# taz.de -- Absurde Folgen von Corona in Berlin: Hotline verdrängt Musikschule
       
       > Weil die Schule wegen der Pandemie geschlossen war, bezog die bezirkliche
       > Corona-Hotline die Schulräume. Doch nun will die Hotline nicht mehr
       > weichen.
       
 (IMG) Bild: Musik ist was tolles – aber man muss es lernen. Und was, wenn die Musikschule keinen Raum hat?
       
       Berlin taz | Corona hat bereits so einige Skurrilitäten bedingt, von
       Klopapierkauforgien bis zu dieser [1][absurden Schlauchbootparty] auf dem
       Landwehrkanal. Die Geschichte von der Corona-Hotline, die während des
       Lockdowns in eine Musikschule einzieht und nach Wiederaufnahme des
       Lehrbetriebs nicht mehr ausziehen möchte, ist aber auch nicht schlecht.
       
       In der Joseph-Schmidt-Musikschule in Adlershof ist genau das passiert. „Es
       ist ein wenig so, als würde man in den Urlaub fahren, seine Wohnung für
       sechs Wochen untervermieten und bei der Rückkehr gesagt bekommen: Sorry,
       jetzt wohne ich hier“, beschreibt die Musikschullehrerin Heike Faensen die
       Lage.
       
       Tatsächlich benötigte das Bezirksamt Treptow-Köpenick beim Corona-Ausbruch
       Räume für eine Hotline. Die fand sie in der Musikschule, die während des
       Lockdowns sowieso geschlossen war. Doch seit Mitte Mai wird wieder
       unterrichtet, nur fehlen dafür jetzt noch fast ein Drittel der Räume, die
       vor Corona zur Verfügung standen.
       
       Noch komme sie ohne einen Unterrichtsraum aus, so Susanne Bartelt, die an
       der Musikschule Chorgesang unterrichtet. Sie habe im Lockdown mit ihren
       Schüler online gearbeitet und mache das eben derzeit immer noch. Doch bald
       beginne das neue Schuljahr. Und wenn sie da nicht wieder direkt mit ihrem
       Gesangsnachwuchs arbeiten könne, werden ihr nach und nach die Schüler
       wegbrechen, befürchtet sie. Wie die meisten Lehrer der Musikschule ist sie
       nicht festangestellt, sondern Honorarkraft. Hier geht es auch um
       Existenzängste.
       
       Die ganze Lage beschreibt sie als ziemlich grotesk. An den Hotlines würde
       telefoniert werden, während gleichzeitig aus dem Nebenraum Klavierklänge
       ertönten. Lehrkräfte würden die Räume der Hotline betreten, um Unterlagen
       aus den Regalen zu holen und dabei schiefe Blicke zugeworfen bekommen. Wann
       sich das wieder ändert? „Uns wird nicht gesagt, wann wir die Räume zurück
       bekommen.“
       
       Inzwischen organisieren die Honorarkräfte der Musikschule einen Protest. Am
       Mittwoch dieser Woche unterrichteten einige Lehrer ihre Schüler im Garten,
       um auf ihre Lage aufmerksam zu machen. Am Zaun, der das Gelände der
       Musikschule säumt, hingen Banner. „Den letzten beißt das Gesundheitsamt“
       oder „Tod durch Rauswurf“ war darauf zu lesen. Auf einigen war ein
       gefräßiger Igel abgebildet, den Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick,
       Oliver Igel (SPD), symbolisierend.
       
       Als die Musikschule Anfang der Neunziger gegründet wurde, war sie noch im
       ganzen Gebäude in der Hans-Schmidt-Straße 6-8 untergebracht. Inzwischen
       gehört ihr nur noch die Hälfte: Im anderen Teil hat sich mit den Jahren und
       schon lange vor Corona das Bezirksamt breit gemacht. Seit 2019 ist bekannt,
       dass der Bezirk die Musikschule an zwei neuen Standorten unterbringen
       möchte, doch die müssen erst noch errichtet werden.
       
       ## Die vorgesehenen neuen Räume sind noch gar nicht gebaut
       
       Cornelia Flader (CDU), die für die Belange der Musikschule zuständige
       Bezirksstadträtin, erklärt: „Das Wohl der Joseph-Schmidt-Musikschule ist
       mir gerade in diesen Zeiten sehr wichtig.“ Sie bestätigt, dass ein
       Ersatzneubau für die Einrichtung geplant sei. Bis dahin werde der
       Unterricht weiter am aktuellen Standort statt finden. Und wie lange noch in
       Koexistenz mit den Corona-Hotlines? „So lange, wie es notwendig ist.“
       
       Bei der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am Donnerstag gab sie nun
       bekannt, dass für das nächste Schuljahr Ersatzräume gefunden wurden. Im
       Gebäude in der Hans-Schmidt-Straße sollen fünf leer stehende Räume
       hergerichtet werden, außerdem werden Unterrichtsmöglichkeiten in einer
       Schule und in einer Sporthalle geschaffen. Susanne Bartelt kann im nächsten
       Schuljahr nun also doch weiter unterrichten. Irgendwo, wo sie die
       Mitarbeiter der Corona-Hotlines nicht mehr weiter stören kann.
       
       19 Jun 2020
       
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