# taz.de -- heute in hamburg: „Es gab immer Widerstand“
       
       Interview Maike Krob
       
       taz: Herr Bönig, wie kommt es, dass ausgerechnet Hamburg die größte
       Bismarck-Statue errichtet hat? 
       
       Jürgen Bönig: Bismarck hat durch die Gründung des Deutschen Reiches und die
       Errichtung eines Freihafens den Aufschwung Hamburgs erst möglich gemacht.
       Hamburg profitierte durch den Freihafen, weil Waren dort eingelagert werden
       konnten und nur Zoll bezahlt werden musste, wenn sie in das Deutsche Reich
       gingen. Der Zollschutz ermöglichte es zugleich den landwirtschaftlichen
       Großbetrieben, ihre Produkte an die städtische Bevölkerung zu höheren
       Preisen abzusetzen, als es beim Freihandel möglich gewesen wäre. Die
       Kaufleute hatten also freien Handel und Industrie und Landwirtschaft hatten
       den zeitweiligen Schutz durch Zoll. Bürger Hamburgs haben im Optimismus der
       Wirtschaftsentwicklung des Deutschen Reiches für seine
       Reichsgründungspolitik dieses Denkmals eines mit dem Schwert nach Westen
       wachenden Rolands errichtet.
       
       Haben sich die Hamburger*innen in diesem Moment selbst verleugnet? 
       
       Verleugnet ist untertrieben. Alle Bestrebungen, wie die einer bürgerlichen
       Regierung, eines bürgerlichen Militärs und einer republikanischen
       Staatsform, sind durch den Beitritt zum Deutschen Reich unter die Räder
       gekommen.
       
       Gab es darüber Streit in der Stadt? 
       
       Es gab immer Widerstand dagegen, aber Bismarck war, als er starb und die
       Statue errichtet worden ist, noch nicht so als problematisch erkennbar wie
       später. Denn die Folgen seiner Politik, nämlich koloniale und
       innerimperialistische Kriege wie der Völkermord an den Herero und Nama, der
       Erste und Zweite Weltkrieg, waren nur für wenige als Konsequenz dieser
       Politik des Nationalstaates erkennbar.
       
       Ist es gerechtfertigt, Bismarck auf seinen rassistischen Kolonialismus zu
       reduzieren? 
       
       Nein. Bismarck hat eine Politik gemacht, die sich der Mittel eines
       rassistischen Nationalismus, des Krieges und der Unterdrückung von
       Opposition im Inneren bediente und so einen ausschließenden Nationalstaat
       schuf.
       
       Gab es eine andere Lösung als eine Nationalstaatsbildung durch Krieg? 
       
       Während des gesamten 19. Jahrhunderts gab es Vorschläge für eine andere
       Form von Staatsgründung, die nicht auf Nationalismus aufbaut, sondern einer
       republikanischen mit Freiheit im Inneren, die mit anderen Staaten
       Zusammenschlüsse hätte schmieden können, auf friedliche Weise. Die
       Erfindung, dass jemand irgendwo geboren ist und dadurch eine besondere
       Qualität habe, birgt bereits in sich verheerende ideologische Konsequenzen.
       
       13 Aug 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Maike Krob
       
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