# taz.de -- Corona-Fälle an Schulen: (Nicht) so positiv
       
       > In den Schulen häufen sich die Coronafälle – zugleich kommen
       > Gesundheitsämter bei der Kontaktverfolgung an ihre Grenzen.
       
 (IMG) Bild: Der Schul-Weg durch die Pandemie ist oft verschlungen
       
       Berlin taz | Die steigende Zahl der Corona-Infektionen in Berlin macht sich
       auch in den Schulen bemerkbar. Immer mehr Fälle, in denen SchülerInnen und
       Lehrkräfte in Quarantäne geschickt werden mussten, werden bekannt. Und auch
       wenn nur ein Gymnasium in Treptow-Köpenick bisher für einen Tag komplett
       schließen musste – was Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) unbedingt
       vermeiden wollte – und das Infektionsgeschehen ansonsten einigermaßen im
       Griff zu sein scheint: Hinter den Kulissen rumort es in den Lehrerzimmern
       und SchulleiterInnenbüros.
       
       Kommunikationswege seien noch unklar, Handlungsanweisungen seitens der
       Gesundheitsämter oft widersprüchlich, heißt es. Ganz besonders wütend ist
       dieser Tage die Lehrergewerkschaft GEW, die 1 Milliarde Euro Soforthilfe
       für die Schulen fordert und Scheeres Untätigkeit vorwirft.
       Landeselternsprecher Norman Heise äußerte sich im RBB Inforadio etwas
       milder, sagte aber sinngemäß auch, dass in den Sommerferien viel zu wenig
       passiert sei, bevor man Anfang August die Schulen wieder geöffnet hat.
       
       „Die Kommunikationsstrukturen sind noch nicht ausgereift, das zieht sich
       symptomatisch durch die Krise“, sagt auch Gunilla Neukirchen, Schulleiterin
       des Beethoven-Gymnasiums in Lankwitz und Vorsitzende der Vereinigung der
       Berliner Schulleiterinnen und Schulleiter. An ihrer Schule hatte es am
       Wochenende den ersten positiven Coronatest in der Schülerschaft gegeben –
       die Familie habe „wirklich vorbildlich reagiert“ und die Schule sofort über
       das positive Testergebnis informiert.
       
       Allerdings sei dann die Nachverfolgung der Kontakte alles andere als
       einfach gewesen – weil, und das sei der Knackpunkt, sagt Neukirchen,
       einfach zu viele Ämter und Stellen mitmischten. Bei der Nachverfolgung der
       Kontakte entscheidet nämlich das Wohnortprinzip darüber, welches
       Gesundheitsamt zuständig ist – und gerade in Berlin können das an
       weiterführenden Schulen, wo die SchülerInnen teilweise aus dem ganzen
       Stadtgebiet kommen, dann schon so einige Ämter sein. Auch Brandenburg sei
       mit im Boot gewesen, sagt Neukirchen.
       
       ## Kotanktperson 1, 2 oder 3
       
       Die Ämter wiederum entschieden oft nicht einheitlich über die Einstufung
       von Kontaktpersonen: „Die grobe Einteilung in Kontaktgruppe 1, 2 und 3 nach
       dem Robert-Koch-Institut funktioniert für die Schulen nicht, dafür sind die
       Situationen im Unterricht zu uneinheitlich: Hat Gruppenarbeit
       stattgefunden, was wurde im Sportunterricht gemacht?“ Da habe in den
       letzten Tagen „viel Unklarheit an der Schule“ geherrscht, sagt Neukirchen,
       auch weil die Ämter unterschiedlich schnell arbeiteten. „Es wäre viel
       sinnvoller, die Schulleitungen müssten nur zu einem Gesundheitsamt Kontakt
       haben und die Ämter vernetzen sich dann wiederum untereinander.“
       
       Die Erwartungen von Neukirchen und anderen Schulleitungen, da
       nachzusteuern, richten sich jetzt an den Hygienebeirat: Das Gremium, das zu
       Wochenbeginn erstmals zusammengekommen war, soll die Verwaltung von
       Bildungssenatorin Scheeres beratend durch die Pandemie führen. Mediziner
       sitzen darin, ein Amtsarzt, Eltern- und SchülervertreterInnen und auch die
       GEW. Die „Weiterentwicklung der Informations- und Kommunikationskanäle“
       soll ein zentrales Thema sein und stehe jetzt auch ganz klar im Fokus,
       versichert auch ein Sprecher von Scheeres auf taz-Anfrage.
       
       Mehr Koordination und vor allem mehr Kapazitäten fordert GEW-Landeschefin
       Doreen Siebernik auch bei den Testkapazitäten für pädagogisches Personal.
       Eine Säule von Scheeres’ Teststrategie für die Schulen ist, dass Lehrer-
       und ErzieherInnen sich an eigens dafür eingerichteten Teststellen bei
       Vivantes und Charité kostenlos testen lassen können, auch wenn sie
       keinerlei Symptome haben. „Wir sehen aber, dass es da inzwischen
       Wartezeiten bis in die zweite Septemberwoche hinein gibt, weil offenbar
       unter anderem die Reiserückkehrer viele Laborkapazitäten binden“, sagt
       Siebernik. „Das ist nicht Sinn der Sache.“
       
       ## Gesundheitsämter kommen an ihre Grenzen
       
       Tatsächlich hat Berlin in den letzten Wochen die Testkapazitäten stark
       erhöht – aber es lassen sich seit Ende der Sommerferien auch viel mehr
       Menschen testen. Die Senatsverwaltung für Gesundheit teilt auf Anfrage mit,
       dass in der vergangenen Woche genau 52.226 Tests durchgeführt wurden (davon
       1,2 Prozent positiv) – maximal 56.400 Tests könne man bewältigen, eine
       Auslastung von rund 90 Prozent. Zum Vergleich: Im Mai ließen sich rund
       20.000 Menschen pro Woche testen.
       
       Dass die Testkapazitäten ausgebaut werden und weitere Labore mit ins Boot
       geholt werden sollen, hatte der Regierende Michael Müller (SPD) am Dienstag
       auch im Senat gesagt, explizit auch mit Blick auf die Schulen.
       
       Derweil kommen aber auch die Gesundheitsämter an ihre Grenzen, denn wo mehr
       getestet wird, gibt es auch mehr positive Ergebnisse – und also mehr
       Arbeit, was die Rückverfolgung von Kontakten angeht. Mittes Amtsarzt Lukas
       Murajda hatte bereits im taz-Interview gewarnt, dass ohne zusätzliches
       Personal bald nicht mehr viel ginge. Im Frühjahr war deshalb auch die
       Bundeswehr zur Telefonarbeit herangezogen und Personal aus anderen
       Abteilungen abgezogen worden.
       
       ## Wieder positiv an einem Gymnasium
       
       Sollten die Zahl der Fälle deutlich steigen – und das könnte im Herbst
       geschehen –, greift Scheeres’ Plan B: geteilte Klassen, die eine Hälfte
       lernt in der Schule, die andere zu Hause. Bei welchem Infektionsgeschehen
       genau das sein wird, darauf möchte sich derzeit niemand festnageln lassen.
       Künftig will Scheeres jeden Freitag einen Überblick geben, wie viele Fälle
       es an welchen Schulen gibt.
       
       Schulleiterin Neukirchen sagt, sie seien im Falle eines zweiten
       Schul-Lockdowns immerhin „handlungsfähiger als im Frühjahr“. Inzwischen
       seien beinahe alle auf einer digitalen Lernplattform versammelt. Allerdings
       fehlten, trotz der Tablets, die Scheeres an Schulen verteilt hatte, noch
       immer Leihgeräte für SchülerInnen. Auch das Internet sei langsam und falle
       auch manchmal ganz aus.
       
       Am Dienstagabend gab es einen weiteren positiven Coronatest einer Schülerin
       am Beethoven-Gymnasium; kurz vor Mitternacht orderte die Schulleitung
       deshalb die zwölfte Jahrgangsstufe für Mittwoch nach Hause. Auf der
       Schulhomepage bedankt sich Neukirchen bei den Eltern „für die
       Unterstützung“ und bei den Mitarbeiterinnen des Gesundheitsamts „für ihre
       unermüdliche Arbeit“. Außerdem schreibt sie: „Sie können sicher sein, dass
       wir Schulleitungen bei der Senatsverwaltung auf klarere Strukturen
       hinwirken werden, das hätte uns allen in diesen Tagen viel erspart.“
       
       20 Aug 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Klöpper
       
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