# taz.de -- Die Schwierigkeit und Schönheit der Übersetzung
       
       > In zwei Sprachen aus zwei Ländern zu arbeiten hat den Blickwinkel
       > geöffnet für andere Perspektiven
       
       Von Elisabeth Kimmerle
       
       taz.gazete war ein Projekt über Sprach- und Ländergrenzen hinweg. In zwei
       Sprachen aus zwei Ländern zu arbeiten war herausfordernd und schön. Vor
       allem aber war es viel Arbeit. Es bedeutete, dass eine Idee in
       verschiedenen Aggregatszuständen von Berlin nach Istanbul, Ankara oder
       Diyarbakır reiste und zurück. Dann begann das Ringen um die Wörter und die
       Halbsätze. Denn die Übersetzung erschöpft sich nicht im Blick ins
       Wörterbuch. Am Ende klafft immer eine Lücke. Und darin liegt die Schönheit.
       Es gibt semantische Verschiebungen und erklärungsbedürftige Begriffe, die
       im Deutschen leere Signifikanten sind, die ohne Kontextwissen nichts
       bezeichnen. Als Nicht-Muttersprachlerin, die erst mit Anfang 20 Türkisch
       gelernt hat, hat mich diese Lücke immer fasziniert, denn in ihr tat sich
       eine neue Welt der Bedeutungen auf. Manches kann man in einer Sprache mit
       nur einem Wort ausdrücken, in der anderen gibt es kein Wort dafür, zum
       Beispiel Fernweh oder kolay gelsin (am ehesten: Frohes Schaffen). Bei
       anderen Wörtern geht die Bedeutungstiefe in der Übersetzung verloren oder
       der Klang. Im Türkischen muss niemand erklären, was der 12. September
       bedeutet. Das türkische Wort mücadele ist politisch links konnotiert und
       taucht in jedem Text über die politischen Kämpfe von Frauen, Gewerkschaften
       und LGBTI auf. Das deutsche Äquivalent Kampf verwenden wir ungern im
       Singular.
       
       Das mag trivial klingen, ist es aber nicht. Das Nachdenken über die
       Bedeutung von Wörtern in zwei Sprachen weitet den Blickwinkel. Das richtige
       Wort zu finden ist politisch. Wer übersetzt, weiß, dass es immer mindestens
       zwei Perspektiven gibt. Und hinterfragt, was schnell über die Lippen kommt.
       Das Redigat warf unzählige Fragen auf. Was verstehen die Leser*innen, was
       nicht? Was weiß die gazete-Redaktion in Berlin über die Atmosphäre in der
       Türkei? Welche Rolle nehmen wir als Redakteur*innen ein? Die
       Auseinandersetzung mit den Texten zeigte, dass es nicht nur eine gültige
       Form von Journalismus gibt und dass Berichterstattung wesentlich von
       Arbeitsbedingungen geprägt wird. Und die waren in der Türkei fundamental
       andere als in unserem bequemen Büro in Berlin.
       
       taz.gazete wollte solidarisch mit den Kolleg*innen in der Türkei sein,
       kritischen Stimmen Raum geben und neue Perspektiven auf die politischen und
       gesellschaftlichen Ereignisse zwischen Deutschland und der Türkei eröffnen.
       Ich glaube, in den besten Momenten ist uns das gelungen, in anderen sind
       wir daran gescheitert. gazete war ein Experiment, bei dem ich viel gelernt
       habe – gerade auch im Scheitern. Das lag an einem diskussionsfreudigen und
       stets solidarischen Team und an Kolleg*innen in der Türkei, vor deren
       Arbeit ich großen Respekt habe. Was von gazete bleibt, ist, dass wir für
       eine Zeitlang einen kleinen Unterschied gemacht haben. Zumindest hoffe ich
       das.
       
       24 Jul 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Elisabeth Kimmerle
       
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