# taz.de -- 200 Millionen Euro für Profivereine: Wer klappert, bei dem klingelt’s
       
       > Im großen Corona-Umverteilungsspiel reklamiert auch der kleine
       > Vereinssport seinen Anteil – zurecht.
       
 (IMG) Bild: Tristesse an der Basis: Schild an einem Sportplatz im nordrhein-westfälischen Kalkheck
       
       Die Pandemie, so scheint es, hat den Prozess der Viktimisierung in der
       Gesellschaft beschleunigt. Das Virus schafft Opfer, deren
       bemitleidenswerter Zustand in erster Linie vom Staat kuriert werden muss.
       Die Dringlichkeit ist immens, der Handlungsdruck, Geld von oben nach unten
       zu verteilen, anscheinend auch. Die Bundesregierung fühlt sich nach Jahren
       des Sparens und der Schwarzen Null berufen, für alle kurz- und
       mittelfristigen Folgen der Pandemie aufzukommen.
       
       Der Staat springt ein, wenn Umsätze einbrechen und Kunden nicht mehr
       kommen. Er gebärdet sich dabei teilweise wie eine überfürsorgliche Nanny,
       die ihre Schutzbefohlenen nicht aus den Augen lassen kann. Täte sie es
       doch, würden die lieben Kleinen Unfug anstellen oder schlichtweg
       untergehen.
       
       Die Nothilfen offenbaren ein merkwürdiges Staatsverständnis, das auf dem
       Humus eines identitätspolitischen Opferdiskurses gediehen ist. Ohne die
       prekären Lagen vieler Menschen zu verharmlosen, aber in Zeiten der lockeren
       Staatsknete kommt es natürlich darauf an, wer die schrillsten Klagelaute
       von sich gibt oder besonders drastische Schilderungen vom Verfall zeichnet.
       Wer klappert, bei dem klingelt’s.
       
       ## Dusche unterm Füllhorn
       
       Der Sport, [1][vor allem der Fußball], hat sich schon immer gut als Opfer
       der Umstände inszenieren und ebenso gut seine Systemrelevanz behaupten
       können. Die Kicker, aber nicht nur die, stehen seit Jahrzehnten unter einem
       Füllhorn der öffentlichen Querfinanzierung. Bereits in der Vergangenheit
       flossen ungezählte Mittel vom Bund und von den Kommunen in Stadien und
       Vereine. Die Umverteilung von Steuergeldern lief eh schon wie geschmiert,
       Corona hat diesen Prozess noch einmal beschleunigt.
       
       Da verwundert es kaum, dass der Präsident des Deutschen Olympischen
       Sport-Bundes, Alfons Hörmann, [2][den Finanzbedarf von Sportvereinen] jetzt
       bei einer Milliarde Euro ansetzt. Das ist in diesen Wochen des
       Helikoptergeldes gar nicht mal zu hoch gegriffen, denn warum sollte der
       Sport zurückhaltend sein, wenn die Schatullen in Berlin geöffnet werden und
       sich der Finanzminister in Retterpose wirft. Die kleinen Vereine befänden
       sich im „Wachkoma“, heißt es von der Basis: „Wenn der reguläre Spielbetrieb
       nicht wieder anläuft, wackelt das ganze System. Dann werden die Mitglieder
       den Vereinen untreu werden.“
       
       Geld muss her, und das klingt logisch, füllt es doch nicht nur leere
       Kassen, sondern auch, nun ja, leere Herzen. Sozialer Kitt muss wieder
       angerührt werden. Vereine, die in der letzten Dekade einen krassen
       Mitgliederschwund zu verzeichnen hatten, sollen nicht weiter leiden. Das
       ist verständlich. Allerdings: Warum steht der kleine Vereinssport in
       Deutschland in der Opferhierarchie nur auf Platz drei?
       
       Zuerst musste der Bundesliga-Fußball hierzulande unbedingt gerettet werden.
       Die Politik begleitete das Konzept der aseptischen Geisterspiele besonders
       wohlwollend. In dieser Woche hat die Bundesregierung nun 200 Millionen Euro
       für Profivereine bereitgestellt. Bedacht werden Sportklubs der ersten und
       zweiten Ligen im Basketball, Eishockey, Volleyball oder Handball, aber auch
       Vereine der dritten Fußball-Liga dürfen sich über Corona-Hilfen aus Berlin
       freuen. Die meisten Klubs ächzen unter der Last der Zwangsruhe.
       
       Diese 200 Millionen Euro kommen spät und entsprechen gerade mal der
       vierfachen Transfersumme eines Leroy Sané, der von Manchester City zu
       Bayern München wechselt. Sie sind ein Symbol der Unwucht im deutschen
       Sportsystem. Oben werden schon wieder ganz gute Geschäfte gemacht, unten
       wartet man darauf, dass der Wachkoma-Patient irgendwann wieder mit der
       Wimper zuckt. Der Lockdown hat zu einem Locked-in-Syndrom geführt – mit
       unklarer Prognose für Patienten an der Basis.
       
       3 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.waz.de/sport/fussball/s04/laschet-ueber-buergschaft-fuer-schalke-keine-entscheidung-id229413736.html
 (DIR) [2] https://www.dosb.de/sonderseiten/news/news-detail/news/vielfalt-in-sportdeutschland-akut-in-gefahr/?no_cache=1&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&cHash=deea66cccfb64e6e18bbd8ec6980c4c6
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Völker
       
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