# taz.de -- heute in hamburg: „Fleisch aus der Petrischale ebenso wie politischer Druck“
       
       Interview Lissy Malethan
       
       taz: Herr Ladwig, Sie schreiben, dass unsere Nachfahren sich für das
       Unrecht, das wir Tieren antun, schämen werden. Warum? 
       
       Bernd Ladwig: Unsere Nachkommen werden wahrscheinlich auf viele unserer
       Praktiken, die Tiere betreffen, so blicken, wie wir auf Vergangenes
       blicken, zum Beispiel auf die Herabwürdigung der Frau. Ich nehme an, dass
       moralische Lernprozesse, im Sinne zunehmender Einbeziehung und
       Gleichstellung, weitergehen werden. Und dass in diesen beiden Hinsichten
       jetzt der nächste Schritt über die Spezies-Grenze hinausgeht und auch
       Empfindungen für Tiere einbezieht. Damit wird die Willkür, die deren
       Ausschluss bedeutet, korrigiert.
       
       Sie warnen, dass sich der Mensch durch den Umgang mit Tieren selbst in
       Gefahr bringt. 
       
       Das bezieht sich konkret auf die Corona-krise, und das, was in den
       Schlachthöfen passiert. Das ist ein Beispiel dafür, dass der rücksichtslose
       Umgang mit Tieren auch auf Menschen zurückschlägt und dass zum Beispiel
       Pandemien viel mit Mensch-Tier-Kontakten zu tun haben. Hier kommen
       Argumente, die eher Tierrechte und Tierwohl betreffen, aber auch Argumente,
       die unser aufgeklärtes Eigeninteresse als Menschen betreffen. Diese
       verschiedenen Argumente weisen in dieselbe Richtung: Wir müssen unsere
       Mensch-Tier-Beziehungen verändern.
       
       Ist das ein erreichbares Ziel? 
       
       Ja, aber sicherlich nicht von heute auf morgen. Auf der Bewusstseinsebene
       tut sich im Moment sehr viel. Das zeigt auch die Existenz stärker werdender
       Tierschutzbewegungen und juristischer Initiativen. Das Grundhindernis
       bleibt aber bestehen: Die Tiere können nicht für sich selbst ihre Rechte
       einfordern. Dies müssen immer Menschen für sie tun.
       
       Welche Auswirkungen hat das? 
       
       Das ist ein großes Hindernis für die Anerkennung ihrer Ansprüche. In
       typischen Fällen emanzipatorischer Bewegungen meldeten mindestens im
       gleichen Maße die Betroffenen selbst ihre Ansprüche an. Dass die Menschen
       das in diesem Fall tun müssen, ist asymmetrisch.
       
       Was braucht es dann, um Gerechtigkeit herzustellen? 
       
       Ich glaube, dass es einer Konvergenz von moralischen Fortschritten,
       politischem Druck und technischen Errungenschaften bedarf, damit Tiere
       besser behandelt werden. Wenn es um die Abschaffung der Fleischtierhaltung
       geht, werden Dinge wie Fleisch aus der Petrischale ebenso wichtig sein wie
       politischer Druck.
       
       25 Nov 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lissy Malethan
       
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