# taz.de -- Die Wahrheit: Langzeithochzeitsreise
       
       > Neues aus Neuseeland: Aotearoa gilt als coronafrei. Wer würde da nicht um
       > die halbe Welt schippern, um ins Paradies zu gelangen?
       
       Maskenpflicht? Nicht bei uns. Social Distancing? Lange vorbei. Covidfälle?
       Tauchen nur noch in der strengen Hotel-Quarantäne bei Rückkehrern auf.
       Ausgehen, feiern, Veranstaltungen? Alles wieder sicher. Angeben wollen wir
       mit unserem coronafreien Paradies angesichts der internationalen Lage aber
       lieber nicht. Doch dass Kiwis plötzlich den begehrtesten Pass der Welt in
       den Händen halten, darf man wohl erwähnen, oder?
       
       Es ist amtlich. Das neueste Ranking des „Passport Index“ führt Neuseeland
       zusammen mit Japan auf dem ersten Platz – weil man damit zu 118 Ländern
       Zutritt ohne Visum erhält. An zweiter Stelle stehen Belgien, Frankreich,
       Deutschland, Finnland, Österreich, Luxemburg, Spanien, Südkorea, Schweiz,
       Irland, England und Australien. San Marino belegt den neunten Platz,
       Andorra Nummer zehn.
       
       Leider nutzt uns der Edellappen jedoch wenig. Seit Ende 2019 ist der World
       Openness Score (WOS) nämlich um 65 Prozent gesunken, die Reisemobilität ist
       also stark eingeschränkt. Was im Falle von Neuseeland noch viel drastischer
       ist, da es kaum Flüge ins Ausland gibt und man bei der Rückkehr erst mal
       zwei Wochen in besagter Quarantäne verschwindet. Wer von hier aus reist,
       macht das sicher nicht zum Spaß. Oder ist auf Hochzeitsreise. Wie das Paar,
       das kurz vor dem Lockdown unsere schönen Inseln verlassen hat, um an den
       anderen schönen Arsch der Welt zu fliegen – auf die Falklandinseln im
       Südatlantik.
       
       Feeonaa und Neville Clifton hatten gerade geheiratet. Er 59, sie 48 Jahre
       alt, waren sie bereits 25 Jahren zusammen und hatten drei Kinder gemeinsam
       großgezogen. Deshalb wollte er ihr jetzt seine Heimatinseln vor Argentinien
       zeigen. Die Malvinas oder Falklands. Dumm nur, dass dann Corona dazwischen
       kam und alle Flüge gecancelt wurden. Beide strandeten und mussten zwölf
       Wochen bei einer Tante verbringen. Und als ob das nicht schlimm genug wäre,
       trafen sie coronabedingt kaum jemanden, machten lange Spaziergänge,
       kletterten auf Hügel und hatten langsam den Eindruck, wie sie später
       erklärten, in einer „alternativen Realität“ zu leben.
       
       Dann kam die Rettung. Eine Mitfahrgelegenheit. Ein neuseeländisches
       Fischerboot landete auf den Falklands und die beiden
       Langzeithochzeitsreisenden ergriffen die Gelegenheit. Einmal über die
       Ozeane schippern. Sie habe, sagte Feeonaa, zuvor noch nie eine Nacht auf
       einem Boot verbracht. Auf der wochenlangen Reise an Bord der 38 Meter
       langen „San Aotea II“ beobachteten sie Albatrosse und Delfine und
       versuchten vor allem, der Besatzung nicht im Weg zu sein. „Rumzulaufen,
       ohne verletzt zu werden, war unser Hauptziel“, meinte Feeonaa. Ihre
       Hochzeitsreise sei nicht so gewesen, wie erwartet, fasste sie zusammen.
       Vermisst hätte sie frisches Obst, neuseeländisches Brot und Marmite. Unser
       Nationalbrotaufstrich.
       
       Was man nicht alles so tut, um in unser coronafreies Marmite-Paradies
       zurückzukehren.
       
       6 Aug 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anke Richter
       
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