# taz.de -- Datenskandal in Österreich: Nackt im Netz
       
       > Daten von über einer Million Steuerpflichtigen stehen seit Jahren online.
       > Erst die Beantragung von Corona-Hilfen bringt das ans Licht.
       
 (IMG) Bild: Weiß von nichts: Finanzminister Gernot Blümel
       
       Wien taz | Der größte Datenschutzskandal Österreichs beschäftigt seit
       Donnerstag die Politik. Den Superlativ bemühen zumindest die
       oppositionellen Neos, die die Affäre an die Öffentlichkeit gebracht haben.
       Es handelt sich um mehr als eine Million Datensätze von Steuerzahlern, die
       nicht etwa durch Schlamperei oder gezieltes Hacking öffentlich gemacht
       wurden, sondern seit 16 Jahren im Netz stehen.
       
       Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Digitalisierungssprecher der Neos, warf
       Finanzminister Gernot Blümel und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck
       (beide ÖVP) am Freitag in einer Pressekonferenz vor, ihre Ressorts nicht im
       Griff zu haben: „Oder sie wussten davon und haben nicht gehandelt“.
       
       Im „Ergänzungsregister für sonstige Betroffene“, das auf der Homepage des
       Wirtschaftsministeriums abrufbar war, sind neben vollem Namen und
       Geburtsdatum der Personen auch deren letzte Privatadressen registriert: für
       jedermann öffentlich einsehbar. Möglicherweise seien auch Steuerdaten
       vermerkt, so Hoyos.
       
       Ruchbar wurde die Existenz dieses bisher unter dem Radar der Datenschützer
       liegenden Registers, weil Selbständige, die einen Zuschuss aus dem
       [1][Corona-Härtefallfonds] beantragen wollen, die ihnen in dieser Datei
       zugeordnete Global Location Number (GLN) angeben müssen.
       
       ## Auf Betreiben der EU
       
       Angelegt wurde das Register 2009 auf Betreiben der EU. Es ging darum, auch
       Kleinunternehmer, die nicht im Branchenbuch stehen, für allfällige
       Geschäftspartner transparent zu machen. Zu finden sind dort aber auch
       Personen, die irgendwann in den letzten 15 Jahren ein steuerpflichtiges
       Nebeneinkommen hatten. Darunter auch [2][Bundespräsident Alexander Van der
       Bellen], Innenminister Karl Nehammer oder der Künstler André Heller.
       
       Spätestens bei vollständigem Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung
       (DSGV) im Mai 2018 hätte diese Datenbank vom Netz genommen werden müssen,
       meint Thomas Lohninger von der Datenschutz-NGO Epicenter.works, der als
       Fachmann von den Neos hinzu gezogen wurde. Er sprach von den Gefahren des
       Identitätsdiebstahls und des Datenhandels. In den vergangenen Tagen habe es
       mehr als eine Million Zugriffe gegeben.
       
       Die Neos waren von Betroffenen kontaktiert worden, die sich irritiert
       zeigten, dass ihre sensiblen Daten für alle Welt einsehbar waren. Darunter
       eine Psychoanalytikerin aus Salzburg, die bereits gestalkt worden sei, wie
       Douglas Hoyos berichtete. Im Ministerium seien sie mit Unverständnis
       abgewiesen worden. Auch bei Nachfragen der Neos hätten die zuständigen
       Sachbearbeiter keinerlei Problembewusstsein gezeigt.
       
       Finanzminister Blümel zeigte sich noch am Donnerstag nachmittag überrascht,
       als er bei einer Pressekonferenz darauf angesprochen wurde. Er höre zum
       ersten Mal von diesem Problem. Sollte er wirklich nichts gewusst haben, sei
       das „ein Armutszeugnis“, so Hoyos.
       
       Wenige Stunden später war das Register dann offline und
       Wirtschaftsministerin Schramböck rief Thomas Lohninger nach dessen Auftritt
       in den Spätnachrichten an, um ihn in eine Task Force einzuladen. Wann und
       was diese Arbeitsgruppe tun wird, wusste der Datenexperte noch nicht. Er
       wünscht sich aber bei der Digitalisierung mehr Grundrechtsperspektive und
       mehr Geld für den „chronisch unterfinanzierten“ Datenschutz.
       
       8 May 2020
       
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