# taz.de -- Im Krankenhaus in Belarus: Covid ist kein Thema
       
       > In der Klinik reden alle nur über die politische Situation im Land. Janka
       > Belarus erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. Folge 13.
       
 (IMG) Bild: Mit Maske gegen Lukaschenko: Demoteilnehmerin in Minsk am 14. September
       
       Belarus ist das einzige europäische Land, das im Frühjahr dieses Jahres
       keine coronabedingte Quarantäne eingeführt hat. Präsident Alexander
       Lukaschenko meinte, dass, wenn er Covid nicht in der Luft spüre, es dieses
       Virus auch nicht gäbe. Später verkündete er, zwar infiziert zu sein, dem
       Virus aber getrotzt zu haben. Im Spätsommer, nachdem die Ärzte eine zweite
       Welle der Epidemie vorhergesagt hatten, hat Belarus sich plötzlich besonnen
       und prophylaktische Maßnahmen ergriffen.
       
       Die Mehrheit der Leute sah das im Zusammenhang [1][mit den Protesten]: wenn
       hunderttausende auf die Straße gehen, sorgt sich der Staat plötzlich um
       ihre Gesundheit. Auf den friedlichen Demonstrationen infizierte sich jedoch
       niemand. Der Verlust der Würde, der Freiheit und die Bedrohung durch eine
       Diktatur wiegt nämlich schwerer als jede Krankheit.
       
       Ohnehin waren die Versuche der Staatsmacht, ihre Machtlosigkeit angesichts
       der Unzufriedenheit der Bevölkerung mit den Anti-Corona-Maßnahmen zu
       kaschieren, waren nicht überzeugend.
       
       Ich liege gerade im Krankenhaus. Die belarussische Krankenversicherung hat
       mit ihrem europäischen Pendant nichts gemein. Bei der Aufnahme im
       Krankenhaus ist ein Covid-Test nicht verpflichtend, aber für eine
       stationäre Behandlung dann plötzlich doch. Deswegen wird Patienten
       nahegelegt, sich auf eigene Kosten testen zu lassen. Man kann jedoch auch
       auf einem Schnelltest bestehen, der innerhalb von zehn Minuten gratis
       durchgeführt wird.
       
       Unabhängig von Testergebnissen und Krankheitssymptomen bringt man die Leute
       dann trotzdem gemeinsam in einem Krankenzimmer unter. Obwohl alle Angst
       haben und wissen, dass das riskant ist. Auf den Zimmern redet niemand über
       Covid, alle diskutieren über die politische Situation im Land: Die
       Festnahmen hunderter Menschen, sogar schwangerer Frauen. Der Entzug des
       Sorgerechts, wenn Eltern an Demonstrationen teilnehmen. Gewalt gegen
       Protestierende. Die Verfünfzehnfachung der Gehälter [2][von
       Sicherheitskräften] aus dem Staatshaushalt. Und der russische Kredit von
       1,2 Milliarden Euro für Belarus.
       
       Ein weiteres Thema ist auch die völlig überraschende vorgezogene
       Amtseinführung von Lukaschenko, die eher der Krönung eines Gewaltherrschers
       und Tyrannen ähnelt. Das ist meiner Meinung nach eine wesentlich größere
       Gefahr für Belarus, als ein kleines harmloses Coronavirus. So denkt auf
       jeden Fall die belarussische Zivilgesellschaft.
       
       Aus dem Russischen [3][Gaby Coldewey]
       
       25 Sep 2020
       
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