# taz.de -- Klimaentscheid Darmstadt: Der Magistratunter Druck
       
       > Bis 2030 wollen Darmstädter:innen ihre Stadt klimaneutral umgestalten.
       > Doch die Stadtpolitik schiebt Formalia vor – noch
       
 (IMG) Bild: Unbändiges Engagement für Umwelt- und Klimaschutz: Die „Buirer für Buir“ (Foto links) und die Aktivist:innen des Klimaentscheids Darmstadt (rechts)
       
       Von Leonie Sontheimer
       
       Ein Lastenrad voller Aktenordner – damit fuhr die Initiative KlimaEntscheid
       Darmstadt am 2. Dezember 2019 vor das Rathaus. 5.405 Darmstädter:innen
       hatten auf den Listen unterschrieben, die in den Ordnern zusammengeheftet
       waren. Alle diese Unterschriften standen für eine Forderung: Darmstadt möge
       bis 2030 klimaneutral werden.
       
       Die Idee zum Klimaentscheid hatten zwei Mitglieder von Fridays for Future
       Darmstadt schon im Frühjahr 2019. Luisa Emrich und Björn Schulz waren
       unzufrieden damit, dass nach monatelangem Protest auf der Straße immer noch
       keine Beschlüsse auf politischer Ebene vorlagen. Ihre Idee: Lokale
       Klimaschutzmaßnahmen erarbeiten und mithilfe eines Bürgerentscheids durch
       die Politik bringen. Sie suchten sich Verbündete bei den lokalen Parents-
       und Scientists for Future und erarbeiteten gemeinsam mit Expert:innen 11
       konkrete Vorschläge für wirksame Maßnahmen, die die Stadt umsetzen sollte,
       um die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen.
       
       Zu den Zielen gehören beispielsweise die Umwandlung von Parkplätzen in Geh-
       und Radwege, die Einführung eines „Klimatickets“, mit dem neu Zugezogene
       drei Monate lang umsonst den öffentlichen Nahverkehr nutzen können und
       Fotovoltaik oder Solarthermie auf allen Neubauten ab 2022.
       
       „Das übergeordnete Ziel ist, dass im Stadtgebiet Darmstadt ab 2030 die
       Treibhausgasemissionen bei null liegen. Natürlich ist da jeder einzelne
       gefragt, mitzumachen. Aber wenn die Stadt nichts macht, wird es nichts“,
       erklärt Heike Böhler. Sie promoviert an der TU Darmstadt zu Klimapolitik
       und hat den Klimaentscheid mitinitiiert. Wie alle anderen im etwa
       15-köpfigen Kernteam engagiert sich Böhler rein ehrenamtlich.
       
       Doch es habe noch viele weitere Unterstützer:innen gebraucht, um die über
       5.000 Unterschriften zusammenzubekommen, sagt Böhler. Die Listen lagen in
       Geschäften und Cafés aus und viele Einzelpersonen hätten fleißig in ihrem
       Umfeld gesammelt. „Darmstadt hat 160.000 Einwohner. 10.000 davon waren
       letzten September beim globalen Klimastreiktag auf der Straße. Den
       Darmstädtern ist das Klima wichtig!“
       
       ## Grün-Schwarz lehnt ab
       
       Damit sich die Stadt mit einem Antrag auf einen Bürgerentscheid
       beschäftigt, muss eine gewisse Anzahl an Bürger:innen für dieses
       Bürgerbegehren unterschreiben. Im Fall des Klimaentscheids war diese Marke
       deutlich übererfüllt. Trotzdem hat der Magistrat der seit 2011 grün-schwarz
       regierten Stadt Darmstadt Anfang September 2020 das Begehren aus formalen
       Gründen für unzulässig erklärt. Knackpunkt sei der unzureichende
       Kostendeckungsvorschlag, also eine Schätzung der Initiative, wie teuer es
       wäre, die vorgeschlagenen Maßnahmen umzusetzen. Böhler und die anderen aus
       dem Team sind enttäuscht: „Wir als Bürger:innen wissen, was wir wollen.
       Aber wir haben nicht die Expertise und auch nicht ausreichend Einblick in
       die städtischen Finanzen, um das im Detail durchzurechnen.“ Die Stadt hat
       trotzdem zugesagt, einige der Forderungen umzusetzen. So zum Beispiel das
       Klimaticket für Zugezogene und mindestens 300 Quadratmeter neue Grünflächen
       pro Jahr durch Fassadenbegrünung. Für Böhler ist es bereits ein Teilerfolg,
       dass die Stadtverwaltung im Rahmen der Prüfung bereits alle Maßnahmen
       durchdenken musste. Gleichzeitig bemängelt sie, dass die Stadt für die
       Umsetzung bisher kein Budget und kein Personal bereitgestellt habe.
       
       Der Initiative Klimaentscheid Darmstadt ist es wichtig, dass ihre Stadt
       schnellstmöglich handelt. Sie gibt nach dem formalen Scheitern des
       Bürgerbegehrens nicht auf und will hartnäckig bleiben, bis die Stadt die
       versprochenen Maßnahmen umgesetzt hat. Und sie gehen noch einen Schritt
       weiter: Zwei Mitglieder der Initiative werden bei der Kommunalwahl 2021 für
       die derzeit regierenden Grünen für das Stadtparlament kandidieren. Heike
       Böhler ist eine von ihnen. „Wenn es klappt, können wir danach von zwei
       Seiten Druck für Klimaschutz machen: von innen und von außen.“
       
       Die Initiative im Netz:[1][klimaentscheid-darmstadt.de]
       
       26 Sep 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://klimaentscheid-darmstadt.de
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Leonie Sontheimer
       
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