# taz.de -- berlin viral: Dit is ja wie ausm Fernsehn!
       
       Platz der Luftbrücke. PladeLu. Lufti. Kurz vor 21 Uhr. Vor dem Kiosk in der
       Dudenstraße eine kleine Schlange. „Na, ich gehöre nicht zu denen, die im
       ersten Lockdown eine neue Sprache gelernt haben oder so was“, sagt die
       eine. „Jetzt mach dir mal nicht so einen Druck, okay?“, sagt die andere.
       Dann sind beide ruhig. Der Kioskverkäufer ist nicht so positiv drauf wie
       sonst: „Komplett dicht machen um 23 Uhr? Wenn das noch lange so weitergeht,
       dann kann ich hier alles einpacken und tschüss sagen.“
       
       Es nieselt. Immer mehr Leute sagen Sätze wie: Alles wird fürchterlich.
       Wieder so lange keine Freunde mehr treffen? Oder: Gibt kein schlechtes
       Wetter, nur falsche Kleidung. Manche bestellen sich Skihosen, „dann können
       wir draußen lange spazieren gehen“.
       
       Andere berichten von Kneipen mit Heizpilzen, „eine ganze Armada von
       Heizpilzen haben die da aufgestellt, ehrlich, da können wir nach der Arbeit
       hingehen“. Die einen antworten dann: „Normale Heizpilze? Das ist Scheiße
       für die Umwelt.“ Oder: „Elektro-Heizpilze? Ey, die Stromrechnung will ich
       sehen, das halten die Kneipen nicht aus.“
       
       Der junge Mann, der oft am Lufti herumspaziert, manchmal Unverständliches
       und Bizarres schreit und im nächsten Moment leise und in liebevollem Ton zu
       sich selbst spricht oder die Umstehenden nett begrüßt, tut dies nun öfter
       als üblich. Die Ticks kommen häufiger.
       
       In der Eckkneipe war in den letzten Monaten nicht viel los, jetzt ist sie
       noch dünner besetzt. Man sieht, wie das Gespann, das den Laden meist
       zusammen schmeißt, viel poliert und Boden wischt, oder: Sie schauen lange
       Zeit gemeinsam aus dem Fenster ins Nichts.
       
       Ein Auto kommt angebraust. Nicht irgendein Auto, ein gelber Lamborghini.
       Aus dem Shisha-Café kommen fünf, sechs Leute herüber. Sie begrüßen den
       Fahrer, einen jungen Mann, der behutsam aussteigt. Er ist ein Riese,
       doppelt so lang wie das Auto hoch, der Oberkörper ist mächtig, die Beine
       dünn wie Stixis. Die Kumpels begutachten die Reifen, die Felgen, sie drehen
       langsame Runden um das Auto. Mann, Mann, Mann, Alda, Alda, Alda. Ab und zu
       kniet sich einer runter und streicht mit der Hand liebevoll über das Auto.
       Wallah! Beste! Sie freuen sich.
       
       Mittlerweile ist die Beifahrertür geöffnet, die Kumpels setzen sich
       abwechselnd rein, lassen sich die Gadgets erklären. Dann kommt ein Paar
       vorbei, sie im Rollstuhl, er mit Bier in der Hand. Auch sie schauen sich
       den Lamborghini an. „Boa, was für ein Auto! Mensch, schau dir das doch mal
       an, Richard!“ sagt sie. „Dit is ja wie ausm Fernsehn! Und was für eine
       tolle Farbe. Meine Lieblingsfarbe!“
       
       Während die Kumpels etwas irritiert zum Paar herüberschauen, kommt der
       Fahrer zu ihnen und sagt: „Darf isch Ihre Frau für fünf Minuten entführen?“
       – „Ja bitte, ich will!“, sagt sie. „Du musst sie am besten hier anheben“,
       sagt ihr Partner, der Riese hievt sie vorsichtig ins Auto. Die Fenster sind
       auf, der Motor brüllt und sie schreit Juhu vor Glück. Sie fahren los. Als
       sie ein paar Minuten später um die Ecke kommen und die Frau schließlich
       wieder im Rollstuhl sitzt, sagt sie: „Das war so toll, das war so nett!“
       
       Alle verabschieden sich, vielen Dank, vielen Dank, ist gut, ist gut, viel
       Spaß. „Lass uns schnell noch was trinken, bevor alles zumacht“, sagt sie
       dann fröhlich zu ihrem Partner. Aleksandar Zivanovic
       
       28 Oct 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Aleksandar Zivanovic
       
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