und Sport im Alltag zusammenzubringen, ist für beide Frauen – im
       Gegensatz zu den meisten männlichen Athleten, bei denen die Presse nicht
       mal danach fragt – eine Herausforderung. Die Bayerin reist mit großer
       Entourage von Rennen zu Rennen. „Mein Sohn wird überall dabei sein, das
       schafft mein Mutterherz einfach nicht.“ Während sie ihrem Beruf als
       Sportlerin nachgeht, passt ihr Mann auf das Kind auf. Ihr Vater ist
       ebenfalls immer vor Ort. „Wenn mein Mann Hotel-Homeoffice macht, passt mein
       Vater in der Zeit auf“, erzählt sie und gibt zu, dass der logistische
       Aufwand nicht ganz einfach zu bewerkstelligen ist. „Vom Eiskanal zum
       Stillen, dann wieder in die Werkstatt – da weiß ich abends, was ich gemacht
       habe.“ Doch sie bekennt auch: „Aber ich habe es genauso, wie wir es uns
       gewünscht haben.“
       
       Die Thüringerin Eitberger reist alleine zu den Lehrgängen und Rennen. Sie
       lässt ihren Filius in München bei ihrem Lebenspartner. Wenn auch ungern.
       „Auch, wenn er ein sehr entspanntes Kind ist, braucht er sein gewohntes
       Umfeld“, sagt sie zur Begründung. Momentan ist der Ehemann noch in
       Elternzeit, doch vom 1. Januar an arbeitet er wieder. „Wir haben großes
       Glück, dass mein Sohn ab 1. Dezember einen Kita-Platz hat“, so die
       Rodlerin.
       
       Bundestrainer Norbert Loch zeigte sich wenig überrascht über die Leistungen
       der Athletinnen beim Comeback. „Zum Rodeln gehört eine gewisse Athletik und
       ein guter Schlitten“, sagt der Coach, „aber es gehört auch ein Feeling
       dazu. Und das haben beide in diesem einen Jahr nicht verloren.“ Privilegien
       räumt er seinen beiden Sportlerinnen keine ein. Und auch die Bereiche sind
       klar abgesteckt. „Ihre Mutter-Rolle füllen sie privat – zu Hause, im Hotel
       oder wo sie immer sind – aus“, sagt er, „auf der anderen Seite ist der
       Sport, ist die Bahn. Da gehören keine Kleinstkinder und keine Ehemänner
       hin.“
       
       Dass Rodeln eine Rennsportart und damit nicht ganz frei von Risiko ist,
       wissen beide Sportlerinnen. Natalie Geisenberger erinnert sich an ihren
       ersten Trainingslauf in Altenberg. „Ich hatte schon kurz mal den Gedanken:
       „Will ich das noch, brauche ich das noch?“ Als ich dann im Ziel war, dachte
       ich: „Ja, will ich und brauche ich noch.“ Ähnlich erging es auch Dajana
       Eitberger. Und so geben beide morgen ihr Comeback im Weltcup mit einem
       klaren Ziel: Olympische Spiele 2022 in Peking.
       
       Mit dem Besuch auf dem Siegerpodest beim Comeback in Innsbruck-Igls ist der
       Anfang schon einmal getan.
       
       30 Nov 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus-Eckhard Jost
       
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