# taz.de -- Debatte um Schulöffnung trotz Corona: Risikogruppe? Nur mit Attest
       
       > Viele LehrerInnen gehören zur Corona-Risikogruppe. Nun sollen sie ein
       > ärztliches Attest bringen, um sich vom Präsenzunterricht freistellen zu
       > lassen.
       
 (IMG) Bild: LehrerInnen mit Vorerkrankungen bringen ein Attest und müssen dann nicht zum Präsenzunterricht.
       
       Berlin taz | Das gibt Streit: Es zeichnet sich ab, dass in den
       Bundesländern Altersgrenzen allein oder ein pauschaler Verweis auf
       Vorerkrankungen nicht mehr ausreichen, falls [1][LehrerInnen aus Angst vor
       Ansteckung] nicht am Präsenzunterricht an den Schulen teilnehmen wollen,
       wenn die [2][Coronabeschränkungen gelockert werden oder wegfallen].
       
       In Berlin beispielsweise heißt es in einer Rundmail der Schulverwaltung,
       man werde „auf der Grundlage der veränderten Einschätzung des
       Robert-Koch-Institutes“ die Regelungen zum Personaleinsatz „anpassen“.
       Beschäftigte in einer Risikogruppe müssten zur individuellen
       „arbeitsmedizinischen Begutachtung“.
       
       Nach Einschätzung des [3][RKI] ist eine „generelle Festlegung zur
       Einstufung in eine Risikogruppe“ nicht möglich. Das RKI hat zwar Listen
       erstellt mit möglichen Vorerkrankungen und Altersgruppen für ein erhöhtes
       Risiko, im Falle einer Corona-Infektion schwer zu erkranken. Es legt aber
       Wert darauf, dass eine „individuelle Risikofaktoren-Bewertung“ stattfinden
       müsse.
       
       „Dies führt dazu, dass ab dem 2. Juni 2020 alle Dienstkräfte der Berliner
       Schule, die eine Covid-19-relevante Vorerkrankung durch ein aktuelles
       ärztliches Attest nachweisen, auch weiterhin nicht für eine Tätigkeit in
       der Schule eingesetzt werden und stattdessen im Homeoffice arbeiten“, heißt
       es in dem Schreiben der Berliner Schulverwaltung.
       
       ## 20 Prozent freigestellt
       
       In Nordrhein-Westfalen hatte das Schulministerium bereits verfügt, dass
       LehrerInnen mit Vorerkrankung künftig ein ärztliches Attest vorweisen
       müssen, um sich von der Teilnahme am Präsenzunterricht befreien zu lassen.
       Davor war es in NRW relativ formlos möglich, sich mit einem Schreiben an
       die Schulleitung vom Präsenzunterricht entbinden zu lassen und
       ausschließlich im Home Office zu unterrichten.
       
       In Baden-Württemberg erklärte Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU), sie
       halte es für „richtig“, dass Lehrkräfte künftig Atteste über
       Vorerkrankungen vorlegten, wenn sie vom Präsenzunterricht befreit werden
       wollen. Diese Lehrkräfte arbeiteten dann „von zu Hause“ und seien nicht
       generell freigestellt, betonte Eisenmann.
       
       In Baden-Württemberg hatten sich einer Abfrage zufolge rund 20 Prozent der
       LehrerInnen von der Präsenzpflicht freistellen lassen. Sie sind nach
       eigenen Angaben entweder über 60 Jahre alt, schwanger, haben eine relevante
       Vorerkrankung oder leben mit Personen aus einer dieser Risikogruppen
       zusammen.
       
       Das Kriterium einer pauschalen Altersgrenze oder die Tatsache, dass man mit
       einer „Risikoperson“ zusammen lebt, würden bei einer individuellen
       Attestpflicht künftig nicht mehr ohne weiteres ausreichen, um als Lehrkraft
       vom Präsenzunterricht entbunden zu werden.
       
       ## Lange Liste
       
       Die Liste der Vorerkrankungen von „Risikogruppen“, die das RKI
       veröffentlicht, beinhaltet unter anderem Erkrankungen des
       Herz-Kreislauf-Systems, chronische Lungenerkrankungen wie COPD, Diabetes,
       Krebserkrankungen, Erkrankungen des Immunsystems wie beispielsweise Rheuma.
       Von der Liste sind Millionen Menschen betroffen: In Deutschland gibt es zum
       Beispiel mehr als 7 Millionen Diabetiker.
       
       Ilka Hoffmann, im Vorstand der GEW zuständig für die allgemeinbildenden
       Schulen, sagte der taz: „Lehrkräfte, die nach den bisherigen Erkenntnissen
       zu den Risikogruppen gehören, also Menschen mit Vorerkrankungen oder einem
       Lebensalter ab 60 Jahren, sollen nur auf freiwilliger Basis in den
       Präsenzunterricht zurückkehren.“
       
       Hoffmann erklärte, es gebe aber auch Lehrkräfte, die unterrichten wollten,
       obwohl sie zur Risikogruppe gehören. Das müsse möglich sein, wenn diese
       KollegInnen „besonders geschützt werden“. In vielen Schulen befürchtet man
       Probleme bei der Organisation des Unterrichts, wenn ein Teil der Lehrkräfte
       von zuhause aus, die Mehrzahl aber vor Ort unterrichtet.
       
       Hoffmann wies daraufhin, dass „die Gefahr der Stigmatisierung“ bestehe,
       wenn Lehrkräfte jetzt ein ärztliches Attest erbringen müssten, um vom
       Präsenzunterricht freigestellt zu werden. „Es besteht auch die Gefahr, dass
       wegen des Lehrkräftemangels sozialer Druck aufgebaut wird, damit die
       KollegInnen in den Präsenzunterricht kommen. Die Personalräte müssen dafür
       sorgen, dass ein solcher Druck nicht entsteht.“
       
       ## Abstand muss bleiben
       
       Auch wenn die Abstandsregeln in den Schulen gelockert werden, müsse es
       „immer einen ausreichenden Infektionsschutz für die Lehrkräfte geben, also,
       dass zum Beispiel der Abstand zu den Lehrkräften weiterhin eingehalten
       werden muss“, sagte Hoffmann.
       
       Jede Schule sollten einen runden Tisch einrichten, „an dem die Lehrkräfte,
       Sozialarbeiter, Schulpersonal, Eltern und Schüler, aber auch
       Gesundheitsexperten sitzen und an dem man das genaue Vorgehen berät“,
       erklärte das GEW-Vorstandsmitglied.
       
       29 May 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Schuloeffnungen-in-NRW/!5685498
 (DIR) [2] /Oeffnungen-von-Schulen/!5685325
 (DIR) [3] https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogruppen.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Dribbusch
       
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